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Bye Bye (Veggie) Birdie

Vegane Burger dürfen nicht mehr ‘Burger’ heißen? EU-Parlament beschließt Änderung zur Namensgebung von Fleischalternativen.

Bild: Pexels / Engin Akyurt

Veganes Schnitzel und vegetarischer Aufschnitt sind heutzutage gängige Begriffe für Fleischersatzprodukte und in jedem Supermarkt zu finden. Nun hat das EU-Parlament dafür gestimmt, dass fleischlose Alternativen nicht mehr nach ihren fleischhaltigen Vorgängern benannt werden sollen. Der Änderungsantrag 113 zur Stärkung der Position der Landwirt*innen in der Lebensmittelversorgungskette legt fest, dass nur dort, wo Fleisch drin ist, auch Fleisch drauf stehen darf. Egal ob es als ‘vegan’ gekennzeichnet ist oder nicht.

Wer hat den Antrag gestellt?

Der Änderungsantrag 113 wurde von der Französin Céline Imart gestellt, die der konservativen Partei Les Republicains angehört. Sie vertritt die Position, dass Fleischersatzprodukte, die sich die Namen von Fleischprodukten aneignen, die Arbeit der  Landwirt*innen entwerten und Endverbraucher*innen verwirren. In ihrem Bericht erwähnt sie die Kritik, die der Antrag vor allem von deutschen Konzernen geerntet hat, und bezeichnet diese als realitätsfern und respektlos gegenüber den Landwirt*innen.

Wer unterstützt den Antrag?

Unterstützt wurde der Antrag von überwiegend französischen Lobbyvereinen, die dem Agrarsektor angehören, unter anderem der Zucker-, Milch- und Fleischindustrie. Nach Beschließung des Änderungsantrags beglückwünschte der Präsident der Föderation nationaler Milchproduzenten (FNPL) die Antragstellerin Céline Imart auf Social Media und erwähnte dabei nicht nur die für seinen Verband relevanten Beschlüsse sondern begrüßte auch Antrag 113 zur Bezeichnung von Fleischalternativen. Abgesehen von Interessenverbänden nehmen auch Politiker wie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Stellung zum Parlamentsbeschluss. Doch während er die Änderung unterstützt, äußern mehrere Stimmen, unter anderem auch aus der CDU, Unverständnis. 

Wer ist dagegen?

Eine Vielzahl an Unternehmen – auch internationale Konzerne wie Lidl und Burger King – haben sich negativ zum Beschluss geäußert. Sie sehen die Anlehnung an bekannte Fleischprodukte als Orientierungshilfe für Konsumenten und insgesamt hilfreich. Zudem bemängelten die Unternehmen die Kosten, die bei einer kurzfristigen Namensänderung entstehen würden. Auch die ‘Vegane Fleischerei’ aus Hamburg, im Vergleich zu den oben genannten ein Kleinstunternehmen, sieht sich vor eine Herausforderung gestellt, sollte der Beschluss tatsächlich in Kraft treten. Sowohl Klein- als auch Großunternehmen sind sich hier in einem Kritikpunkt einig: Der Beschluss würde eher für mehr Verwirrung bei Kunden sorgen und rechtfertigt somit nicht den Aufwand einer Umbenennung. Verschiedene Verbraucherschutzgruppen wie die europäische Konsumenten Organisation BEUC und die Verbraucherzentrale Bundesverband stellen sich ebenfalls gegen den Beschluss. 

Wie viel Verwechslungsgefahr besteht wirklich?

Die BEUC hat in einer Studie belegt, dass die Mehrheit der europäischen Verbraucher Namen für Fleischersatzprodukte nicht nur verstehen und klar abgrenzen können, sondern auch, dass sie kein Problem damit haben, wenn diese Produkte basierend auf ihrer Fleischvorlage benannt werden. 

Die Verbraucherzentrale Bundesverband hingegen hat bereits 2022 in einer Studie untersucht, wie Kunden die Verwechslungsgefahr wahrnehmen. Die Ergebnisse unterstützen die BEUC und die Kritik der Unternehmen: Eine Mehrheit der Teilnehmer*innen wünscht sich explizit, dass das Ersatzprodukt einen Bezug zur Fleischversion herstellt. 

Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Verwirrung bei den Kund*innen besteht. Ungefähr die Hälfte der Befragten fordern eine eindeutigere Kennzeichnung der Fleischersatzprodukte. Die Verbraucherzentrale fasst dabei zusammen: “Produktnamen bewerten die Befragten am ehesten als eindeutig, wenn der Bezug zum Originalprodukt vorhanden ist, aber ausreichend sprachlich, bildlich oder orthografisch distanziert dargestellt wird: So wird beispielsweise die Bezeichnung „Vegane Seitanstücke Typ Hähnchen“ als eindeutiger empfunden als Bezeichnungen wie „Vegane Seitanstücke“ oder „Vegane Hähnchenstücke“.”

Was wären Alternativnamen für Fleischersatzprodukte?

Da bis jetzt keine alternativen Namen gebraucht wurden, stehen Hersteller vor einem Problem. Es gibt keine Richtlinien oder Vorgaben zur Benennung von Fleischersatzprodukten, die Unternehmen oder Konsumenten als Orientierung dienen könnten. Auch sieht der Beschluss keine Regelung zur Benennung vor. Ob zum Beispiel alternative Schreibweisen wie ‘Vurst’ statt ‘Wurst’ zulässig wären, oder Unternehmen auf gänzlich neue Bezeichnungen setzen müssen, lässt sich aus dem Antrag nicht herauslesen.

Wie steht es um Fleischalternativen in Deutschland?

Deutschland ist der größte Absatzmarkt für Fleischersatzprodukte innerhalb Europas, doch vegetarische und vegane Alternativen polarisieren hierzulande und werden von manchen als Kulturkampfthema angesehen. Die Meinungen dazu gehen sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch der Politik stark auseinander. Während der Absatz steigt und Marken wie Rügenwalder Mühle ihr Sortiment stetig ausbauen, hat eine Studie der BEUC ergeben, dass Befragte aus Deutschland am ehesten gegen fleischähnliche Namen für jegliche Fleischalternativen gestimmt haben. Mit einem Anteil von mehr als 30% ist das zwar keine Mehrheit, jedoch zeigt das Ergebnis deutliche Meinungsunterschiede innerhalb Deutschlands.

Wie geht es weiter?

Ob der Parlamentsbeschluss tatsächlich in Kraft tritt, steht noch aus. Zuvor wird erst die Zustimmung der Mitgliedstaaten benötigt, die den Veränderungen widersprechen oder eine Anpassung bewirken können. Erst danach wird der Parlamentsbeschluss wirksam und muss von den Betroffenen umgesetzt werden. Die Verhandlungen dazu beginnen diese Woche.

Autor: Toni Peschel

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