Kommentar web

EM 2020 – Und jetzt?

Kommentar von Moritz Meckl

Die Fußball EM 2020 – im Jahr 2021 – ist vorbei. Es ist allerdings deutlich mehr passiert, als dass Italien neuer Europameister ist und England länger als 55 Jahre auf den nächsten Titel warten muss.

Bild: Free-Photos

Die Fußball Europameisterschaft ist vorbei. Knapp vier Wochen voller Fußball und am Ende hat Italien gewonnen. Verdient? Definitiv! Italien war die einzige Mannschaft die wirklich konstant gute Leistungen geliefert hat. Dänemark wäre am Ende vermutlich für alle neutralen Zuschauer verträglicher gewesen (die italienische Mannschaft bleibt in ihrem Stil trotzdem sehr kontrovers), aber das ist so auch in Ordnung. Fußballerisch war es auf jeden Fall ein spannendes Turnier. Favoriten wie die Nationalmannschaften der Niederlande, von Portugal oder Frankreich scheiden bereits im Achtelfinale aus. Tschechien, Dänemark oder die Schweiz begeistern mit Zusammenhalt und unterhaltsamen Fußball. Nach den sehr tristen und etwas langweiligen Turnieren 2016 und 2018 war dieses Turnier eine gern gesehene Abwechslung. Vor allem aber nach dem letzten Jahr.

Es schien so, als wäre seit langem einmal wieder etwas normal. Public Viewing, Treffen mit Freunden, Fans im Stadion, so als gäbe es aktuell keine Pandemie. Ist das problematisch? Ja, definitiv! Besonders die Spiele in Ungarn und England haben gezeigt, wie man vermutlich nicht mit der aktuellen Situation umgehen sollte. Aber andererseits ist es verständlich. Endlich wieder ein Grund zu feiern, sich gemeinschaftlich über ein Event zu freuen (oder zu streiten) und eine Mannschaft anzufeuern, weil man zufällig im selben Land geboren wurde. Also. Eventuell. Sollten dann ein paar Jungs im Elfmeterschießen verschießen, dann gehören die natürlich nicht zum “eigenen” Land. Solange bis sie im nächsten Turnier das entscheidende Tor schießen. Also was bleibt jetzt am Ende hängen? Viele englische Fans sind schlechte Verlierer. Dass der Kommentator lobend erwähnen muss, dass bei der gegnerischen Nationalhymne nicht gepfiffen wird ist mehr als traurig. 

Das Rassismusproblem besteht natürlich auch. Aber das hat der Fußball an sich leider generell. In der internationalen Spitze genauso wie in der Kreisklasse. Auch England ist hier leider keine Ausnahme. Nach dem Endspiel vergessen viele vermutlich, dass es nicht nur in England problematische Äußerungen gab. Ungarn, Italien, Russland, sind nur ein paar Beispiele. Hier gab es überall Situationen über die diskutiert wird und auch werden muss! Der Fußball leidet immer noch unter Personen, die gedankentechnisch irgendwo im letzten Jahrtausend hängen geblieben sind. Und das ist extrem schade. Die EM hat gezeigt, dass Fußball so viel mehr zu bieten hat als das aufrollen von politischen Diskussionen. Leider bleibt letztendlich aber häufig nur das Negative hängen.

Neben Angesprochenem hat auch die UEFA mal wieder gezeigt wie wenig Rückgrat sie besitzt. Aber wer etwas anderes erwartet hat, der hat auch geglaubt, dass die deutsche Mannschaft am Ende um den Titel mitspielen kann. Überraschungen kamen am Ende von anderen. Laut dem Verband sei der Fußball unpolitisch, als Antwort auf die Entscheidung gegen die Regenbogenflagge auf der Allianzarena. Ich glaube spätestens mit dem Abpfiff des Finales sollte jeder Mensch verstanden haben, dass diese Aussage nicht falscher sein könnte. Es ist eigentlich verwunderlich, dass diese überhaupt getroffen wurde. Wer Nationen zu einem Turnier einlädt, der hat immer politische (und vor allem unterschiedliche) Meinungen zu erwarten. Wer das anders sieht, sollte aufhören diese Turniere zu veranstalten. Aber dann ginge ja Geld verloren, wobei ich mich frage, ob Geld nicht auch schon irgendwie etwas mit Politik zu tun hat. 

Am Ende hat mich aber vor allem überrascht, wie sehr die Wahrnehmung der Turniere sich geändert hat. In früheren Turnieren, zwischen 2006 und 2014, hatte ich persönlich das Gefühl, dass die Euphorie viel größer ist. Nach dem Titelgewinn der Deutschen hatte das dann mit folgenden Turnieren immer weiter abgenommen. Auch bei mir. Ich konzentriere mich mittlerweile mehr auf Klubfußball. Ich dachte, dass auch dieses Jahr die Regeländerung zu einem langweiligen Verlauf führen könnte. Aber Spiele wie Niederlande gegen Ukraine, Dänemark gegen Russland, die Achtelfinals (abgesehen von Deutschland gegen England), die Elfmeterschießen, Eigentore und die am Ende doch lebhaften Diskussionen über Politik haben mich eines Besseren belehrt. Und darüber bin ich sehr glücklich! 

Ich war lange kein Freund von Fans, die nur bei der WM oder EM zuschauen und mitfiebern, aber es macht auch Spaß mit – Verzeihung – Ahnungslosen zu diskutieren und Spiele zu schauen und die gleiche Begeisterung zu sehen, die ich normalerweise bei Spielen meiner Lieblingsmannschaft an den Tag lege. 

Habe ich also nach dem ganzen Durcheinander ein Fazit? Jain. Ob sportlich oder politisch. So ein Turnier wirbelt immer Staub auf. Und das ist gut so. Der Fußball hat sich am Ende von seiner schönsten und von seiner hässlichsten Seite gezeigt. Aber an alle sei gesagt, die hässliche Seite ist in der Minderheit – zumindest was die Fans verbindet. Am Ende spiegelt so ein großes Event nur aktuelle gesellschaftliche Bewegungen wieder. Ich werde dabei bleiben: Ich liebe den Sport und die Gemeinschaft die daraus entsteht. Das ist besonders wichtig, um denen, die uns Fans die Stimmung trüben, zu zeigen, dass besonders Hass und Gewalt keinen Platz im Fußball hat. 

Die nächste Saison kommt ja ohnehin bald, also brauche ich auch nicht lange warten, um mich wieder darüber zu freuen oder zu fluchen, so wie jedes Jahr. Für Nationalmannschaften heißt es zumindest bei den Herren ein Warten bis 2024 (dann mal wieder in Deutschland!). Warum nicht bis 2022? Das erkläre ich ein anderes Mal.

Autor: Moritz Meckl