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Helwig Arenz: Nachts die Schatten

2017-01_review-nachts-die-schattenMitte Januar ist die Zeit, in der es sich die Feiertage-Schlemmereien so langsam auf den Hüften häuslich eingerichtet haben und man wegen der anstehenden Prüfungsphase den Kopf eigentlich nur in Forschungsliteratur steckt. Aber ich habe ich mir eine Pause von großen akademischen Denkern genommen und habe es mir mit dem Roman Nachts die Schatten von Helwig Arenz und einer Kanne Tee auf dem Sofa gemütlich gemacht.

Der Protagonist Georg wächst in einer mehr oder weniger normalen Familie auf. Der Vater unnahbar, die Mutter für ihn ein Engel und die beiden älteren Brüder Fluch und Segen zugleich. Sein Leben ist die typische Geschichte eines empfindsamen Außenseiters mit dem Wunsch dazuzugehören. Georg kommt durch seine Brüder mit Alkohol in Berührung, entdeckt sein Interesse für Mädchen und den Hang zu Lügengeschichten. Gleichzeitig schämt er sich für seine aufbrausenden Momente und dieses schlechte Gewissen sowie die Scham vor der eigenen Sexualität eines Heranwachsenden manifestieren sich in Geistern. Mal ist es eine leichtbekleidete Frau, die von Georg berührt werden möchte und mal ist es ein Polizei-Duo, das versucht ihn dazu zu zwingen, seine Taten zuzugeben und mit den Folgen zu leben.

Neben seiner Familie hat Georg nicht viele enge Freunde, aber das ändert sich, nachdem Judith sich für ihn interessiert. Die erste Liebesbeziehung holt den Jungen aus seinem bekannten Familiengefüge heraus…

Nachts die Schatten ist ein Coming-of-Age-Roman, der eine typische Geschichte auf eine ungewöhnliche Art und Weise erzählt. Es fällt schwer sich mit dem Protagonisten zu identifizieren, der ein eher weinerliches Muttersöhnchen ist und seinen Platz noch nicht gefunden hat. Georg ist auf der Suche nach Anerkennung, ohne dabei eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Er stolpert durch ein jugendliches Leben, ohne zu wissen, wohin er möchte oder was eigentlich seine eigene Meinung ist. Diese Offenheit der Figur macht es unmöglich sich als Leser zu ihm zu positionieren. Man findet ihn weder gut noch sehr schlecht und genau das ist auch Nachts die Schatten, weder besonders gut, noch grausam schlecht aber allemal besser als sich, wie in meinem Fall, fünf Stunden mit Foucault zu beschäftigen.

Text: Lea Kiehlmeier