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2020 oder „Warum ich meine Periode lieber mag als Corona“

Kommentar von Madelaine Wilma

Der ein oder andere mag sich denken, „Nice, Homeoffice, heißt für mich: Jogginghose und Assi-Dutt!“ Doch wollen wir wirklich jeden Tag zuhause sitzen? Wollen wir wirklich keinerlei Notwendigkeit mehr verspüren, das Haus zu verlassen? Oder zu duschen? „Wird doch eh keiner sehen“, oder?…

Covid-19 nennt sich der Übeltäter, der 2020 zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Fast jeden Lebensbereich hat das Virus übernommen, ob Berufsalltag oder Privatleben, nirgends ist man sicher vor ihr. Ja, sie. Für mich ist Corona weiblich, und das nicht nur, weil ich vor etwa 2 Stunden einen Artikel über den weiblichen Vornamen „Corona“ gelesen habe. Sondern vielmehr deshalb, weil sie die Macht besitzt uns alle zu Hause zu halten, fern von den Clubs, sogar von der Arbeit, wie die monatliche Menstruation das weibliche Geschlecht. Sie bringt uns dazu Schokolade zu essen, die Jeans gegen den Schlafanzug zu tauschen, sie bereitet uns Schmerzen, verleitet uns dazu, auf jeglichen Kontakt zu anderen Menschen zu verzichten und macht den Trip zum Supermarkt zum Highlight der Woche.

Der Unterschied zwischen Covid-19 und der Erdbeerwoche liegt nur darin, dass die Erdbeerwoche – wie der Name schon sagt – im Normalfall nach einer Woche fürs erste wieder verschwunden ist, Corona nicht.

Es ist nun fast ein Jahr her, dass Trump das erste mal über den „China-Virus“ gesprochen hat. Ein Jahr, seit wir das letzte Mal den betrunkenen besten Freund nach dem Feiern gehen ins Taxi befördern mussten, ohne ihn so sehr zu schütteln, dass er sich übergeben muss, ein halbes Jahr, seitdem Masken für uns Alltag bedeuten. Notgedrungen haben wir uns daran gewöhnt, uns damit abgefunden, dass diese Situation nun erst einmal so bleiben wird. 

Doch sind wir mal ehrlich, dachten wir anfangs, unsere ungebetene Freundin würde ihren Besuch so ausdehnen? Wir sind endlich an einem Punkt angelangt, an dem wir sagen können: „Ziel in Sicht“, allerdings nur wenn wir ein Fernglas benutzen, denn auch das Wärmekissen auf dem Bauch a.k.a der Impfstoff, wird die Veränderungen, die das Virus bereits jetzt mit sich gebracht hat, nicht verschwinden lassen.

Aber ist das wirklich alles schlecht? Über einige Punkte gilt es zu streiten. 

#StayHome

Dass dieser Spruch nicht nur neuer Trend-Hashtag der sozialen Medien ist, sondern seit März 2020 auch Gesetz, ist bekannt, auch wenn der ein oder andere der Ansicht ist, diese Vorgabe hätte Interpretationsspielraum. 

Zu Beginn des ersten Lockdowns war ich zwiegespalten. Einerseits erleichtert mir die staatliche Vorgabe meine Wochenendplanung, andererseits fühlt man sich doch auch eingesperrt. Zu wissen es ist wirklich nicht erlaubt, das Haus ohne triftigen Grund zu verlassen, macht es doch für viele umso reizvoller. Nichtsdestotrotz, als verantwortungsvoller Bürger bleibt man zuhause. 

Die gewonnene Zeit kann auch sinnvoll verwendet werden: Sport, Kreativität, Ordnung ins Leben bringen, Lesen, oder einfach mal wieder Zeit mit der Familie zu verbringen. Ich persönlich, habe das alles genossen. Doch inzwischen kommt der feierwütige, soziale Schmetterling namens „Student“ aus mir heraus, mit dem Wunsch, die Langzeit-Periode zu vertreiben. Leider einfacher gesagt als getan. Zuerst der Lockdown light, der, bevor er wirklich „zu Ende“ gewesen wäre, schon wieder in einen kompletten Lockdown verwandelt wurde. Über Weihnachten und Silvester hinweg, war es mir nicht einmal möglich meine Geschwister alle auf einmal zu sehen, da wir zu viele Personen gewesen wären. Jetzt die Ausgangssperre alias „Prison Break“, die es mir verbietet nach 21 Uhr auch nur zu meinem Freund zu fahren. 

Dass all jene Maßnahmen einen Grund haben, will ich gar nicht infrage stellen, allerdings den Infektionsschutz unter Nichtberücksichtigung der psychischen Gesundheit an erste Stelle zu positionieren, halte ich auf Dauer für problematisch. Denn ein Ende ist vorerst nicht in Sicht, und wer weiß, vielleicht steigt die Tendenz der Couch-Potatoes auch nach Überleben der Erdbeerwoche weiter, anstatt zu sinken. Das ganze hat schließlich auch Vorteile: allen voran bequeme Kleidung.

Corona-Lookbook 2020

In meinem Umfeld ist mir ganz besonders eines aufgefallen: Ganz nach dem Motto „mit Bauchschmerzen zieh ich mir lieber eine Jogginghose an als Jeans und Blazer“, entmündigt uns unsere neue Freundin jeglichen Stilbewusstseins. Ich bin durchaus ein Fan der Streetwear-Trends, die Jogginghose und Hoodie beinhalten, allerdings finde ich doch, Abwechslung muss sein. Aber wozu? Mein Tagesrhythmus besteht aus essen, schlafen, Laptop und ab und zu den notwendigen Gang zum Supermarkt, der dann sogar mein Highlight ist. Nun aber die Motivation aufzubringen, dafür den trendigen Schlabber-Look gegen die beim Online-Shopping ergatterte Boyfriend-Jeans und das Spitzentop zu tauschen, zu dem doch die neuen Boots so gut passen, ist durchaus schwer. Schließlich liegt der Sneaker mit Jogginghose doch genauso im Trend. Also wird Aufwand gegen Nutzen gerechnet, die Jacke übergezogen und das neue Outfit bleibt im Schrank.

Natürlich gibt es auch die Gegenposition: ich ziehe meine neuen Klamotten in den Supermarkt an, weil ich sonst sowieso nirgends hin darf. Immerhin muss meine Ersatzbefriedigung namens Online-Shopping sich wenigstens ein bisschen gelohnt haben. Aber ist das den Aufwand wert? Denn seien wir mal ehrlich, die nette Frau vom Bäcker, oder die Oma, die auf der Suche nach der letzten Packung Toilettenpapier den Gang zum Discounter wagt, ist wohl eher nicht die präferierte Zielgruppe, für die Modebegeisterten unter uns. 

Nun bleibt es abzuwarten, ob dieser Bequemlichkeitsgedanke auch weiterhin unsere Kleiderschränke zu dominieren droht, ober ob gerade diese Erfahrung unser aller Wagemut und Vorfreude weckt. Immerhin hat uns unsere Freundin ein neues Accessoire zur Vervollständigung unseres Looks mitgebracht. 

Die etwas andere Feuchtigkeitsmaske

In weiter Ferne erinnere ich mich an die Zeiten, in denen es hieß: „Schlüssel, Handy, Geld. Hab alles.“, denn davon sind wir inzwischen kilometerweit weg. Ohne Maske, bzw. zugelassenen Mund-Nase-Schutz, ist das Betreten in kaum einem Geschäft mehr zulässig. Nicht einmal die Fußgängerzonen erlauben es uns, gefahrlos durchzuatmen. Es ist kaum vorstellbar, dass vor nicht allzu langer Zeit das Tragen von Masken zum Schutz vor dortiger Luftverschmutzung fast ausschließlich im asiatischen Raum heimisch war. Heute werden wir alle zu Polizisten, sehen wir jemanden ohne Maske beim Einkaufen. Zu Recht! Die Maske ist unangenehm, unpraktisch und nach kurzer Zeit ekelhaft durchnässt, doch sie ist sinnvoll. Nicht nur (aber natürlich vor allem) zum Schutz vor Corona, sondern auch vor einfachen Erkältungsviren, tragen wir das Äquivalent zu Damenbinden vor Mund und Nase. 

Die Resistenz gegenüber des Virus` ist nur dann gegeben, wenn mein Gegenüber ebenfalls eine, im besten Fall nicht als Feuchtigkeitsmaske umfunktionierte Maske trägt. Diesen Winter sind die Zahlen der Grippe-Infektionen erheblich niedriger als sonst! Bedeutet das, Masken könnten in Zukunft auch bei uns an der Tagesordnung stehen? Auch, wenn mehr als die Hälfte von uns ein Wärmekissen gegen Corona haben? Oder liegt die niedrigere Zahl am Abstand?

Persönlicher Sicherheitsabstand

Ein Freund weiß meistens, dass es für alle Beteiligten sicherer ist, zur menstruierenden Freundin Abstand zu halten. Die Großfamilie hinter mir im Supermarkt, weiß das erst seit der Pandemie. Eine Wagenlänge Abstand mindestens! Das Misstrauen gegenüber unseren Mitmenschen in dieser schweren Zeit ist durchaus traurig. Wir wollen niemandem zu nahe kommen, wenn nicht alles desinfiziert wird und am besten eine Plexiglasscheibe dazwischen steht. Allerdings bin ich alles andere als traurig, wenn das Gedränge an den Kassen, oder vielleicht sogar in den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück ginge. Unabhängig vom Infektionsschutz, ist es unangenehm, wenn man das Gefühl hat, die nächste Person in der Reihe möchte am liebsten im eigenen Einkaufswagen mitfahren. Durch Frau Covid, ist auch diesen Kuschel-Bedürftigen häufig klar geworden, dass persönlicher Sicherheitsabstand nichts Schlechtes ist, und ich hoffe wirklich, wir können dieses Verhalten auch n.C. beibehalten.

Händewaschen, Händewaschen, kann doch jedes Kind…

Nicht nur die Wagenlänge Abstand, sondern auch das Gefühl, die Menschen sehen endlich einen Grund deren Griffe zu desinfizieren, oder schlichtweg Hände zu waschen, sind durchaus Vorteile im Zeitalter der Dauermenstruation. Nach dem Busfahren, nach dem Einkaufen, oder nach dem Toilettenbesuch seine Hände zu reinigen, ist offensichtlich nicht für jeden schon immer Alltag, doch seit neustem gibt es ja die Pandemie, da macht das dann schon mehr Sinn, immerhin macht die ja krank, anders als Erreger aus Bus, Bahn und öffentlicher Toilette. 

Ich will gar nicht mehr zu diesem Thema sagen. Die 3-Jährigen im Kindergarten haben nämlich einen guten Tipp: „Händewaschen, Händewaschen, kann doch jedes Kind, Händewaschen, Händewaschen, geht auch ganz geschwind!“

Generation Zoom

Einen Workshop zu diesem Thema braucht hoffentlich niemand, denn das wäre, wie alles andere, was mehr als zwei Hausstände betrifft, derzeit nur über Zoom möglich. Und das ist meiner Meinung nach, als versuche man einen Tampon durch ein Abbild dessen zu ersetzen. Unmöglich. Aber notwendig.

Ob im Berufsalltag, in der Schule oder im Studium, überall muss auf Präsenzveranstaltungen verzichtet werden, um den Infektionsschutz zu gewährleisten. Dass diese Maßnahmen aber gravierende Folgen haben, denen entgegengewirkt werden muss, scheint die Politik erstmal aufzuschieben. Für Schule und Beruf kann ich nur in geringen maßen sprechen, für Studium dafür umso mehr. Als Erstsemester wie ich, freut man sich auf Ersti-Treffen, große Vorlesungssäle mit neuen Leuten und Kneipentouren. Was wir dieses Jahr stattdessen bekamen, waren Rückenschmerzen, Augenprobleme, Kopfweh und Depressionen. Eine Schmerztablette macht das alles nicht wett. 

Ich weiß nicht, ob das in Präsenzsemestern auch so ist (ich hatte nämlich noch keines), oder ob ich schlichtweg unfähig bin, aber 6 bis 9 Stunden pro Tag ausschließlich vor dem Bildschirm halte ich nicht für sinnvoll, weder in Bezug auf das Verständnis von Inhalten, noch auf unsere physische oder psychische Gesundheit. Nicht nur, dass wir mehr oder weniger gezwungen sind, uns alles allein durch asynchrone Videoaufzeichnungen beizubringen, die vollgestopfter sind als ich nach dem Weihnachtsraclette, sondern es fehlt uns auch jegliche soziale Interaktion mit Gleichgesinnten.

Sei es eine kurze Verständnisfrage, oder das Arbeiten in Lerngruppen, Zoom- und Textverkehr können reales Zusammenarbeiten nicht ersetzen. Auch Übermengen an Lernmaterialien kompensieren das Fehlen von Live-Vorlesungen nicht. Ich will hier keinen Vorwurf machen, denn ich denke unsere Professoren versuchen das Bestmögliche aus der aktuellen Situation zu machen, leider hilft das oft nicht viel, und führt zur Überforderung.

Meine Hoffnung: Sobald wie möglich Präsenz! Und nicht vor dem Gedanken „Zoom ist entspannter, dann lade ich einfach noch zusätzlich Mengen an Materialien hoch“ kapitulieren, oder, dem Äquivalent der Arbeitswelt „Zoom ist billiger als Büros, Homeoffice somit produktiver“. 

Wir befinden uns alle in derselben Lage. In einer Situation, die wir aktuell nur wenig beeinflussen können. Wir können das Bluten nicht verhindern, wir können nur versuchen es unter Kontrolle zu halten. Es gilt zu warten. Zu warten, bis wir wieder zum Alltag zurückkehren können, zu warten, ob es eine neue Form des Alltags geben wird.

Autorin: Madelaine Wilma