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Alter, schon die neue Late Night Show gesehen?

Foto: Robert Sakowski / ZDF

Einige von euch werden es gehört haben. Die zweite Staffel der (neuen) Late Night Show bei ZDFneo mit Ariane Alter “Late Night Alter” hat am 04.02.2021 gestartet. Eine Late Night Show mit einer weiblichen Moderation? Stand jetzt gibt es das im deutschen Fernsehen eher selten. Wen also könnte man sich hier besseres vorstellen als Ariane Alter, um weibliche Moderatoren in Late Night Shows endlich zu etablieren? Denn Frau Alter sollte euch keinesfalls unbekannt sein. Sie war zuletzt bei Puls und Funk unterwegs. Auch bei Funk hatte Ariane schon eine Late-Night-Show „Gute Nacht, Alter!“, die sie zusammen mit ihrem Sidekick Jakob Wihgrab bis Juni 2020 auf Youtube moderiert hat. Wer „Gute Nacht, Alter!“ geschaut hat, kennt Ariane als schlagfertige reflektierte und feministische Frau. Egal ob es darum geht, dass Werbung auch 2020 immer noch sexistisch ist oder aus welchen Inhaltsstoffen eigentlich Sextoys bestehen. Tabu-Themen gibt es für die Ari nicht. Auch den ein oder anderen Gast hatte sie in ihrer alten Late Night schon zu Besuch. Da erwartet man natürlich viel, wenn die gute Ari nun einen Sendeplatz im ZDF bekommt und dann auch noch den vom Böhmermann.  

Ihr wollt wissen, ob es sich lohnt die zweite Staffel anzugucken? Dann lasst uns doch zurückblicken auf die erste Staffel von Late Night Alter. Wie steht es bisher um die Erfüllung unserer Erwartungen? Wir starten mit einem kurzen Rückblick auf die Pilotfolge der ersten Staffel werfen. Warnung: Man könnte enttäuscht werden…

# Sendung Nummer 1 (lasst uns die am besten vergessen…)

Die erste Folge beginnt mit einem Auftritt des ersten Studiogasts der Late Night Show, schließlich lebt so eine Late Night Show von ihren Gästen. Von einer Frau, die sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, Reality-Shows kritisiert und Witze über Influencer*innen macht, erwartet man meiner Meinung nach in einer Erstausstrahlung ihrer neuen Late Night Show eine starke emanzipierte Frau, die genauso wenig ein Blatt vor den Mund nimmt. Und wen haben wir bekommen? Cathy Hummels. Hummels. Den Namen kennt man doch. Genau, vom Fußball. Die Cathy ist die Frau von Mats Hummels. Aber sie ist natürlich nicht nur Ehefrau! Nein! Sie ist auch Model, Designerin, Instagramerin, Moderatorin (einer Reality-Show) und seit neuesten auch Autorin. Ich war enttäuscht. In der ersten Folge habe ich einfach mehr erwartet. Insbesondere, wenn man auf die älteren Beiträge von Ariane schaut. Vieles was sie zuvor kritisiert hat, scheint nun gar nicht mehr so kritisch zu sein.
Aber mal weg vom Gast. Jeder darf seine eigene Meinung zu Cathy Hummels haben und einige werden sie, anders als ich, bestimmt auch aus anderen Zusammenhängen als ihren Ehemann kennen.

In ihrerer ersten Sendung erklärt Ariane ihren Zuschauer:innen “es geht hier um Inhalte!” und greift direkt mit dem Stichwort “weibliche Moderatorin” einige Klischee-Themen auf. Man kriegt (kurz) das wohlige Gefühl sich in einer schönen satirischen Late Night Show zu befinden. Die Kombination von “Gossip” und “Politik” ist natürlich Geschmackssache, wird hier aber auf jeden Fall nicht klein geschrieben. Hier bekommt man wahrscheinlich das, was sich die meisten unter einer weiblichen Moderatorin vorgestellt haben: Jemand der politische Situationen mit denen vom Sommerhaus* vergleicht (hier macht sie sich übrigens noch darüber lustig). Wie, ihr habt euch was anderes vorgestellt? Knallharte Worte und die Thematisierung aller nur möglichen Tabuthemen? Tja ich auch, aber willkommen im ZDF. 

[*Für diejenigen unter euch, die es auch nicht kennen: Es handelt sich um eine RTL-Show bei der Promi-Paare um den Titel “Promipaar des Jahres” kämpfen, die letztes Jahr in Staffel 5 ging. Und ich mache mir hier Gedanken über eine zweite Staffel Late Night Alter…]

Aber hey, zumindest wurde ein aktuelles Thema, das viele Frauen belastet, angesprochen: “CatCalling”. Über das “Wie” würde ich aber lieber nicht sprechen. Unter dem Motto “Aufs Maul” rennt Ariane Alter in einem rosa Jogginganzug in Szenen rein, in denen Frauen CatCalling widerfährt und haut den Männern, wie es der Titel schon sagt, eine aufs Maul. Schön dass es thematisiert wird, aber kann man dieses ernste Thema, was uns Frauen täglich begleitet, nicht auch ernsthaft thematisieren? Comedy-Format hin oder her. Das hätte man besser umsetzen können. 

Ihr habt genug? Nein, gebt noch nicht auf! Gebt der Sendung noch eine Chance! Denn endlich kommen wir zum guten Teil! 

Eine kritische Beleuchtung der aktuellen Regelungen bei Blutspenden. Hier sehen wir die Ari so wie man es sich von Anfang gewünscht hätte. Humorvoll, kritisch und ernst zugleich. Denn das hat bis zu diesem Punkt gefehlt und wird einigen von uns auch in den anderen Folgen öfter noch fehlen. Klar ist es ein Comedy Format und soll zur Unterhaltung dienen, aber wenn es um Satire geht, braucht es einen Punkt in dem kritisch auf den Tisch gehauen wird und gesagt wird, so nicht! Und zwar nicht nur spaßig, sondern auch mal ernst. 

# Alle guten Dinge sind drei 

Wir drücken mal beide Augen zu und vergessen die erste Folge lieber.

Für diejenigen unter euch, die nach der ersten Folge nicht weiter geschaut haben: es wurde besser!

In der dritten Folge erleben wir die Ari endlich wie gewohnt und erhofft! Endlich thematisiert sie Sachen, die zumindest ich mir bei einer weiblichen Late-Night-Moderation erhoffte. Und endlich tut sie dies mit der richtigen Pointe! Sie startet nach dem klassischen Stand-Up-Teil – und wer “Gute Nacht, Alter!” kennt fragt sich hier bestimmt, wie man die Ari dazu wohl überredet hat – voll durch. Es geht um das Thema Sexismus, zunächst bei der Gleichstellungsbeauftragten des Justizministeriums Sachsen-Anhalts – die übrigens wegen Hassnachrichten und Sexismus zurückgetreten ist – und dann in der Musik von Pop bis zum Schlager. Und hier haut sie endlich mal kritisch auf den Tisch und sagt “da kommt übrigens kein Gag, weil ist nämlich nicht witzig!” 

Aber nicht nur hinsichtlich der Pointen kann man eine Steigerung bemerken, auch die Gäste werden über die Sendungen hinweg besser oder zumindest mehr wie man sie erwartet. Abgesehen von den eher nervigen Gastauftritten von Arianes Hund Wolfgang und dem Wegfallen des coolen Intros, das in den ersten drei Folgen noch zu sehen war, gibt es einiges an Steigerung. Die Frau Alter kommt langsam zurück in ihr Element. Wer also mehr von der Ari sehen will, wie wir sie aus “Gute Nacht, Alter!” kennen, sollte vielleicht erst ab der dritten Folge einschalten. (Es ist natürlich kein muss die erste Staffel gesehen zu haben, um die zweite Staffel angucken zu können)

# Meine Prognose

Ich weiß nicht wie es euch geht und hier versteh ich tatsächlich alle Standpunkte, aber ich werde auch bei der zweiten Staffel wieder einschalten. Ihr fragt euch warum? Ich mich hin und wieder auch. Aber ich glaube es ist schwer allen Ansprüchen gerecht zu werden. Insbesondere in nur sieben Folgen. Ich traue der Ari, der Ariane, der lieben Frau Alter noch einiges zu. Ich freu mich auf mehr “Bühnegeben”, mehr Zuwortkommenlassen von tatsächlich Betroffenen und mehr feministische Themen. Ich freue mich auf eine Late Night Show mit einer weiblichen Moderatorin. 

Auch wenn die Pilotfolge der ersten Staffel etwas ungelungen war, können wir festhalten, dass Ariane nachgelegt hat. Die Studiogast-Gespräche wurden interessanter und die Themen kritischer. Einige Erwartungen wurden erfüllt, andere enttäuscht. Aber lassen wir uns doch mal von der zweiten Staffel überraschen. Sie hat am 04.02.2021 gestartet und läuft ab jetzt jeden Donnerstag um ca. 22:30 Uhr  – und ich meine, was macht ihr sonst so an einem Donnerstag Abend um halb elf? 

Und zur Not können wir ja die “Glocke” aktivieren und hoffen.

Autorin: Elisabeth Orlov