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Fair Fashion statt Fast Fashion

Bild: funklust/Anna Knake

„Lasst uns faire Mode tragen, für mehr Menschlichkeit, für mehr Gleichberechtigung und für mehr Spaß, denn ich verspreche Ihnen, wer einmal faire Mode getragen hat und weiß wie gut sich das anfühlt, der will nie wieder etwas anderes tragen.“ Mit diesen Worten nimmt Marie Nasemann 2018 ihren Young ICONS-Award in der Kategorie Mode entgegen. Die ehemalige Kandidatin von Germanys Next Topmodel betreibt seit einigen Jahren ihren Blog Fairknallt, auf dem sie auch über faire und nachhaltige Kleidung schreibt – ein Thema, das ihr vor allem seit dem Einsturz des Rana Plaza Gebäudes 2013 in Bangladesch am Herzen liegt. Bei dem tragischen Ereignis kamen 1.136 Menschen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt. Obwohl bereits tiefe Risse in den Wänden des Gebäudes zu sehen waren, wurden zahlreiche Textilarbeiter*innen gezwungen weiter Kleidung für europäische Brands wie C&A, Mango, Primark und Benetton, zu nähen. Das bis heute größte Unglück der internationalen Textilindustrie jährt sich am 24. April zum siebten Mal.

Dass die Textilindustrie auf menschenunwürdigen und riskanten Arbeitsbedingungen, meist in Entwicklungsländern, basiert ist längst kein Geheimnis mehr. Daher gibt es auch immer mehr junge Fair-Fashion Unternehmen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Modebranche nachhaltig zu verändern. Julia Kirschner, Sustainability Managerin beim Fair-Fashion-Label ARMEDANGLES erklärt: „Unser Ziel ist es faire Arbeitsbedingungen bei allen Partnern mit denen wir zusammenarbeiten zu implementieren und langfristig zu sichern. Außerdem wollen wir, dass unsere Produkte die Umwelt so wenig belasten wie möglich. Daher achten wir strikt darauf, dass keine toxischen Chemikalien verwendet werden.“ Denn nicht nur die kritischen Arbeitsbedingungen, sondern auch die starke Umweltbelastung durch Pestizide und der Einsatz zahlreiche Chemikalien, machen die Textilindustrie zu einer der dreckigsten der Welt. Ihre CO2 Emissionen übersteigen die des internationalen Flugverkehrs und Versands zusammen und machen so bis zu acht Prozent der jährlich global anfallenden Treibhausgase aus. 

Bernd Hausmann, Gründer von glore, entschied sich bereits vor 14 Jahren dazu, die konventionelle Modebranche nicht länger zu unterstützen und sah sich daher nach modischen Alternativen um. Schnell stieß er auf junge, hippe Brands wie ARMEDANGLES und den französischen Schuhhersteller Veja. Das einzige was fehlte, war ein Laden, der all diese Marken zusammenbrachte – und so eröffnete Hausmann 2006 kurzerhand die erste glore Filiale in Nürnberg, um genau dies zu tun. Denn faire und ökologische Mode ist längst nicht mehr nur altbackende Kleidung aus moosgrünem Filz und Cord. Betritt man einen glore Store oder schaut sich die Kleidung in den zahlreichen nachhaltigen Onlineshops an, merkt man schnell, dass Fair-Fashion eine echte Alternative geworden ist. 

Beim Einkauf für sein Geschäft orientiert sich Bernd Hausmann an den Richtlinien der FAIR WEAR FOUNDATION und im ökologischen Bereich am GOTS Standard, der die Verarbeitung von Textilien aus mindestens 70 Prozent biologisch erzeugter Naturfasern überprüft. Auch ARMEDANGLES lässt die Einhaltung ihrer Standards unabhängig überprüfen und ist daher Mitglied der FAIR WEAR FOUNDATION. Zusätzlich richtete das Unternehmen 2011 seine komplette Lieferkette auf GOTS aus und besucht seine Produktionsstätten regelmäßig, um engen Kontakt und Vertrauen mit ihren Partnern herzustellen.   

Doch natürlich gibt es auch einige Herausforderungen, denen sich Fair-Fashion Labels und Verkäufer stellen müssen. Zum einen sind die Margen für die Händler weit schlechter als für konventionelle Verkäufer, was durchaus zu Wettbewerbsnachteilen in der Branche führt. Zum anderen ist das Sortiment nach wie vor beschränkt, so Bernd Hausmann, da es noch nicht jeden Wunsch der Kunden in fairer und ökologischer Qualität zu kaufen gibt. Dies bestätigt auch Julia Kirschner: „Neue Produktkategorien aufzubauen und Materialinnovationen zu finden, die unseren hohen Nachhaltigkeits- und Design-Standards entsprechen, ist mit unseren Ansprüchen natürlich schwieriger als bei konventionellen Herstellern.“ 

Der zunächst auffälligste Unterschied zu den konventionellen Textilriesen wie H&M und Zara ist für viele Kunden jedoch der Preis. Während bei diesen Herstellern auch etwas für den kleinen Geldbeutel dabei ist oder ein T-Shirt ohne großes Überlegen mitgenommen werden kann, ist Fair-Fashion oft eine Investition in ein neues Lieblingsteil. Logisch überlegt lässt sich der Preisunterschied schnell erklären – wenn jeder Mensch in der Liefer- und Produktionskette unter sicheren Bedingungen arbeiten kann und dafür gerecht entlohnt wird, während gleichzeitig keine umweltschädlichen Pestizide und Chemikalien verwendet werden, müssen diese Kleidungsstücke nun mal teurer sein als Textile aus Sweat-Shops. Bernd Hausmann versteht dennoch, dass es für Schüler oder Kleinverdiener schwierig wird, den Kleiderschrank auf neue faire Mode umzustellen. Trotzdem gebe es nachhaltige Alternativen wie Second-hand Mode oder Kleidertausch mit Freunden, die sich sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Umwelt positiv auswirken. ARMEDANGELS möchte seine Preise auch nicht mit konventionellen Modebrands vergleichen: „Was unsere Preise angeht, können wir uns sicherlich nicht mit herkömmlichen „Fast-Fashion“-Anbietern messen. Das wollen wir aber auch gar nicht. Immer dem nächsten Trend hinterher zu rennen, hat in unseren Augen auch nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun“ so Julia Kirschner. Am nachhaltigsten wäre es natürlich, weniger oder gar nichts Neues zu kaufen – das ist jedoch utopisch. Das weiß auch Martin Höfeler, CEO und Gründer von ARMEDANGELS: „Der totale Verzicht ist in unserer Gesellschaft nicht realistisch. Viel wichtiger ist es uns, zu vermitteln, bewusst zu konsumieren und zu überlegen, was man wirklich braucht.“

Für mehr Bewusstsein beim Shoppen setzt sich auch Marie Nasemann ein. Als international erfolgreiches Model hat sie eine Vorbildfunktion für viele junge Menschen, wie ihr YOUNG ICONS Award zeigt. Aber nicht nur junge Menschen interessieren sich für Fair-Fashion. Das Thema sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagt Bernd Hausmann. „Die Menschen merken, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, dass man die Menschen so nicht mehr ausbeuten und die Umwelt verschmutzen kann“. Daher treffen sich in seinem Laden vom Studenten über Familien bis hin zum Rentner alle Menschen, die eben etwas besser machen möchten.  

Autorin: Anna Knake