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Gesmoothed, gefiltert, gekennzeichnet – eine Hommage an Photoshop… und Norwegen

Kommentar von Madelaine Wilma

Bild: funklust

Norwegen. Ab Sommer 2022 müssen Influencer ihre bearbeiteten Bilder als solche kennzeichnen. 

In den sozialen Medien und der Werbung sehen die Menschen alle so perfekt aus. Perfekte Haut, perfekte Körper, perfekte Proportionen. Dass dieses Bild nicht der Realität entspricht, ist bekannt, und trotzdem sorgt diese Art der Präsentation für ein verzerrtes Körperbild und eine falsche Selbstwahrnehmung. Besonders die junge Generation wächst mit diesem Gedanken auf. Als wäre es das Ziel – mehr noch, normal – so auszusehen wie die Menschen mit den 100 tausend Abonnent:Innen auf ihrer For You – Page und dem aktuellen Feed

Ist es nicht. Ich würde lügen, würde ich behaupten, ich hätte meine Bilder, die ich poste nicht vorher bearbeitet und optimiert. Macht mindestens jeder Zweite. Aber das an und für sich ist auch nichts Schlechtes. Schlimm ist nur, wenn Druck entsteht. Wenn die Gesellschaft das Gefühl vermittelt, jeder mit einer gewissen Reichweite sähe tatsächlich aus wie Schneewittchen – Haare so schwarz wie Ebenholz und glänzend wie nach zwei Stunden Haarkur, Haut so weiß wie Schnee und so rein wie destilliertes Wasser, und Lippen so rot wie Blut und so voll wie eben aufgespritzt. Wenn der Standard unerreichbar ist, weil er ohnehin fake ist, und niemand in echt so aussieht, wie es in den sozialen Medien den Anschein erweckt. Ich für meinen Teil, folge ziemlich genau vier Influencern auf Instagram, den meisten davon wegen ihres Styles, den anderen wegen ihrer Musik. Und dennoch ertappe ich mich ständig selbst dabei, wie ich meine Haut mit der eines gesmoothten Superstars vergleiche, wie ich mich frage, warum meine Beine nach dem Rasieren immer noch Stoppeln haben, oder wieso mein ungeschminktes Gesicht im Teint nicht so ebenmäßig ist, wie der meiner geschminkten Lieblings-Rapperin. 

Ich verurteile niemanden, für die Art und Weise, wie sie ihre Bilder bearbeiten, verschönern, filtern oder eben nicht. Steht mir auch überhaupt nicht zu. Aber ich halte es für überaus fraglich, vorzugeben, es sei ein realistisches Idealbild, dem es nachzueifern gilt. 

Norwegen macht nun den ersten Schritt. Das Land verabschiedet ein Gesetz, dass es nicht verbietet, sich zu perfektionieren, dass es aber zwingend notwendig macht, es zu kennzeichnen. Nur noch ganzheitliche Bearbeitungen, wie Kontraste, einfache Filter oder Schärfe sind dann ohne Auszeichnung zulässig. Auch wenn es nur ein kleines Symbol am Rand eines Fotos, oder im untersten Teil der Bildunterschrift ist, es macht aufmerksam auf das, was wir sonst übersehen würden. Werbung muss schon lange ausgeschrieben werden, da stört ein weiterer Vermerk nicht. Erst recht dann nicht, wenn er zur mentalen Gesundheit einer ganzen Generation beitragen kann. 

Unter Hashtags wie #instavsreality zeigen sich auch deutsche social media Stars bereits mit ihren Makeln und Unvollkommenheiten – ihrer Menschlichkeit. Ein Gesetz wie in Norwegen steht aber noch nicht zur Diskussion. Trotzdem: ich lieb‘s! Man ist es gewohnt, auf Instagram, TikTok und Co. auf äußerliche Perfektion zu stoßen. Ich meine, wer möchte sich nicht, wenn möglich von seiner Schokoladen-Seite zeigen? Wer stellt sich freiwillig nach rechts, wenn links die bessere Perspektive bietet? Und wer wählt lieber das Foto, auf dem der Blähbauch nach der letzten Fressorgie zu sehen ist, wenn auch eines ohne existiert, oder man ihn verschwinden lassen kann? Wenn dann aber zwischen den Fluten aus retuschierten, zugegeben bildschönen, Fotos und Videos mal ein realistisches, unperfektes rutscht, sticht das heraus. Ich plädiere definitiv nicht dafür, soziale Medien müssten die Realität abbilden und sonst nichts. Aber ich wünsche mir, dass Personen, besonders solche mit Reichweite, diese nutzen, um klarzustellen, wie solche Plattformen funktionieren. Dass selbstverständlich jeder das Recht hat, einen ungewollten Pickel weg-zu-bearbeiten. Dass aber solche Pickel eben auch bei jedem existieren, und völlig normal sind.

 

Autorin: Madelaine Wilma