Und doch ist es in manchen Fällen notwendig und freundlich, lieber nichts zu schreiben, als nicht zu schreiben.
Johann Wolfgang von Goethe
Im Jahr 2015 sind in Deutschland 89.506 Buchtitel neu- oder ersterschienen. Viele NachwuchsautorInnen wünschen sich, dass auch ihr Manuskript eines Tages von einem namenhaften Verlag unter Vertrag genommen wird und dann in allen Buchläden steht. Leider wird dieser Traum nur für wenige wahr, denn die VerlegerInnen überlegen sich genau, in welche Geschichten sie investieren. Die, die nicht genommen werden, bleiben aber dennoch nicht immer vor der Öffentlichkeit verborgen, denn in Deutschland haben bislang schon über 100.000 AutorInnen die Möglichkeiten des Self-Publishing genutzt.
Ein Buch selbst zu verlegen ist theoretisch nicht schwer. Man hat das Buch geschrieben, gestaltet das Layout sowie ein Buchcover, bringt das ganze in digitaler Form in eine Druckerei und die fertig gedruckten Bücher anschließend in die Buchläden. Theoretisch also ganz einfach…aber nicht jeder hat eine gute Idee für den Buchumschlag oder das Geld, den Druck vorzustrecken, oder die Zeit, jede deutsche Buchhandlung anzufahren und die Händler zu überzeugen, das eigene Buch in den Verkauf aufzunehmen. Dafür gibt es heute Apps wie Sweek oder spezielle Verlage, die die Self-Publisher mit ihrer Infrastruktur während des ganzen Prozesses begleiten, Hilfestellung geben und bereits über wichtige Kontakte in die Buchbranche verfügen. Einer der größten Self-Publishing-Verlage in Deutschland ist Books on Demand (BoD) aus der Nähe von Hamburg. Katrin Feindt ist für die Kundenbetreuung zuständig und fasst das Prinzip kurz zusammen: „Wir helfen Ihnen, Ihr Buch oder E-Book in die üblichen Buchhandlungen und Onlineshops zu bringen und begleiten Sie auf dem ganzen Weg dorthin, soweit Sie das wünschen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Verlagen, schreiben wir Ihnen aber nicht vor, wie Ihre Geschichte zu sein hat. Sie bleiben RechteinhaberIn an den Inhalten, wir unterstützen Sie nur bei der Finanzierung und dem Marketing.“
Micheal Lorenz hat von diesem Angebot Gebrauch gemacht und sein eigenes Buch Interview mit einem DJ mit Hilfe von BoD veröffentlicht. Er ist unter dem Namen DJ RollingStock in Franken unterwegs und trifft in seinem Buch auf Elvis, um mit ihm über Musik zu sprechen. Das Buch würde einem im Laden vielleicht nicht sofort ins Auge fallen: ein weißer Umschlag mit schwarzer Schrift, einer Knochenhand und einem Mikrofon. Und dennoch ist es fast ein bisschen schade, dass es dieses Buch nicht auf herkömmlichem Wege in die Buchläden geschafft hat, denn „Interview mit einem DJ“ ist mehr als nur ein fingiertes Gespräch mit dem Godfather of Rock’n’Roll. Lorenz ist darin auf humorvolle Weise sehr kritisch mit sich selbst, aber auch mit der Welt um ihn herum.
Durch das zunehmende Self-Publishing können alle denkbaren Inhalte ohne Einschränkung veröffentlicht werden, während herkömmliche Buchverlage als sogenannte Gatekeeper bestimmen, welche Themen und Bücher gerade gelesen werden und eine breite Aufmerksamkeit bekommen. Dafür tragen sie aber nicht nur das finanzielle Risiko, falls sich ein Buch nicht wie gewünscht verkauft, sondern sie haben auch noch eine wichtige rechtliche Funktion, die beim Self-Publishing leider oft vernachlässigt wird. Dabei geht es sowohl um die Kontrolle verfassungsfeindlicher, jugendgefährdender Inhalte, als auch um die Verhinderung rechtlicher Verstöße, wenn man zum Beispiel Schriftarten und Bilder verwendet, an denen man keine Rechte hat, oder andere Autoren falsch zitiert. „Darauf sollten SelbstverlegerInnen unbedingt achten, denn sie müssen sich später dafür verantworten“, wie Katrin Feindt betont.
Auch wenn das Buch von Michael Lorenz und viele weitere selbstverlegte Bücher wahrscheinlich keine zweite Harry Potter-Reihe werden, ist der Inhalt des Geschriebenen manchmal vielleicht weniger wichtig als der Prozess des Schreibens und Verlegens selbst, wie es in Goethes Zitat angedeutet wird. Denn die AutorInnen machen sich Gedanken, welche Geschichte sie der Öffentlichkeit erzählen wollen, wie sie die Zeilen am besten formulieren, wie sie das Buch gestalten wollen, wie sie andere darauf aufmerksam machen, es zu lesen, und vor allem, sie arbeiten kontinuierlich an diesem Projekt. Eine eigene Internetpräsenz ist dabei genauso wichtig, wie der direkte Kontakt mit Lesefreudigen bei Lesungen und auf den großen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt am Main. Und am Ende haben die Self-Publisher nicht nur viel über sich selbst, die Buchbranche und das Verlegen von Büchern gelernt, sie haben vielleicht Glück und werden bei den LeserInnen so beliebt, dass auch die großen Verlage auf sie aufmerksam werden.
Rubrik: Kultur
AutorIn: Anika Hirte
Veröffentlicht am: 04.11.2016