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Album der Woche KW 5: Don’t Panic – MUSSO

Mai 2017. Celo & Abdi, zwei der einflussreichsten Deutschrapper der letzten 10 Jahre („Hinterhofjargon“, „Mietwagentape“) laden auf dem YouTube-Account ihres Labels „385idéal“ einen Track des Newcomers MUSSO hoch. Das Format „Von der Straße in die Charts“ soll jungen Künstler:innen helfen, die Szene auf sich aufmerksam zu machen.
Dem Mannheimer MUSSO, der bürgerlich Leonardo Musso heißt, gelang das mit seiner ersten Single „Später“ mehr als erfolgreich. Der junge Rapper zieht dank seinem starken Flow, gesungener Hook und Erzählungen aus seinem Leben enorm viele Fans auf seine Seite. Die Themen sind typisch Straße: seine Jungs, seine Hood, Deals, Frauen, Stress mit der Polizei.

Mit großem Hype im Rücken veröffentlicht er 2018 das Mixtape „Classic“ über Chapter ONE, worüber auch feste Deutschrapgrößen wie SSIO, Juju, Samy Deluxe oder Manuellsen ihre Werke veröffentlichen. Viel Beteiligung an „Classic“ haben PressPlay und morten. Letzterer ist überhaupt der Grund, dass ich auf MUSSO aufmerksam geworden bin. Denn neben „Bmb“ („Beifahrer muss bau’n“), „FTP“ („Fuck the Police“) und „Gästeliste + 10“ ist morten auf „Mehr als ein Dealer“ vertreten – einer meiner absoluten Lieblingssongs jemals.
Die nächsten 1,5 Jahre wurde es ruhig um den jungen MUSSO. Fans warteten sehnsüchtig auf das nächste Release, welches das erste Studioalbum des Mannheimers sein sollte. Mit „CLASSIC SPORTS“ lieferte er dieses 2020 ab – und wie! 13 Tracks ohne Features, die mich dazu gebracht haben, wochenlang beinahe ausnahmslos MUSSO zu hören.
Am 22. Januar 2021 wurde, ohne große Ankündigung, das neuste Werk „Don’t Panic“ gedroppt, dessen Singles „Was ich will“, „100k“ und „Raus“ im Vorfeld erschienen sind.
Und was soll ich sagen: das Album hat mich von vorne bis hinten komplett überzeugt. Keiner der 14 Tracks (auch hier: ohne Features!) ist langweilig, belanglos oder repetitiv. Klar, es geht um den jungen MUSSO, der sich durch Deals und Packs finanziert – aber genau dieser zeigt auf „Don’t Panic“ zahlreiche Seiten und Varianten seiner Selbst.
Doch fangen wir von vorne an. „Dolce“ ist für mich der Banger des Albums. Heftiger, aggressiver Flow auf einem düsteren Beat von Nikho, der gleich mehrere Beats für „Don’t Panic“ produziert hat. Nachdem ich bereits auf Track #2 hängengeblieben bin, folgen weitere, düstere Tracks, in denen MUSSO von seinem Leben und Problemen als Dealer erzählt. Und natürlich dürfen Frauen nicht fehlen. Frauen und Haze – sehr Klischee, aber dieser Junge verpackt es einfach so gut.
Auf den folgenden Tracks findet MUSSO immer wieder die richtige Balance zwischen Straße, Melancholie und Inhalt. So wird das Album zur Mitte hin musikalischer, was MUSSO durch gesungene Hooks mit seiner tiefen Stimme schafft. Während die doch sehr inhaltsvollen, selbstreflektierten und nachdenklichen Texte zunehmen, schafft MUSSO mit „Krieg“ einen weiteren Höhepunkt auf dem Album. Er thematisiert den Tanz mit dem Teufel. Die Straße hat den Newcomer erzogen; dazu gehören aber auch die Schattenseiten.

„Check, rip für Nikes und Hérmesgürtel.
Press Haze, bisschen Jay, ich brauch‘ fett Bündel.
Dann auf die Malediven sechs Wochen.
Hasse diesen Drecksjob, doch lache, wenn ich Packs drop‘.
Gib mir zwei Millionen, scheiß auf Rap, ich bin draußen.
Liebe für Koks, mach‘ sie weg für die Brause.“

[MUSSO – Krieg]

Zum Ende der Albums tobt sich MUSSO noch ein wenig aus und liefert auf den letzten drei Tracks weitere, bisher unbekannte Seiten. Auf „Soldi“ rappt der Mannheimer nicht nur auf Deutsch, sondern spittet zwischendurch auch italienische Bars. Der vorletzte Song „Himmel“ entwickelte sich schnell zu einem meiner Favorites auf dem Tape. Getrieben von einem unglaublich atmosphärischen Beat und einer Hook, die ihresgleichen sucht, rappt MUSSO:

„Ich sag‘ mein Bruder, stеck das Messer ein.
Kein Bock auf rotes Blut auf meinen weißen Nikes.
Weil das lang nicht reicht, ich bin noch lang nicht reich.
Wann wird das alles groß? Das noch alles klein“

[MUSSO – Himmel]

Während andere Rapper ihre Tapes mit ruhigeren Melodien beendet würden, liefert MUSSO zum Ende seines Releases noch einen weiteren Banger, als gäbe es nicht schon genug. „Arbeit“ lautet der finale Track, der ein großartiges Tape abschließt.
Meine Erwartungen bei MUSSO waren hoch: seine bisherigen Releases gehören meiner Meinung nach zu dem Besten, was Deutschrap in den letzten 3 Jahren passiert ist. Diese Meinung verstärkt sich durch „Don’t Panic“ enorm – MUSSO steigerte sich enorm und zeigt sich vermehrt erwachsen und selbstreflektiert. Dennoch bleibt er weiter der freche, Anfang 20-Jährige Mannheimer, dessen Flow mich durchgehend unterhalten kann. Nicht zu vernachlässigen sind hier die Produzenten, die auf 14 Tracks ein wirklich hohes Niveau abgeliefert haben und zu einem Album beigetragen haben, das für mich definitiv einen Platz in meiner Rotation und in meinem Herzen gewonnen hat.

Autor: Alex Gubert