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Interview mit Martin Lehnerer – Gründer der Erlanger Flüchtlingsband

Integration kann so musikalisch sein

Die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen ist mittlerweile zum Alltag in Deutschland geworden. Auch in Frankens Städten und Gemeinden. Jede Kommune hat ihre Art mit der Krise umzugehen, sie anzunehmen und zu meistern. In Erlangen ist dies bis jetzt sehr gut gelungen. Es gibt eine Menge Initiativen und viele Ehrenamtliche, die den Ayslbewerbern Hilfe anbieten und versuchen eine Plattform zu schaffen, mit der sie die Flüchtlinge aus dem eintönigen und tristen Alltag befreien können.

Einer von ihnen ist Martin Lehnerer. Er ist Lehrer am Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg und begeisterter Musiker. Auch er wollte sich engagieren und hat bereits 2013 ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem er einigen Flüchtlingen die Chance gab, endlich wieder Musik in ihr Leben zu bringen: Die Flüchtlingsband Miasin Zam.

Luisa Filip hat ihn und seine Band getroffen.

Martin, auch du wolltest dich für Flüchtlinge in Erlangen engagieren. Woher kam dann die Idee , mit Flüchtlingen Musik zu machen und eine Band zu gründen?

Es war meine Idee. Ich hatte mich mit meiner Frau dazu entschieden, dass wir uns engagieren wollen. Dann war es für mich relativ naheliegend, weil ich auch selber gerne Musik mache und auch schon im Ausland war – und wenn man dann nicht musizieren kann, ist das sehr schmerzlich. Dann war die Idee eben da, einfach mal zu schauen, ob es Leute gibt, die Lust haben mal wieder Musik zu machen. Und ich hatte dann auch das Glück, dass ich gleich welche gefunden habe.

Seit wann gibt es euch als Band nun genau?

Begonnen haben wir im Dezember 2013, kurz vor Weihnachten. Da habe ich Instrumente eingepackt und bin in die Containerunterkunft in der Michael-Vogelstraße. Vorab haben wir über EFIE, die ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung in Erlangen, mit Aushängen informiert, dass wir Musiker suchen, die Lust haben gemeinsam zu musizieren und dann waren da ein paar Leute da. Dann haben wir relativ klein angefangen mit drei bis vier Musikern. Zwei davon sind sogar jetzt noch aktuell in der Band dabei.

Nachdem du dann die Werbung gestartet hattest, wie war die Resonanz auf Flyer?

Zum ersten Termin kamen gleich fünf oder sechs Leute, wobei zwei davon Flüchtlinge waren, die noch kein Instrument spielten, die gerne Unterricht bekommen hätten.  Des konnten wir aber damals noch nicht leisten, im Moment versuchen wir das gerade über EFIE aufzubauen. Wir haben dann gleich beim aller ersten Mal schon ein paar Lieder zusammengebracht. Karen Shaghoyan, unser Klarinettist, spielt auch ein bisschen Klavier und hat dann gleich ein paar armenische Lieder mitgebracht. Das hat eigentlich gleich alles gut funktioniert.

Der Bandname Miasin Zam hat eine doppeldeutige Bedeutung, was bedeutet er genau?

Wir werden in Bayern meistens als Miasan Zam bezeichnet. Aber eigentlich ist das erste Wort miasin. Das ist armenisch und bedeutet gemeinsam und zam ist dann das bayerische für zusammen. Wir fanden es lustig, dass es sich mit dem bayerischen Ausdruck so schön koppelt.

Eure Band setzt sich im Moment aus fünf verschiedenen Nationen (Armenien, Iran, Deutschland, Georgien und Ukraine) und somit auch Sprachen zusammen. Gab oder gibt es bei euch sprachliche Hürden?

Wir haben Leute, die schon mehrere Jahre hier sind, die können schon sehr gut deutsch sprechen und verstehen. Einen Iraner Sadegh Shahvir Gholami , der Bruder unseres Schlagzeugers Samuel Shahvir Gholami , der lernt gerade deutsch, aber da kann dann auch der Bruder übersetzten. Die ukrainische Banduraspielerin, die Jaroslava Kurochtina, lernt es auch gerade erst und bei ihr geht’s dann auch mit russisch. Bei uns geht’s dann also immer auf russisch und persisch hin und her in den Proben. Aber es funktioniert.

Wenn man eure Musikauswahl kennt, stellt man schnell fest, dass es ein sehr bunter Mix ist. Von Hubert van Goisern bis hin zu rumänischen instrumentalen Stücken. Wie wählt ihr eure Lieder aus?

Jeder darf prinzipiell Lieder mitbringen und wir versuchen die umzusetzen. Begonnen haben wir mit Klarinettenmusik, hauptsächlich aus Armenien, weil da hatten wir noch keinen Gesang. Karen, unser Klarinettist, hat dann die ersten eineinhalb Jahre armenische Volkslieder mitgebracht. Wir haben aber dann begonnen das Ganze mit Gesang zu erweitern. Im Repertoire gibt es im Prinzip vier Kategorien. Das eine sind traditionelle Lieder, aus den Ländern, also aus der Ukraine, aus Armenien oder auch bayerische Lieder. Das andere sind eigene Lieder, die wir selbst komponiert haben. Und die dritte Säule sind Lieder mit einer Aussage. Zum Beispiel das Protestlied Bomba von einer afrikanischen Menschenrechtlerin, wo ein Hintergrund dabei ist und eine politische Aussage dahinter steckt. Und die vierte Säule, sind Lieder, die uns Spaß machen.

Wer probt, möchte natürlich auch auftreten. Auf wie viele Auftritte könnt ihr schon zurückblicken?

Zunächst relativ zäh, weil wir noch nicht so viele Musiker waren und dann hatten wir um Jahr so zwei, drei Auftritte. Dann haben wir letztes Jahr im März Zuwachs bekommen und waren dann im Juni so richtig spielfähig und haben dann von Juni bis Weihnachten allein zwölf Auftritte gehabt.  Jetzt versuchen wir so einmal im Monat irgendwo aufzutreten. Durch dieses Label „Flüchtlingsband“ und der Aktualität des Themas bekommen wir halt gerade viele Anfragen und sind im Moment wirklich gut bedient.

Was sind denn dann Auftrittsorte für euch?

Generell alles was anfahrbar ist. Aber prinzipiell sind wir halt hier in der Region bekannt. Und spielen viel hier im Raum, hatten aber auch schon eine Anfrage für den bayerischen Landtag in München, um dort eine Preisverleihung zum Thema Willkommenskultur zu begleiten. Und dort haben wir auch wieder den Kontakt zu einer anderen Münchner Gruppe bekommen, wo wir dann jetzt auch an Weihnachten gespielt haben.

So ein Projekt muss sich auch finanzieren, da fallen sicherlich laufend neue Kosten an. Durch was finanziert ihr euch?

Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, dass wir nur noch gegen Gage spielen. Wir haben zum Teil laufende Kosten oder Musiker, die beispielsweise Fahrkarten brauchen, um zu den Proberäumen zu kommen. Und dann auch die Fahrtkosten, organisatorische Dinge, Instrumente. Der zweite Punkt ist, dass wir uns im Moment eine Anlage zulegen wollen, damit wir selbstständig spielen können und dafür brauchen wir natürlich auch Gelder. Wir haben auch teilweise zweckgebundene Spenden bekommen und zum Teil auch über EFI Unterstützung.

Man hört von vielen Projekten und Initiativen in Bayern, die sich für Flüchtlinge einsetzten. Das Projekt einer Flüchtlingsband kommt dann aber doch nicht allzu oft vor. Gibt es noch mehrere Bands im Stil von Eurer?

Der bayerische Musikrat versucht gerade die Projekte, die so laufen zusammenzufassen und auch zu kategorisieren. Mir wurde da kommuniziert, dass sie uns so in der Konstellation, dass Deutsche mit den Flüchtlingen gemeinsam Musik machen und, dass das eine komplette Band ist, die auch schon eine CD hat und auftritt, noch nirgendwo anders gefunden haben. Wird’s wahrscheinlich irgendwo schon geben, aber noch nicht medial auffindbar. Insofern ist das auch unser Alleinstellungsmerkmal, das wir noch haben. Aber ich bin auch immer noch auf der Suche, denn in Erlangen wird ein Weltmusik-Festival geplant, das auch ein bisschen in die Richtung der Migrationsthematik geht. Auch dafür ist man auf der Suche nach Projekten. Aber aktuell wurden noch nicht viele gefunden.

Eure Bandmitglieder haben teilweise schon sehr viel durchgemacht. Zwei von ihnen stehen zur Zeit vielleicht kurz vor der Abschiebung. Gibt es eine Lebensgeschichte eines Flüchtlings, die dich besonders getroffen hat?

Karen hat mich zum Beispiel persönlich sehr stark beeindruckt. Er ist wegen seiner Kinder, die beide lebensbedrohlich erkrankt sind, nach Deutschland gekommen, um das deutsche Gesundheitssystem in Anspruch nehmen zu können. Ihn zu sehen, wie er nach sieben Jahren wieder eine Klarinette bekommt und spielen kann, das macht es dann aus und dann ist auch jede Stunde, die man investiert, gerechtfertigt.

Dieses Projekt nimmt sicherlich für dich persönlich mittlerweile eine sehr große Rolle in deinem Leben ein. Was bedeutet dir die Band „Miasin Zam“?

Prinzipiell ist es sehr sehr anstrengend, weil wir neben der ganzen organisatorischen Geschichte wie Liederauswahl, Proben organisieren, Auftritte organisieren, ja auch die Flüchtlinge in ihrem Verfahren betreuen. Das ist natürlich sehr zeitintensiv und auch psychisch sehr belastend, weil es einfach Schicksale sind, die man nicht mal schnell beim Abendessen bespricht. Da geht es um ganz fundamentale Ängste und Probleme. Für mich sind es halt diese zwei Dimensionen: Wahnsinnig neuer Input mit neuen Musikrichtungen, die ich so selber nie gespielt hätte. Und auch die Möglichkeit einfach oft aufzutreten, viel zu spielen und mit den Leuten gemeinsam versuchen schöne Musik zu machen. Das ist das eine.

Das andere ist einfach, dass es sich hier um Menschen handelt, die hier sind, aber sonst isoliert wären, auch musikalisch isoliert wären. Und die möchte ich mitreinholen und ihnen auch eine Bühne geben. In den Proben haben wir oft so eine kindische Lachstimmung. Da falle ich als Lehrer immer so ein bisschen in mein Lehrchema zurück. Da merkt man dann aber auch, dass die Leute täglich wirklich Ängste und tiefe Sorgen haben. Und wenn sie dann in der Probe ihre Musik spielen können, dann platzt da etwas auf. Das ist dann wie Popcorn da unten in meinem Probenkeller. Und das ist schön, diese Menschen einfach zu erleben.

Autorin: Luisa Filip
Fotos: Felix Posner