Kommentar von Madelaine Wilma
Um diese Uhrzeit, es ist 21:57 Uhr, sollte ich eigentlich hinter einem Berg von anprobierten Klamotten vor dem dreckigen Spiegel stehen, und versuchen den rechten Eyeliner dem linken anzupassen. Mein Handy sollte aufblinken mit Nachrichten wie „Was ziehst du an?“ oder „Bist du schon auf dem Weg?“ „Hast du die Mische dabei?“ „Kannst du Becher mitbringen?“
Stattdessen liege ich müde im Bett, ungeschminkt, mit Augenringen dunkler als mein Eyeliner je sein würde. Meine Haare sind schlampig zusammengeknotet, ohne BH, stattdessen mit Jogginghose und dem T-Shirt meines Freundes. Und das nicht, weil ich gestern Abend bis spät in die Nacht meine Klopfer auf die Tischplatte gehämmert habe. Seit nun mehr als einem Jahr sind die Clubs geschlossen. Doch was ist es, was ich daran so sehr vermisse? Der verschwendete nächste Tag kann es wohl nicht sein, obwohl ich zugeben muss, ich bin meist mit einem Kater-freien Morgen gesegnet. Auch das Fehlen der kilometerlangen Schlange vor dem Eingang, die sich nach erfolgreichem Eintritt ebenso vor der Damentoilette widerspiegelt, ist wohl wenig tragisch.
Doch genau das möchte ich! Es mag den einen oder die andere wundern, wie man so etwas vermissen kann. Aber eigentlich ist es ganz einfach der Vibe, wie ich Generation Z – Mitglied (oder bin ich das überhaupt?) es wohl nennen würde. Beim Vermissen geht es nicht um allgemeingültig positive Erlebnisse, sondern gerade aktuell vielmehr darum, welches Gefühl bestimmte Momente ausgelöst haben. Wenn ich also daran denke, wie ich mich mit meiner besten Freundin Stunden vorher fertig gemacht habe und wir danach trotzdem zu spät waren, vermisse ich das. Wie wir gemeinsam beim Vorglühen aufgekreuzt sind. Der Neuling teilte sich den Becher mit dem Gastgeber (aktuell unvorstellbar), bevor anschließend alle ohne Jacke durch die Kälte zur nächsten Bauerndisco gelaufen sind. Zur Erklärung: die Jacke nachts von der Garderobe zu bekommen gleicht in meinem Heimatort dem Ansturm auf den Discounter, wenn man dringend auf der Suche nach der letzten Toilettenpapier-Packung ist. Dort angekommen, haben wir uns dann sowieso alle verloren. Man traf Leute, die man kannte und nicht kennen wollte, und solche, die man nicht kannte aber kennenlernen wollte.
Denkt an eure Clubabende zurück, an die betrunkenen Geschichten, die später darüber ausgetauscht wurden, und an die Stellen der Erzählung, an die ihr euch selbst nicht mehr erinnern könnt. Was kommt euch in den Kopf? Der Heimweg mit dem Zwischenstopp bei einer beliebten Fastfood-Kette oder die kryptischen Chatverläufe mit dem verloren geglaubten besten Freund, der dort schon mit den Chicken Nuggets und Süßsauer-Soße wartet? Die Begegnung mit der neuen besten Freundin auf dem Klo, bei der ihr euch mit Komplimenten überschüttet habt, bevor ihr euch vermutlich nie wieder gesehen habt? Oder der klägliche Versuch eures Kumpels, der mal wieder ein Mädchen abschleppen wollte und dabei zwölf andere angerempelt hat? Vielleicht ist es auch erst der nächste Tag, der nach einer großen Lücke im Hirn Anschluss sucht, und auf verschiedene, möglicherweise peinliche Social Media Posts hofft, die dann den fehlenden Part nach und nach wieder zusammenzusetzen. Manchmal.
Es ist 22:13 Uhr, in meiner neuen Lieblingsserie auf Netflix feiert die Protagonistin gerade eine Party und steht mit Prince auf der Bühne (New Girl – Nicht neu, aber durchaus empfehlenswert!) und ich denke darüber nach, was ich bei der nächsten je stattfindenden Feier anziehe, mit wem ich mich zuerst an die Bar begebe und wie ich anschließend sicher nach Hause komme. Falls jemand freiwillig Fahrer macht, meldet euch! Ich packe schon mal meinen Ausweis in meine Handyhülle. Bis dahin, gute Nacht.
Autorin: Madelaine Wilma