Unser aktuelles Album der Woche hat Redakteurin Julia ziemlich überrascht. Als großer Fan der kanadischen Band July Talk hatte sie eigentlich etwas anderes erwartet: donnernde Drums, rollende Bässe, eben den Alternative bzw. Blues Rock, den sie von den letzten Alben kannte. Aber bekommen hat sie Indie Pop. Und das ist gar nicht schlimm.
Tatsächlich hat sich die Band, wie man so schön sagt, weiterentwickelt – oder einfach woanders hin? Auf der Stelle stehen ist jedenfalls nicht ihr Fall, vor allem Sängerin Leah Fay und Sänger Peter Dreimanis sind kontinuierlich aktiv, was sie auch auf ihren Instagram-Profilen zeigen. Seit Corona-Beginn wohnen sie in einem großen Haus, einer Künstler*innen-WG, um trotz Tourflaute kreativ zu bleiben. Sie nehmen an der lokalen Soli-Aktion “Care-A-Van” in Toronto teil und nutzen ihren im Moment nicht gebrauchten Tourbus, um damit Lebensmittel und Hygieneprodukte vom Großmarkt abzuholen und zu bedürftigen Menschen zu bringen. Die Aktion läuft zusammen mit einer Organisation, die Menschen beim clean werden unterstützt. Gleichzeitig macht sich die Band für Frauenrechte und BLM stark.
Dieses gesellschaftliche Engagement zeigt sich auf auf Pray for it. Die Gesangsparts, die sonst 50/50 verteilt sind, wurden zugunsten von Leah verschoben. Ihre klare, hohe Stimme changiert zwischen eindringlich und einfühlsam. Peter hat viel von seinem Reibeisen aus der Stimme genommen und sorgt für Wärme im Backgroundgesang. Die Songs handeln – wie immer – von Liebe, aber auch von Solidarität und Machtverhältnissen. So wie mein Albums-Liebling Governess Shadow, das von Peter geschrieben wurde. Inspiriert wurde der Song von der Geschichte seiner Urgroßmutter, die als junge Frau auf eine Hauswirtschaftsschule ging, um später für reiche Familien zu arbeiten. In dem Song philosophiert er über die Machtverhältnisse zwischen Reich und Arm, aber auch zwischen Männern und Frauen.
Die Songs haben nichts an ihrer alten Eingänglichkeit eingebüßt. Weiterhin viel Gitarre, mitreißende Rhythmen, aber alles etwas zurückhaltender, fast lieblich. Um ehrlich zu sein, ist das doch gerade das, was wir in diesem Jahr brauchen.