Gerecht, friedlich, verantwortungsbewusst – so beschreibt sich die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg seit November 2016. Die kürzlich neu ins Leitbild der Uni aufgenommene Zivilklausel fasst diese Haltungen. Eine Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung von Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen, sich auf friedliche Forschung zu konzentrieren. Die neue Passage im Leitbild lautet:
Die FAU ist sich als öffentliche Einrichtung der gesellschaftlichen Folgenverantwortung ihrer Forschung bewusst. Durch ihren Beitrag zu transparenter, öffentlicher und interdisziplinärer Diskussion kommt sie der Einhaltung von anerkannten ethischen und moralischen Standards auf nationaler und internationaler Ebene nach. Verantwortungsbewusstes Handeln wird von ihr gefördert und resultiert im gerechten und friedlichen Zusammenleben zwischen Menschen, Kulturen und Nationen.
Erweiterung des Leitbilds der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg durch den Senatsbeschluss am 23. November 2016
Wie kam die FAU zur Zivilklausel?
Er war ein langer Weg bis zur Etablierung der Zivilklausel in das Leitbild der FAU. Bereits im Wintersemester 2012/2013 wurde auf Beschluss einer Vollversammlung aller Studierenden der Arbeitskreis Zivilklausel ins Leben gerufen. Eine kleine Gruppe Studierender regte bei der Stuve (Studierendenvertretung der Universität Erlangen-Nürnberg) die Gründung des Arbeitskreises an. Sie wollten für eine friedliche Forschung an ihrer Universität eintreten.
Bereits im April 2013, kurz nach seiner Einrichtung, startete eine der ersten Aktionen des Arbeitskreises. Zusammen mit der Grünen Hochschulgruppe wurde eine Podiumsdiskussion zum Thema Militärforschung und Waffenexporte organisiert. Vertreter aus Politik, Lehrende und Studierende diskutierten hier das Für und Wider von Zivilklauseln. In Zusammenarbeit mit dem ZIEW, dem Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation (seit 2017: ZiWiS), formulierte der AK im selben Jahr noch eine Zivilklausel für die FAU. Den Entwurf bestätigte der Studentische Konvent.
Noch drei weitere Jahre vergingen bis zur Etablierung der Zivilklausel ins Leitbild der FAU. Lena Krauß ist aktives Mitglied des Arbeitskreises Zivilklausel. Sie begleitete diesen Prozess bereits seit den Anfängen der Bewegung und erklärt im Interview, dass nach der Ausarbeitung der Formulierung Überzeugungsarbeit und Sensibilisierung bei Mitgliedern der FAU geleistet werden musste.
Der Arbeitskreis organisierte Infoveranstaltungen und nahm an unterschiedlichsten Gremien der Universität teil, um Unterstützer für die Idee zu gewinnen. Dieser Weg führte dann letztlich bis in den Senat, welcher die Zivilklausel im November 2016 verabschiedete und im Leitbild der FAU aufnahm.
Bundesweiter Vergleich
Zwar ist die FAU die erste Bayerische Universität, die eine Zivilklausel vorweisen kann, bei weitem aber nicht die erste in Deutschland. „Pax optima rerum“ – „Friede ist das höchste Gut“ heißt es 1665 bei der Gründung der Universität Kiel. Die Kernaussage von Zivilklauseln ist somit bereits bei der Gründung der Universität als Motto angelegt.
Aber nicht die Uni Kiel ist es, die als erste eine Zivilklausel verabschiedet. Erst 443 Jahre nach dem Ausspruch ihres Gründervaters schafft es 2008 eine Zivilklausel in die Grundordnung der Uni Kiel. Damit reiht sich Kiel in eine Reihe von Universitäten, die um diese Zeit Zivilklauseln verstärkt diskutieren und letztlich implementieren. Bremen ist Vorreiter und beschließt schon 1986 sich der friedlichen Forschung zu verschreiben. Sie ist damit die erste in Deutschland. Diese Entscheidung ist ganz im Geiste der Zeit. In den 1990er Jahren wächst die Friedensbewegung. Die Impulse, Universitäten als Öffentliche Einrichtungen zu friedlicher Forschung verpflichten zu wollen, wurzeln hier.
Nicht überall an den deutschen Universitäten wird die Diskussion so respektvoll getragen, wie es Prof. Dr. Peter Dabrock für die FAU beschreibt. Die zum Teil sehr kontrovers geführten Debatten seien an anderen Universitäten mitunter „kräftig“ und teilweise auch „polemisch“ geführt worden, so der Leiter des Lehrstuhls für Systematische Theologie II (Ethik) an der FAU und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats weiter. Ein Beispiel dafür ist die schon genannte Universität Bremen. Eine geplante Kooperation mit der Bundeswehr sorgt für scharfe Auseinandersetzungen.
Bis heute haben 64 Institutionen in Deutschland eine Zivilklausel. Bildung ist Ländersache, somit gibt es keine bundesweit einheitliche Reglung. Thüringen, Hessen, Brandenburg, NRW und Bremen haben eine Zivilklausel im Hochschulgesetz verankert. In den übrigen Bundesländern, wie in Bayern auch, obliegt es den Universitäten selbst, sich für oder gegen eine Zivilklausel auszusprechen und diese zu formulieren.
Fiedlich oder zivil?
Warum eigentlich Zivilklauseln und nicht eine Zivilklausel? Im Kern sprechen sich Zivilklauseln zwar für dasselbe aus, allerdings sind hier die – mal mehr, mal weniger feinen – Unterschiede in den Formulierungen elementar. Universitäten wie zum Beispiel die TU Dortmund sprechen sich klar gegen militärische Forschung aus: „Der Senat der Universität Dortmund erklärt im Sinne einer Selbstverpflichtung, dass die Forschung an der Universität Dortmund ausschließlich zivilen Zwecken dient und auch zukünftig keine Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durchgeführt werden, die erkennbar militärischen Zwecken dienen sollen.“
Das Gros der Klauseln formuliert jedoch friedliche Ziele der Forschung, so auch an der FAU. Friedliche Ziele schließen militärische Zwecke nicht grundsätzlich aus. Die Sicherung von Frieden, im weitesten Sinne, kann den Einsatz militärischer Mittel begründen. Oliver Jörg, CSU-Landtagsabgeordneter und Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Landtag plädiert daher für eine Unterscheidung von Zivilklauseln und Friedensklauseln.
In diesem Sinne zählt die Passage im Leitbild der FAU eher zu den Friedensklauseln, zielt sie in erster Linie auf „Folgeverantwortung“ und „verantwortungsbewusstes Handeln“ der WissenschaftlerInnen.
„Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken, In der Freiheit sind unsere Gedanken Sprengstoff.“ lässt Friedrich Dürrenmatt einen seiner „genialen“ Wissenschaftler im Drama Die Physiker ausrufen. Im Hinterkopf ist Einsteins Dilemma um die Entdeckung E=mc² und die Entwicklung der Atombombe. Etwas überspitzt deutet diese Aussage auf die sogenannte Dual-Use-Problematik hin. Diese beschreibt den Umstand, dass Forschung, die zivil motiviert ist, auch missbräuchlich, beispielsweise für kriegerische Handlungen, genutzt werden kann. Der Appell an die WissenschaftlerInnen ist es, solche Aspekte im Blick zu haben und nach „Ethischen und moralischen Standards auf nationaler und internationaler Ebene“ zu handeln.
Verbindlichkeit von Zivilklauseln
Gegner von Zivilklauseln argumentieren, dass diese die im Grundgesetzt in Artikel 5 Absatz III verankerte Freiheit der Forschung einschränke. Die Gegenposition hält dagegen: „die Forschung soll so frei wie möglich sein, aber eben auch Rücksicht nehmen auf andere Menschenrechte. Und wenn andere Menschenrechte durch Forschung in Gefahr gebracht werden, dann ist es eben Grund, die Freiheit der Forschung auch einzuschränken, wie es mit allen Freiheiten, die im Grundgesetz verankert sind, der Fall ist“, erklärt Lena Krauß im Gespräch. Festhalten kann man, dass es Zivilklauseln in einigen Ländern bis in das Landes-Hochschulgesetz geschafft haben. Vor Gericht auf die Probe gestellt wurden sie allerdings bisher noch nicht.
Im Falle der FAU, so viel steht fest, handelt es sich um keine rechtlich bindende Vorgabe. Dr. Rudolf Kötter erklärt im Interview: „…in ein Leitbild irgendetwas hineinschreiben, was dann mit Sanktionen versehen wäre und was dann sogar also ein verfassungsrechtliches Grundrecht einschränken würde. Kann man nicht machen. (…) Wir können also durch Universitätsvorschriften kein höherstehendes Recht einschränken.“ Ein im Leitbild stehender Passus ist vielmehr ein „self-commitment“ der Wissenschaftler an der FAU, erläutert Prof. Dr. Dabrock. Die Folgeverantwortung ihrer Wissenschaft im Blick zu haben, sei der Anspruch. „Also wir haben eine moralische Selbstverpflichtung hier an der FAU. Und eine moralische Selbstverpflichtung steht natürlich diesem Grundrecht auf Wissenschafts- und Forschungsfreiheit erst einmal nicht entgegen.“ Wie die Einhaltung dieser Selbstverpflichtung überprüft werden soll, ist noch nicht endgültig geklärt. Diskutiert wird die Gründung einer Dual-Use-Kommission, die über eventuell auftretende uneindeutige Fälle berät und als Ansprechpartner Forscherinnen und Forschern zur Seite stehen soll. Ob dies tatsächlich der richtige Weg ist, ist strittig.
Die Zivilklausel der FAU – eine Luftblase? – Nein, meint Dr. Rudolf Kötter. Auch wenn die Klausel sehr offengehalten ist, so sei sie doch ein Ausgangspunkt, um im Sinne der Klausel fragwürdige Forschungsansätze zu diskutieren.
Interviews
Position: Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, Leitung des Lehrstuhls für Systematische Theologie II (Ethik)
Rolle bei ZK an FAU: Beteiligung an der Formulierung
Links: http://www.ethik.theologie.uni-erlangen.de/de/lehrstuhl/leitung.html, http://www.ethikrat.org/ueber-uns/kurzportraets/peter-dabrock
Position: MdL CSU Landtagsfraktion Bayern, Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Bayerischen Landtag
Link: https://www.oliver-joerg.de/
Position: Ehemaliger Geschäftsführer des Zentralinstituts für
Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation
Rolle bei ZK an FAU: Beteiligung an Formulierung
Link: http://www.philosophie.phil.unierlangen.de/lehrstuehle/mitarbeiter/koetter.shtml
Position: Mitglied Arbeitskreis Zivilklausel
Rolle ZK an FAU: Ausarbeitung der Formulierung
Link: https://stuve.fau.de/arbeitskreise-und-referate/arbeitskreiszivilklausel/
Referenzen
Interview Prof. Dr. Peter Dabrock
Interview Oliver Joerg_bearbeitet
Der Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Digitale Medien – Zukunftswerkstatt“ der FAU in der Gruppe Crossmedia.