#TTF18
Rothenburg (ob der Tauber!) – Tourismus-Hochburg Mittelfrankens – dem Ruf nach die besterhaltenste, mittelalterliche Altstadt Deutschland – Heimat des kleinen aber feinen Taubertal Festivals. Also fast… Denn Heimat des Festivals ist eigentlich die Eiswiese in Sichtweite der alten Stadtmauer direkt neben der Tauber und einen knackigen Fussmarsch von der Stadt entfernt. Es gilt, 100m Höhenunterschied zu bewältigen.
Nicht vergessen darf man natürlich den Festival-Campingplatz „Berg“ – besser bekannt unter dem Nickname „Donnerkuppel“; auch dort ist das Festival zu Hause. Denn ohne den – wenn auch nur vorübergehend – größten Campingplatz der Region wäre das Festival nicht das, was es heute ist. Dieses Jahr hat es funklust nicht bis ins Zeltreich der Sonderbauten und LKW-Wohnanhänger geschafft… Sportliche und familäre Verpflichtungen das funklust-TTF-Team zu schmerzhaften Kompromissen, v.a. am Samstag, der für uns leider entfallen musste. Fazit: Kopf nicht hängen lassen und kommendes Jahr besser machen!
Öfter mal was Neues…
Schon bei der Anreise war klar, dass sich die Veranstalter nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern stetig am Festival arbeiten. Überraschung – der Eingang zum Gelände ist diesmal auf der anderen Straßenseite! Wieso denn das? Der Andrang vom Berg hat letztes Jahr die Zufahrt über die Brücke am Festivalgelände behindert und da muss im Notfall der Rettungsdienst durch… Außerdem haben die Veranstalter in die Konstruktion der Tribüne für Besucher mit körperlichen Einschränkungen einen Getränkestand integriert – der Meinung des Autors nach, eine gute Idee, weil der vom ersten Wellenbrecher gut zu erreichen ist. Gleich geblieben ist übrigens die Position der Sound for Nature Bühne hinter dem Food Court, was zu einer spürbaren Entspannung im mittleren Teil des Festivalgeländes geführt hat. Am Green Camping Konzept im Tal hat sich auch nichts geändert, warum auch. Die ein oder andere Zeltgruppe könnte das Konzept „Leave no trace“ noch besser umsetzen; gefühlt war es aber nochmal sauberer, als im letzten Jahr.
Vorglühen
Das Festival beginnt ja bekanntlich nicht mit der ersten Band, sondern mit dem „Vorglühen“ – also am Donnerstag. Der „Steinbruch“ oberhalb des Festival-Geländes ist die perfekte Location, um auch zu später Stunden Krach machen zu dürfen. Die Gewitterfront führte allerdings zu einigen Verzögerungen, denn mit den orkanartigen Windböen hatte wirklich niemand gerechnet. Bis alle Planen und Aufbauten wieder am richtigen Platz waren, mussten die Besucher draußen warten – Safety First! Die Helfer beim Aufbau waren sowieso nicht zu beneiden. Während unsereins bei 28 Grad am Schreibtisch saß, durften die Stage Hands, Rigger und Caterer bei 40 Grad (im Tal geht weniger Wind!) Kisten schleppen, Bühne bauen und Getränke stapeln. Respekt!!!
Die Monsters of Liedermaching hatten dieses Jahr wieder einen Slot im Steinbruch und kamen beim Publikum richtig gut an! (Ergebnis einer nichtrepräsentativen Umfrage am Sonntag Nachmittag im Festivalgelände)
Bands
Die Main Stage und die „Sounds-for-Nature„-Bühne wurden dieses Jahr von zwei weiteren Mini-Bühnen ergänzt: Vive le Moment und PULS – ja, die Kollegen vom BR. Die mit dem jungen Radio – wobei die Moderatorinnen mittlerweile auch schon zu den Ü30 zählen dürften. Zwischen den Main Acts gibt es hier etwas Abwechslung und Bands zum Anfassen.
Freitag
Man muss ehrlich sagen, dass die Auswahl der Bands auf der SfN-Bühne wieder echte Überraschungen zu bieten hatte. Wer braucht schon Joris, wenn Coast Down (FB!), Zeal & Ardor oder The Menzingers spielen! Auch ein Journalist hat einen Musikgeschmack – Joris schmeckt mir eben nicht so gut. Zugegeben: er war besser, als erwartet – im Vergleich zu den Editors aber etwas farblos. Macht ja nix – es waren ausreichend Fans da und auch die Fotos sind ganz gut geworden.
Eine völlig andere Bühnenshow lieferten Feine Sahne Fischfilet ab. Mit einer gekonnten Mischung aus Songs, Geschichten, politischen Statements und einem Hauch von Pyro war deutlich mehr Drive drin, als bei den Bands davor und das Publikum honorierte das adäquat. An den paar Fläschchen Freibier lags sicher nicht 🙂
Die Editors waren meine persönliche Überraschung auf der Hauptbühne. Ein Fred Astaire ist Tom Smith zwar nicht gerade, aber singen und Gitarre spielen kann er. Um halb zehn war auch die Lichtstimmung auf der Bühne entsprechend eindrucksvoll. Die Bühnentotale fängt die Stimmung ganz gut ein…
Musikalisch sind die Jungs eine Freude beim Zuhören. Machmal fühlte ich mich an die frühen U2 Titel erinnert… Ja, das waren noch Zeiten! Doch dann kommen wieder die Gitarren durch und der Song bekommt einen ganz eigenen Charakter.
Die Beatsteaks haben sich beim Umbau etwas mehr Zeit gelassen, 50 Minuten Umbaupause sind schon eine ganze Weile. Aber wofür gibts denn die SfN-Bühne? Wenn nur der Weg im Gedränge nicht so weit wäre…
Viele Worte muss man zum Auftritt der Beatsteaks nicht verlieren: Solide, rockig, schönes Bühnenbild ohne zu viel Bling-Bling. Besonder beeindruckend war die Nähe zum Publikum ohne Berührungsängste. Das mögen die Taubertaler und honorieren es entsprechend mit guter Stimmung.
Die Bands auf der Sound-for-Nature Bühne haben es immer etwas schwerer, das Publikum vor die Bühne zu bekommen. Wir haben am Sonntag nochmal ein Stimmungsbild eingeholt und nur wenige Besucher haben sich mehr als eine Band außerhalb der Main-Stage angeschaut. Warum? Keine Ahnung… Vielleicht ist vielen nicht klar, dass der Emergenza Wettbewerb mit richtig guten Bands durch die Welt tingelt?!
Sonntag
Die Anreise am Sonntag gestaltete sich etwas schwieriger, als gedacht – was nicht am Festival lag, sondern an den Autofahrern zwischen Nürnberg und Rothenburg. #Sonntagsfahrer
Rechtzeitig zu Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi (FB!) stürmte der funklust Fotograf vor die Bühne und war begeistert. Wie zum Henker kann man sich solche Texte fehlerfrei merken und dann vor tausenden Menschen auch noch performen? Eine Stunde Kapitän Peng war eine durchweg erheiternde Erfahrung und macht Lust auf mehr. Neben den Editors wird das wohl meine zweite CD auf der Wunschliste.
Die Emergenza Gewinner hab ich gegen Silverstein getauscht – allerdings nur zum zuhören, denn für Fotos war es etwas zu spät… Das Programm mit den langen Slots auf der Hauptbühne und kürzeren auf der „Sounds-for-Nature“-Bühne fordert eben auch Opfer. Harte Riffs, Drums und eine solide Stimme machen Silverstein zu einer soliden Festival Band. Ein Geheimtipp sind die Jungs schon lange nicht mehr, waren sie doch schon z.B. bei Rock im Park zu sehen. Warum spielen die eigentlich nicht auf der Hauptbühne? Vielleicht anstatt Joris? *räusper*
Völlig abgedreht präsentierten sich anschließend Swiss und die Anderen. Von den hinteren Reihen hat man zwar nicht mehr viel gesehen (Staub, Staub, Staub!), aber die Mucke war laut und deutlich bis in den Food Court zu hören… Wäre es nicht so laut (und staubig) gewesen, ich hätte mir die Texte gerne noch etwas länger angehört. Außerdem stand ja noch Hot Water Music auf dem Programm.
Man hört den amerikanischen Einfluss sofort und das ist auch ok. Musikalisch ist die Gruppe auf der anspruchsvollen Seite des Festivals zu finden und die rauchige Stimme lässt sich gut mit den Gitarren kombinieren. Der Auftritt ist leider schneller zu Ende, als das Publikum erwartet hat. Da wäre durchaus noch ein Song mehr drin gewesen, v.a. weil die Eiswiese wirklich gut gefüllt war. Aber fünf Minuten früher als geplant, bedeutet mehr Zeit für die Umbau-Crew für den funklust-Redakteur interessante Fachsimpelei am Presse-Tisch 🙂
Nächster Act: Broilers! Und wieder eine Überraschung: Das Publikum war komplett durchmischt von 6 bis 60 Jahren war selbst direkt vor der Bühne alles vertreten! Im Backstage kam mir ein Vater mit seiner kleinen Tochter entgegen, die kurz vor dem Auftritt schon mal das Anfeuern geübt hat („Broilers – *clap-clap-clap* – Broilers – *clap-clap-clap* …“). Nach gut 30 Minuten sagt mein Magen sehr deutlich, dass es Zeit wird… Unterzucker droht!
Der Headliner am Sonntag heißt Marteria und der hat bereits am Nachmittag für eine lange Schlange beim Selfie-Stand gesorgt. Die Bühne wird wieder komplett umgebaut und auf mehreren Ebenen tummeln sich Band, Background-Vocals (die auch mal vorne singen!) und Marteria! Die Eiswiese erlebt den Besucherrekord an diesem Wochenende: Selbst hinter der zweiten LED Wand hört die Menschenmenge nicht auf. Die Chemie zwischen Künstlern und Publikum passt. Die Lichtshow ist der Wahnsinn und das Bad in der Menge (bzw. auf den Händen) ist wohl der Höhepunkt des gesamten Auftrittes – von den Pyro-Effekten am Ende mal abgesehen 🙂
Fazit
Man fühlt sich wie zu Hause! Das Festival hat – in meinen Augen – die maximale Größe erreicht, war ausverkauft und die Stimmung ausgesprochen gut. Bei einem Festival dieser Größe spielt die Sicherheit der Besucher eine entscheidende Rolle. Im Vergleich zu den letzten Jahren, war die Polizei deutlich weniger zu sehen (die waren schon da, aber eben nicht so offensichtlich), als sonst. Bis auf ein paar Bengalische Feuer und einen Nasen-Abbiss gabes – zumindest bis Sonntag Nachmittag – nichts nennenswertes zu berichten. Ein abgedrehter Hydrant mit weitreichenden Folgen für die sanitären Einrichtungen am Campingplatz „Berg“ ist den Verantworlichen bis heute ein Rätsel…
Die Sicherheitskräfte und Ordner waren super nett und hilfsbereit. Der Charakter des Festivals wird auch von den Mitarbeitern der Sicherheitsdienste gelebt, man scherzt, unterhält sich, passt sich auf sich auf. Und wenn der funklust Fotograf mit Red-Bull im Gepäck beim Wellenbrecher aufschlägt, ist auch die Welt für die Securitys wieder ein klein wenig besser geworden 🙂
Kurioses
Eine Story wollen wir euch nicht vorenthalten. Es geht um ein Bobby Car, die Terrorsperre, die Polizei und einen Gast, der sich seiner Sache vielleicht etwas zu sicher war:
Früher (in den guten, alten Zeiten) ist das Bergvolk regelmäßig mit Bobby-Cars vom Zeltplatz Berg ins Tal gerauscht. Das ist zwar Lustig, aber nicht ganz ungefährlich. Nachdem sich also ein flotter Gast bei der Kollision mit einem (stehenden) Polizeiauto (sic!) das Bein gebrochen hat, war Schluss mit der Abfahrt… Trotzdem hat es auch dieses Jahr wieder einer probiert und nahm Kollisionskurs auf den Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes an der „Terrorsperre Berg“. Der konnte zwar ausweichen, das Stahlseil zwischen den Betonblöcken aber nicht, was zu einem abrupten STOPP geführt hat. Fazit: Rettungsdienst und Beschlagnahme des Bobby Cars durch die Polizei 🙂
„Dreistigkeit siegt“ dachte sich der Rennfahrer am nächsten Tag und lief zur Polizeitwache, um das Bobby-Car abzuholen – nicht im Tal, nein: zur Wache in Rothenburg! Blöd nur, dass in der Zwischenzeit ein kleine Auto als gestohlen gemeldet wurde. Ein Bobby-Car mit Kennzeichen! Als nun also der Bruchpilot auf der Wache erschien und nach „seinem“ Bobby-Car fragte, war klar, wer das Auto mitgenommen hatte… Was genau die Befragung ergab und ob der rechtmäßige Besitzer sein Gefährt wiederbekommen hat, ist leider nicht überliefert.
Unbekannt ist weiterhin, wer in der Nacht von Freitag auf Samstag den Hydranten für die Wasserversorgung für den Campingplatz Berg abgedreht hat… Die S**!
TTF 2019
Kommendes Jahr feiert das Taubertal Festival seinen 24. Geburtstag und die Veranstalter wollen mit einerm großen Act in den 25. Geburtstag reinfeiern. (ist auch ein Ansatz) Der erste Schritt ist schon gemacht: Die Frühbüchertickets sind bereits zu einem sehr großen Teil weg!!!
Das nächste Taubertal Festival findet vom 08. bis 11. August 2019 statt.
Ticket gibt es hier: https://karo-tickets.de/
Fotos
Natürlich haben wir wieder haufenweise Fotos für euch gemacht (vierstellig…), deswegen gibt es eine Auswahl in der Galerie (CC-BY-NC-SA):
Wem die nicht ausreichen, der sollte mal auf die Flickr Seite vom Taubertal Festival schauen. Da sind ein paar richtig schöne Shots dabei 🙂
Text: Julian Popp, Lea Maria Kiehlmeier
Fotos: Julian Popp