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Rezension: Frühstück bei Tiffany – Kino für die Ohren

Schillernd, manchmal kurios, aber immer packend und berührend. Unter der Leitung von Enrico Delamboye machten sich die Nürnberger Symphoniker vergangenen Montag musikalisch auf die Reise durch legendäre Filme wie Out of Africa, Forrest Gump, Doctor Zhivago, E.T. und vielen mehr. Es war eine erste Annäherung an die neue Normalität der klassischen Kulturszene.

Bild: funklust e.V.

Es war nicht das kalte und wolkenverhangene Sommerwetter, das vergangenen Montag bei allen Anwesenden Gänsehaut erzeugte – es war die Musik, die an diesem herrlich entspannten Abend durch den Serenadenhof schallerte. Die lauschige und grüne Location beim Nürnberger Dutzendteich war am 05.07.2021 Schauplatz des zehnten Serenadenkonzerts der Nürnberger Symphoniker: Frühstück bei Tiffany – Kino für die Ohren

Der Herzschlag des Films

Den Abend eröffneten die wuchtigen Trompeten der 20th Century Fox Fanfare. Hollywood-Legende Alfred Newman komponierte das bekannte Thema 1933. Direkt danach startete die Filmmusik-Reise im Jahr 1958. Mit dem Soundtrack zu The Big Country lieferte Jerome Moross die Musik zu einem der komplettesten klassischen Italo-Western.  Direkt im Anschluss legten die Blechbläser kraftvoll und heroisch mit Star Wars nach. Es sollte nicht das letzte Werk von Altmeister John Williams an diesem Abend sein. Moderator Lucius Hemmer betrat nun die Bühne. Nachdem er einige misslungene Witze über die vergangenen Pandemie-Monate machte – das Publikum reagierte sichtlich müde gegenüber derartigen Scherzen – kündigte er das nächste Stück an. Unfehlbar verzauberte Oscarpreisträger Ennio Morricone mit Gabriel’s Oboe aus dem Geschichtsdrama The Mission. Bei derartig gefühlvollen Melodien wird einmal mehr die Funktion von Filmmusik deutlich. Filmmusik ist mehr als nur eine funktionale Verbindung zwischen Bild und Ton. Filmmusik beeinflusst die Stimmung und stimuliert durch expressive Funktionen die Gefühle derart, dass Handlungsführungen kaum missverstanden werden können. Filmmusik ist der Herzschlag eines jeden Films und intensiviert zweifelsohne das gesamte Kinoerlebnis.

An einem Konzertabend, bei dem Vertreter zeitgenössischer Filmmusik im Vordergrund stehen, darf natürlich auch ein Klassiker nicht fehlen: Bond. James Bond. Das berühmte Main Theme der Pistolenlauf-Sequenz ist ein One-Hit-Wonder von Jazzmusiker Monty Norman. Das erste Mal war es in Dr. No, dem ersten der Teil der legendären Spionage-Reihe, zu hören. Der nächste Programmpunkt wurde mit einem laxen Vergleich mit einem ZDF-Fernsehabend und der Traumschiff-Serie anmoderiert: Lara’s Theme aus Doctor Zhivago von Maurice Jarre. Im Anschluss wurde das Publikum mit einem Schaudern in die Pause entlassen. Bernard Herrmanns schaurige Musik zu Alfred Hitchcocks Meisterwerk Psycho ist der Beweis dafür, dass Filmmusik nicht immer harmonisch-melodisch sein muss um in Erinnerung zu bleiben. Dissonanzen in allen Streicher-Gruppen sind ganz dem Effekt der Suspense gewidmet. Die Teilwirkung von Filmmusik macht sich auch hier bemerkbar: Sie muss gar nicht gefallen, allein der Einsatz von tiefen und schrillen Klängen erzeugt eine bedrohliche Grundstimmung.

Schlechte Witze trüben paradiesische Zugaben

Auch die zweite Hälfte war geprägt durch echte Schwergewichte der Filmmusik. Den Wiederanpfiff markierte Cathy’s Theme aus Wuthering Heights von Alfred Newman. Die klagenden Streicher erinnern zweifelsohne an das Feeling uralter schwarz-weiß Filmklassiker – herzzerreißend! Gewitzt und frisch folgte Miss Marple. Mit den wunderbar sehnsuchtsvollen und romantischen Klängen aus Out of Africa entführte das Orchester der Nürnberger Symphoniker das Publikum ins warme Kenia. Deutlich erkennbar: Am Pult hatte Dirigent Enrico Delamboye merklich Spaß. 

Die Entstehungsgeschichte des nächsten Soundtracks hat ihren Ursprung in einer sagenhaften Wette. 1927 wettete der Dirigent Nikolai Malko mit dem Komponisten Dmitri Schostakowitsch um 100 Rubel, dass es nicht möglich sei, den Broadway-Megahit Tea for Two in weniger als einer Stunde zu orchestrieren. Schostakowitsch ging die Wette ein und schrieb in 45 Minuten eine Orchester-Version des Liedes. Seine Version, der Tahiti-Trot op. 16, ist seither sehr populär. Anschließend folgte eine instrumentale Version des Klassikers Moon River von Henry Mancini. 

Alan Silvestris Soundtrack zu Forrest Gump war auch mit von der Partie. Vollkommen fehl am Platz war hier der Vergleich Gumps mit Donald Trump: Robert Zemeckis Meisterwerk aus dem Jahr 1994 sei eine Realverfilmung vom Leben des ehemaligen US-Präsidenten. Die Dramaturgie vom Witz war entsprechend aufgebaut, sodass Hemmer zahlreiche Lacher aus dem Publikum einheimste. Wobei es doch ernsthaft zu hinterfragen gilt, den machthungrigen Republikaner mit einem anderen dümmlichen Irren aus der fiktiven Welt zu vergleichen, dessen Charaktereigenschaften wie das genaue Gegenteil wirken: liebevoll und fürsorglich.

Brachial ging der Abend mit dem klassischen Superman March von John Williams offiziell zu Ende. Die erste Zugabe stammt aus einer von vielen Zusammenarbeiten zwischen Regisseur Steven Spielberg und Stammkomponist John Williams: E.T. the Extra-Terrestrial. Mit dem euphorischen 1492: Conquest of Paradise von Vangelis lieferten die Nürnberger Symphoniker zum endgültigen Abschluss nochmal ein wahres Highlight!

Es war insgesamt kein perfekter aber ein schöner und erholsamer Konzertabend. Musikalisch war er fehlerfrei und das Publikum fühlte sich offensichtlich unterhalten – man konnte sich zurücklehnen und genießen. Und das ist die Hauptsache. Gewöhnungsbedürftig waren zuweilen die befangenen Moderationen. Alle Titel außer Schostakowitsch sind arrangiert von Nic Raine. Der Brite genießt in der Szene ein hohes Ansehen und tourt jedes Jahr um die Vorweihnachtszeit mit dem Klassik Radio Pops Orchestra durch Deutschland und präsentiert die schönsten Klassiker der großen Welt der Filmmusik. Alle Orchestermitglieder hatten sichtlich Spaß und jede Instrumentengruppe war in den entscheidenden Momenten ordentlich zu hören – auf eine elektronische Soundverstärkung wurde bei diesem Konzert verzichtet. Wie die Erfahrung zeigt, sind bei klassisch-konzertanten Aufführungen in Sälen oder Hallen entweder der Live-Ton schlecht abgemischt oder die Mikrofone suboptimal platziert. Jede einzelne Person auf der Bühne schaffte es auch ohne Unterstützung den Raum mit ausreichend Klang zu füllen.

Noch bis 1. August 2021 kehren die Nürnberger Symphoniker auf die Bühne der einzigartigen Open-Air-Spielstätte zurück. Der Musiksommer im Serenadenhof beinhaltet ein Programm mit großer musikalischer Bandbreite.

Autor: Sebastian Schroth