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Lieber Ancient als Nexus

Vor ein paar Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich lieber Profis beim Dota2 spielen zuschaue und ich von League of Legends nichts mehr wissen will. E-Sports wächst seit Jahren. Ob CS:Go oder League of Legends. Views im Millionenbereich und ebenso hohe Preisgelder. Ich habe immer am liebsten League of Legends gespielt, auch wenn ich andere Esports Games ausprobiert habe. Klar, fast alle meine Freund*Innen spielen League. Jedes Jahr im Herbst standen die Worlds, die Worldchampionship in League of Legends, fest in unserem Terminkalender. In den früheren Jahren fand das Event im Staple Center in Los Angeles statt, gegen 5 Uhr morgens europäischer Zeit. Für uns hieß das dann: aus dem Club direkt aufs Sofa, die Opening Ceremony genießen und dann den Besten der Besten beim Daddeln zuschauen. Die Faszination hat ein paar Jahre angehalten, aber dann kam die Langeweile. Die Spiele haben mir beim Zuschauen immer weniger Spaß gemacht. Selbst das Schauen mit meinem Esports Verein konnte mich nicht mehr begeistern und dabei hatten wir das Ganze sogar in einem Kino geschaut. 

Der professionelle Esports war für mich ab 2016 bestenfalls ein Randinteresse. Ich habe immer noch Artikel dazu gelesen und ein paar Best-Ofs geschaut. Dann kam 2020 und ich bin wegen Corona bei meinem Freund eingezogen. Der ist, im Gegensatz zu mir, ein begeisterter Dota2 Spieler und Zuschauer. Also hab ich auch mehr Dota2 geschaut und auf einmal war meine Liebe zum Esports schauen wieder da.

Warum funktioniert Dota2 also so viel besser zum Zuschauen, obwohl ich es nie aktiv gespielt habe?

Sowohl bei Dota2 als auch League of Legends sind die Zuschauer*Innenzahlen gewachsen. Bei der World Championship 2019 haben, laut echarts, knapp 4 Millionen Menschen das Finale gesehen. Bei The International, dem Pendant bei Dota2, im gleichen Jahr, waren es knapp 2 Millionen. Auch wenn League of Legends mehr Views hatte, lag das Preisgeld bei “nur” 2’225’000 $ plus spezielle Sales im Client des Spiels. Bei The International wird das Preisgeld durch verkaufte Battlepässe und den vom Entwickler Valve gestellten Betrag berechnet. 2019 waren das 34`308`060 $. Auch die Anzahl der aktiven Spieler*Innen unterscheidet sich. Laut Steam Charts haben 2019 zu Höchstzeiten knapp 1 Millionen Menschen gleichzeitig Dota 2 gespielt. Bei League of Legends waren es, laut eigenen Angaben 8 Millionen im August 2019. 

Dass sich League of Legends aus Dota2 entwickelt hat und dieses wiederum als Funmap bei Warcraft 3 ihren Anfang fand, ist mittlerweile Common Knowledge. Ich spiele lieber League of Legends als Dota2, aber wenns ums Schauen geht, hat The Ancient den Nexus aus meinem Gamer-Herz verdrängt. obwohl ich da wohl zur Minderheit gehöre. Aber warum eigentlich?

Eingangs habe ich ja schon gesagt, dass mich die professionellen League of Legends Spieler und die Worlds einfach nur gelangweilt haben. Für mein Empfinden wurden immer die gleichen Champions gebannt, immer die gleichen gepickt. Kurz gesagt: es gab immer EINE große Meta, also eine große Strategie, die verfolgt wird. Welche Champions werden gespielt, wie ist die Bewegung auf der Map usw. In vielen Seasons endeten die Finals 0-3 und ein Team hat immer klar dominiert. Es gab zu wenig Movement auf der Map, es gab zu wenig individuelles Gameplay und zu wenig Abweichungen von der aktuellen Meta, es war einfach zu langweilig. Nach wenigen Minuten war meistens klar, welche Champions gespielt werden und wer gewinnen würde.

Anders bei Dota2. Klar, auch da gibt es eine Meta, aber die einzelnen Games sind strategischer. Statt dass Offlaner stumpf ihren Jungle abfarmen und ab und zu zum Ganken kommt, können auch andere Spieler*Innen Camps farmen, pullen oder staken, je nach gepicktem Champion. Jeder Champion kann quasi auf jeder Position gespielt werden. Durch Runen und Objectives auf der Map ist also automatisch mehr Movement möglich und nötig. Der Courier ermöglicht es außerdem, dass Spieler*Innen die Lane zum Shoppen nicht zwangsläufig verlassen müssen. 

Werde ich mir trotzdem die Worlds 2020 anschauen?

Wohl eher nicht. Entweder spiel ich währenddessen eine eigene Runde im Rift oder zieh mir ein paar alte Dota2 Spiele rein. Jede*m das Eigene und mir mehr Dota2. Ich hoffe allerdings, dass League of Legends aus dieser Phase wieder rauskommt und ich demnächst dieses Spiel beim Zuschauen wieder genauso genießen kann wie früher.

Autorin: Lea Maria Kiehlmeier