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Album der Woche KW48: Das Grauen, Das Grauen – Grim104

Quelle: Instagram.com/grim104

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Ob Das Grauen, Das Grauen musikalisch schön ist, darüber lässt sich sicherlich streiten. Bestreiten kann man aber sicher nicht, dass die Instrumentals perfekt zum Feeling und der Message der Songs passt. Am Beispiel des Titelsongs “Das Grauen” soll das genauer ausgeführt werden: Der Song handelt davon, dass sich unsere Vorstellung des Grauens über unser Leben hinweg stark ändert. Als Kind fürchten wir übernatürliche Wesen, Gespenster und den Mann am Ende der dunklen Kellertreppe, später verfolgt uns viel eher die Angst vor unserem eigenen Verfall, wie Demenz oder der erforderlichen Einlieferung ins Altersheim. Man kann durch das gesamte Tape hindurch Grims unfassbar große Fantasie und sein lyrisches Talent erkennen. Im Unterschied zu anderen Musikern des Rap Genres liegt der Fokus bei ihm ganz deutlich nicht auf dem Beat, sondern viel eher auf der Lyrik. Viel eher ordnen sich alle rhythmischen Elemente dem Text unter. Genau damit erschaffen Grim und die Produzenten die einzigartige Atmosphäre des Albums. 

Diese Atmosphäre ist in sich ein Paradoxum. So hart und roh das Ganze auch klingt, lässt sich der Sound in keinster Weise als kalt bezeichnen. Grim betrachtet Schneestürme nicht durch die Fenster einer geheizten Sauna, er ist selbst mitten drin. Diesen Sturm trägt er  seinen Hörerinnen und Hörer ins Herz. Wir spüren die Kälte, wir spüren die einzelnen Flocken, die sich auf der Haut anfühlen wie kleine Stiche und wir fühlen den Wind, der durch unsere Kleidung und unsere Haut direkt auf unsere Knochen einhämmert. Trotzdem versprüht der Sound das Gefühl von Kaminfeuer, auch wenn es objektiv betrachtet überhaupt nicht da ist. Die Energie, die Grim hier übermittelt ist meiner Meinung nach fast unübertroffen im deutschen Rap Genre. Auffallend sind die Reimschemata, die teilweise in sehr abstrakter Form, teilweise überhaupt nicht existieren. Vermisst werden Sie nicht.

Wer bin ich und wenn ja, wie viele

Die jetzige EP ist das erste Solo Projekt von Grim seit 6 Jahren. In seinem letzten Album spricht er spricht über die Einsamkeit, die Jugendliche im Hinterland, namentlich Brandenburg, wo er aufgewachsen ist, ständig begleitet. Er spricht darüber, dass Geschäfte schließen, der Rechtsextremismus erstarkt und die Menschen sich immer weiter voneinander distanzieren. Man kann also ohne Vorbehalte sagen, dass Grim sich stets an aktuellen Themen aufhängt. Innerhalb der letzten 6 Jahre hat Grim das Hinterland verlassen und zog nach Berlin. In Hölle spricht Grim davon, wie er nach Berlin gezogen ist und sich vergeblich versuchte sich anzupassen. Es geht um die Nichtigkeit des Individuums und darum, wie ekelhaft Menschen miteinander interagieren. Natürlich spricht Grim in diesem Zusammenhang auch die Gentrifizierung an. 
Seine Enttäuschung über Menschen wird auch in einem weiteren Lied greifbar. Abel ‘19 handelt von Zivilcourage, oder viel eher von deren Abwesenheit. Meiner Meinung nach ist das mit Abstand der Mächtigste Song auf dieser EP. Ich muss zugeben, der Inhalt dieses Songs ist nicht nur einer der krassesten, die ich bis jetzt im Deutschrap gehört habe, sondern sogar einer der krassesten deutschsprachigen Texte überhaupt. Ich glaube allen werden die Gefühle der Ohnmacht, Wut und Hilflosigkeit spürbar werden. 
Daher würde ich Euch raten, dem Grauen Tor und Türe zu öffnen und sich selbst eine Meinung zu bilden!

Autor: Max Schmid