Fler wäre nicht Fler, wenn er nicht durch die Bushido-Thematik*, den ewigen Stress mit der Berliner Polizei und aus dem Kontext gerissene, angeblich frauenfeindliche Zeilen auffallen und von schlecht recherchierenden Medien angegriffen und stets darauf reagieren würde.
Fler wäre aber auch nicht Fler, wenn er nicht in Kanye-Manier im Minutentakt seinen Albumtitel, das dazugehörige Cover und die Tracklist samt Features verwerfen würde. So war es bei seinem neusten Album:
Im Mai 2019 postet er einen Teaser für das kommende Album „Corleone“, dessen Cover insgesamt drei Mal geändert wird. Die erste Namensänderung erfolgt: das Tape mit neuem Cover soll nun „ENERGY“ heißen; dabei bleibt es aber nicht lang. Einige Verschiebungen später stand der Titel fest: „Atlantis“. Nach 5 neuen Artworks, darunter auch sehr teure Shootings in einem Hallenbad samt einem Sportwagen, der unter Wasser stand, war das Release und das drumherum endgültig. Atlantis erscheint offiziell am 24. März 2020. Überraschend kündigt Fler auf Instagram jedoch an, das Album eine Woche früher auf Spotify und co. zur Verfügung zu stellen, weil Deutschrap das Album unbedingt brauche.
Und ich schau‘ jede Nacht in den Spiegel,
um zu seh’n, wer auf der Straße noch real ist.
Scheiß auf Fame, auf das Cash und die Bitches,
macht dich nicht krass, solange du nicht von hier bist.
Das 16. Soloalbum (!) von Fler, der seit mittlerweile 20 Jahren einer der umstrittensten und einflussreichsten deutschen Rapper ist, macht genau das, was Flizzy seit dem Nummer 1 -Album „Vibe“ (2016) macht: jedes Album hat einen komplett neuen, frischen Sound. Wieder gilt: Fler hats erfunden.
Atlantis erscheint mit 16 Tracks, darunter die Auskopplungen „SHIRINBAE“, „FAME“, „GRIND“, „LOST“ und der Bushido-Diss „NONAME“.
Wolltest Straße, wolltest Gangster-Life,
Arafat hielt deinen Rücken frei.
Wolltest dieser Unterdrücker sein,
doch heute holt dich alles wieder ein.
Prominente Featuregäste hat Fler wie gewohnt auch. Seit der Versöhnung mit Farid Bang ist dieser ein gern gesehener Gast. Auch die sehr oft in den Spotify-Charts vertretenden Gringo44 und Summer Cem featuren den Straßenposseidon. Etwas überraschend sind die Parts von Sierra Kidd („DREAMER“) und Sido, mit dem Fler in den frühen 2000ern bei Aggro Berlin schon gemeinsame Musik machte. Alle fünf Features sind sehr gut ausgewählt und passen perfekt auf die jeweiligen Tracks, ohne Fler die Show zu stehlen (außer vielleicht Farid, aber das ist ein Phänomen für sich).
Während absolute Banger wie „NULL EMOTION“ oder „BENTLEY ABI“ mit Farid ihren Platz auf „Atlantis“ finden, gibt es auch ungewohnt ruhige, tiefgründigere Tracks, wie beispielsweise „LOST“ mit Sido. Jedoch nicht in Prinz Pi oder Mark Forster-Style, sondern natürlich typisch Flizzy: voller vibe und drip.
Produziert ist das komplette Album von Simes (got that secret sauce). Flers Hausproduzent ist auf absolutem Weltklasseniveau und ist in Deutschland einer der wenigen Produzenten, die problemlos auf amerikanischem Level mithalten können. Die Beats sind in dieser Form in Deutschland einzigartig.Fler liefert mit „Atlantis“ definitiv ein sehr solides Album, es muss sich jedoch hinter die Fler-Jalil-Kollabo „Epic“, dem wegweisenden Album „Vibe“ und dem für mich besten Fler Album „Flizzy“ anstellen. Vielleicht auch noch weiter hinten, wenn ich mir „Keiner kommt klar mit mir“ oder „Weil die Straße nicht vergisst“ in meine Erinnerung hole.
Das, was ich rappe in meinen Lines, ist, was die Straße denkt.
Trage das Schicksal von diesen Rappern an meinem Handgelenk.
Fahre den Bentley so wie ein’n Jetski, weil meine City versinkt.
Bin es so leid, bin es so leid, doch hab‘ den Killerinstinkt.
Es ist ohne Wenn und Aber ein gutes Album mit starkem Einstieg, guten Features, geilen Bangern und modernem Soundbild. Aber neben den üblichen Angriffen gegen einen gewissen „World of Warcraft“ spielenden, Polizeischutz genießenden Berliner Rapper, gewisse Influencer und Prominente, leistet „Atlantis“ inhaltlich nicht wirklich viel neues. Klar, es ist der hitzköpfige, Ende 30-jährige Patrick, der viel Geld und Geschmack hat, ein Modelabel („Maskulin“) vertreib und viel Gutes für Deutschrap getan hat; aber das alles ist auf den Vorgängeralben schon klar geworden. Das ist jedoch völlig ok! Ich kann gar nicht sagen, was mir auf dem Album großartig fehlt, weil Fler für mich in den letzten Jahren einer der besten deutschen Musiker geworden ist und die Alben der letzten Jahre ein sehr hohes Niveau bieten.
* auf dem Track „Junge mit Charakter“ (2014) konnte man schon vor vielen Jahren sehen, dass Fler zumindest bei der Bushido-Arafat-Thematik Recht und einiges vorhergesagt hat. Zu empfehlen ist auch die Y-Kollektiv-Doku „Die Akte Bushido“, in der Fler, Manuellsen, Sinan-G, eine sehr fähige Reporterin und viele andere zu Wort kommen
Autor: Alex Gubert