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Rock im Wald 2019

Oder als ich realisierte, dass ich zu alt für Festivals bin.

Ihr lacht jetzt vielleicht, denn ich bin noch keine 30. Trotzdem fühle ich seit ein paar Jahren die Anzeichen des Alters – nicht, wenn ich gemütlich in meinem Bett liege oder ein Feierabendbier in meiner Stammkneipe trinke, nein.

Mein Alter merke ich dann, wenn ich Sachen mache, die ich liebe: auf Konzerten oder Festivals gehen. Nach einer kurzen Nacht auf meiner zehn Jahre alten Isomatte in meinem 15 Jahre alten Zelt macht es sich deutlich bemerkbar. Der Rücken schmerzt, die Nachwirkungen des letzten Biers halten ein bisschen länger und ein ganzes Konzert, ohne, dass ich mich hinsetzen muss, habe ich schon ewig nicht mehr durchgehalten. Muss ich aber zum Glück auch nicht, denn ich bin zuhause, auf einem Festival, in das ich mich vor vier Jahren verliebt habe. “Alte Liebe rostet nicht”, sagt man. Ich roste zwar ein bisschen, aber das ist hier kein Problem.

Come as you are

Jedes Jahr kommen die verschiedensten Leute her, die alle eins gemeinsam haben: die Liebe zur Musik, genauer gesagt Psychedelic und Stonerrock. Auf dem Sportplatz von Neuensee kommen sie selbst bei über 40 °C zusammen, um gute Musik zu genießen, neue Musik zu entdecken und ein schönes Wochenende zu haben. Es ist wie auf einer Party von Freunden, auf der du Leute triffst, die du seit Jahren nicht gesehen hast, aber es ist, als wäre es erst gestern gewesen. Außerdem lernst du neue Leute kennen und du kannst dir sicher sein, dass du sie mögen wirst. 

Auf dem Sportplatz, der für das Wochenende zum Festivalgelände erkoren wird, stehen überall offene Zelte und das ist bei knapp 40°C auch bitter nötig. Während der meisten Konzerte habe ich mich kurz in den Bereich vor der Bühne geschleppt, um Fotos zu machen, aber ansonsten war mein Platz unter einem der Zelte im Schatten, einfach nur die Musik genießen. Come as you are ist nicht nur ein abgedroschener Song von Nirvana, sondern auch das Gefühl, das Rock im Wald für mich ist. Du kannst vor der Bühne stehen und abgehen, du kannst im Biergarten sitzen, du kannst auf der Wiese liegen, erlaubt ist, was gefällt. Und was mir am aller meisten gefallen hat, waren die Bands.

Die Mukke

Du kannst dir die Musik wie bei jedem anderen Festival auf dem Gelände anschauen. Du kannst sie aber auch auf dem Zeltplatz hören, denn hier liegt alles nah zusammen. Rock im Wald hat mich musikalisch, wie in jedem Jahr, begeistert. Es waren alte Bekannte im Programm, wie Mammoth Mammoth, Danko Jones, Mother’s Cake oder Sonic Beat Explosion. Gerade Mammoth Mammoth und Danko Jones haben bewiesen: nur weil man lange im Geschäft ist, heißt das nicht, dass man nicht musikalisch die Hütte einreißen kann. Na, das gibt mir ja noch Hoffnung! Völlig umgehauen hätte mich Black Mirrors – Hätte, weil ich ja die meiste Zeit saß. Selten eine Band gesehen, die 1. so sexy war 2. so viel Energie auf die Bühne geworfen hat 3. die Energie so geballt hat, dass sie wegen eines technischen Defekts ihren Gig kurzzeitig unterbrechen musste. The Picturebooks stand schon eine Weile auf meiner virtuellen To-Do-Liste und auch die haben eine Gewalt rausgeknüppelt, dass es eine wahre Freude war. Drummer Philipp wusste wohl nicht wohin mit sich und trommelte einige Songs mit der bloßen Hand auf seinen Trommeln. Zeal & Ardor wirkte im ersten Moment wie eine Stoner-Boy-Gospel-Band, die sich verlaufen hat. Ich wusste jedenfalls nicht, was mich im ersten Moment erwartet, war dann aber schwer begeistert. Naxatras bildete am Samstagabend einen perfekten Abschluss für Rock im Wald 2019.

Ich habe mittlerweile meine alten Knochen und meinen Festivalkram wieder zusammengepackt, um mich aufs Taubertal zu schleppen und ich kann ich euch versichern, ich werde es nicht so schön ruhig und heimelig haben, wie auf dem Sportplatz in Neuensee.

Text/Fotos: Lea Kiehlmeier