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Rezension: Das Schloss – Franz Kafka

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, forderte Franz Kafka einmal. Und so kann man seinen dritten unvollendeten Roman wohl am besten beschreiben.

Bild: funklust e.V.

Es war spät abends, als K. ankam … 

Mit diesem Satz beginnt Franz Kafkas dritter und letzter unvollendeter Roman. Der Protagonist K. kommt in einer Winternacht in einem unbekannten Dorf an, geht in ein Wirtshaus und fragt nach einem Nachtlager. Der Wirt erlaubt ihm, in einer Ecke der Wirtsstube zu übernachten. Er schläft ein.

Aber kurze Zeit darauf wurde er schon geweckt.

Es ist der Sohn eines Schlosskastellans. Er erklärt ihm, dass das Dorf im Herrschaftsreich des Schlosses liegt. Er fragt K. ob er eine gräfliche Erlaubnis dabei hat um hier  zu übernachten. K. , übermüdet, sagt ihm, wahrscheinlich nur um ihn loszuwerden, dass er der Landvermesser sei, den der Graf hat kommen lassen. Vielleicht denkt er bei sich, dass es wenigstens bis morgen dauern wird, um im Schloss nachzufragen. Aber er liegt falsch. Das Wirtshaus ist mit einem Telefon ausgestattet, das direkt mit dem Schloss verbunden ist. Der Mann fragt einen Kastellan telefonisch, ob ein Landvermesser wirklich erwartet wird. Die Antwort ist “Nein!”. Er stürzt wütend auf ihn zu. Aber dann läutet das Telefon. Ihn wird erklärt, dass es ein Irrtum war und doch ein Landvermesser berufen geworden ist. Will nun weiterhin im Dorf bleiben, muss er diese Lüge weiterhin aufrecht erhalten. Gedanklich wägt er verschiedene Wege und deren Ausgänge ab.

Das war einerseits ungünstig für ihn, denn es zeigte , dass man im Schloss alles nötige über ihn wußte, die Kräfteverhältnisse abgewogen hatte und den Kampf lächelnd aufnahm. Es war aber andererseits auch günstig, denn es bewies, seiner Meinung nach, dass man ihn unterschätzte und dass er mehr Freiheit haben würde, als er hätte von vornherein hoffen dürfen.

Das Schloss wirkt unnahbar und birgt Geheimnisse. Diesen Geheimnissen von seinem vermeintlichen Feind will K. auf die Schliche kommen. Nichts beruhigt ihn, bis er dieses Ziel erreicht. Er will die Wahrheit entdecken. Warum hat das Schloss ihn nicht bloßgestellt? Wurde er wirklich so leicht als ein Bürger in dieser Gesellschaft akzeptiert? Gibt es mehr als das Arbeitersein? Er sucht krankhaft nach Antworten auf diese Fragen. Wahrheit ist aus seiner Sicht alles.

Du kannst jemanden, der die Augen verbunden hat, noch so sehr aufmuntern, durch das Tuch zu starren, er wird doch niemals etwas sehen; erst wenn man ihm das Tuch abnimmt, kann er sehen.

Aber bis zum Ende der Geschichte , zumindest soweit sie geschrieben steht, erreicht er diese Wahrheit nie. Keiner der sichtbaren Wege führt zum Schlossberg. Die Herren des Schlosses sprechen doch nicht einmal mit Leuten aus dem Dorf und sind nur über ihre Sekretärin und Boten erreichbar. Die Leute beschreiben die Herren immer auf mythische und heilige Weise. Die Beleidigung der Herren, wie die Beleidigung des Heiligen, führt zur Ressentiment in der Bevölkerung und zur Sozialen Isolation.

Der Kern des Romans besteht aus den Erzählungen der Charaktere der Geschichte und ihren Meinungen zu den Ereignissen. Sogar die Erzählung des Buches selbst liegt nur im Bereich dessen, was K. gesehen, gehört, gedacht und gefühlt hat. Neutrale Erzählungen sind auch immer mit den persönlichen Gefühlen und Urteilen vermischt. All dies lässt den Leser an der Geschichte zweifeln. 

Ein weiterer interessanter Punkt ist meiner Meinung nach  K.s feindseliger und pessimistischer Blick auf das Schloss. Dasselbe Schloss, das er mit aller Kraft zu erreichen versucht, aber andererseits immer im Gegensatz zu sich selbst sieht. Er bezeichnet seine Konfrontation mit dem Schloss immer als einen “Kampf”. Beim Lesen habe ich mich gefragt, warum aber sollte es überhaupt als ein Feind betrachtet werden, wenn es K. als Mitglied der Gesellschaft akzeptiert hat? Ist das nicht alles ein Spiel? Oder ein Witz? Je mehr man den Weg zum Ziel als Hindernis sieht, desto mehr ermüdet ihn der Weg. Feindselige Ansichten über Probleme sind oft eher abschreckend als hilfreich. Sie führen im Alltag oft dazu, dass man seine Zeit und Kraft mit nutzlosen Gedanken verschwendet, die ihn seinem Ziel nicht einmal näher bringen.

So ging er wieder vorwärts, aber es war ein langer Weg. Die Straße nämlich, die Hauptstraße des Dorfes, führte nicht zum Schloßberg, sie führte nur nahe heran, dann aber, wie absichtlich, bog sie ab, und wenn sie sich auch vom Schloß nicht entfernte, so kam sie ihm doch auch nicht näher.

Alles in allem kann ich sagen, dass dies mein Lieblingsroman unter Kafkas Romanen ist. Der Roman wirkt reifer als die anderen beiden Romane, “Der Verschollene” und “Der Process”, Kafkas. Die düstere Komödie verleiht der Geschichte eine besondere Frische. Obwohl einige der langen Monologe des Buches sehr langweilig sein können, ja fast so langweilig, dass sogar K. selbst während eines dem endlosen Monologes einschlief, reichen die Geheimnisse und die unendlichen Interpretationsmöglichkeiten für den Leser aus, um die Geschichte bis zum Ende verfolgen zu wollen.

 

Titel: Das Schloss

Autor: Franz Kafka

Verlag: Anaconda

ISBN: 9783866471061

 

Autor: Farhang Fadaei