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Flügel für Laura Gröll

Seit ihrem ersten Sprung über die Latte ist Laura klar: Hochsprung ist für sie mehr als nur ein Hobby. Mittlerweile ist sie sogar Deutsche Meisterin – doch der Weg dorthin war nicht immer leicht.

Bild: https://www.instagram.com/laura_groell/

Laura trägt heute etwas mehr Make-Up als sonst. Ihre Haare sind nach hinten geflochten und fallen ihr in leichten Wellen in Nacken. Sie fühlt sich gut, die Uniklausuren hat sie erst letzte Woche hinter sich gebracht. Ihr Kopf ist frei. Sie steht an der Anlaufmarke der Deutschen Hallenmeisterschaften 2020 im Hochsprung und sieht noch einmal auf ihre Pink lackierten Nägel. Es ist das gleiche Pink, das sie 2017 trägt, als sie ihre Bestleistung von 1,88 m springt. Auch heute soll es ihr Glück bringen. Ihr Blick wandert nach vorne: „Sobald ich an dieser Marke stehe und die Latte anschaue, bin ich raus. Ich höre nicht mehr, ob mir Leute zujubeln. Ich bin dann in meinem Tunnel und sehe nur die Hochsprunganlage.“ Laura nimmt Anlauf und springt. 1,86 m und die Latte bleibt liegen. Damit hat sie es geschafft: Sie ist Deutsche Hallenmeisterin 2020. Auf den Rängen liegen sich ihre Eltern in den Armen und auch Laura fängt vor Freude an zu weinen. Ihre erste Medaille bei den Erwachsenen! Und ein Titel, der sie ein kleines Stück näher an ihren Traum bringt: Olympia 2024.

Schon immer mehr als nur ein Hobby

Seit ihrem ersten Wettkampf mit neun Jahren ist der Hochsprung für Laura aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken. „Viele sagen, dass es dieses Fliegen ist. Aber mich fasziniert die Tatsache, dass so viele Kleinigkeiten stimmen müssen“, erklärt die 23-Jährige. „Du springst mal einen halben Fuß weiter weg ab und der ganze Sprung sieht anders aus.“ 

Nach ihrem Abitur beginnt für Laura ein neues Kapitel in München. Hier beginnt sie ihr Studium und wechselt von der LG Eckental zur LG Stadtwerke München. Laura ist motiviert, gespannt und vor allem voller Energie. Doch dann lässt ein Fußbruch ihre Träume erstmal platzen. Statt mit ihrer Gruppe zu springen, muss Laura ihnen beim Training zusehen. „Ich kann mich noch an eine Einheit erinnern, ich habe Intervalle auf dem Ergometer gemacht und sie hatten eine Technikeinheit auf der Anlage. Alle sind richtig gut gesprungen – jede von ihnen. Ich wäre am liebsten nach Hause gegangen. Das hat wehgetan, sehr wehgetan.“  

Sturz statt Höhenflug

Es folgt eine schwierige Zeit für Laura. Neben ihrer Verletzung muss sie nun auch Studium, Job und Haushalt unter einen Hut bringen. Als sie wieder trainieren kann, setzt sie sich mehr und mehr unter Druck. „Es gab Zeiten, in denen ich nach einem Wettkampf drei Tage down war. Und habe einfach nicht verstanden, warum das nicht läuft, weil ich immer erfolgreich war in meiner Jugend.“ Sie beginnt mit ihrem Trainer und neuen Freund:innen über ihre Situation zu sprechen: „Ich hatte keine einfache Schulzeit, da konnte ich nie jemanden etwas erzählen. Und dann bin ich nach München gekommen und konnte mich öffnen. Das zu lernen war eine so schöne Erfahrung.“ 

Eine neue Perspektive

Nach und nach kämpft sich Laura zurück und arbeitet nicht nur an ihrer sportlichen Leistung, sondern vor allem an ihrer Einstellung. Statt sich auf das Negative zu konzentrieren, versucht sie ihren Fokus auf die kleinen Highlights zu lenken: ein strukturierterer Anlauf als beim letzten Sprung oder auch mal die neun Spikes. Diese Leichtigkeit beflügelt sie bis zur Deutschen Hallenmeisterschaft 2020. Als ihr der Titel bereits sicher ist, lässt sie die Latte für ihren letzten Sprung auf 1,90 m setzen. Eine Höhe, an der sie sich die Jahre davor verkrampft festgehalten hatte. Dieses Mal steht Laura ihr anders gegenüber. „Ich stand am Anlaufpunkt und habe nur noch gegrinst. Weil es mir so viel bedeutet hat, dass ich diese Höhe wieder versuchen durfte. Der Moment war so magisch und unvorhersehbar für mich. Es war Wahnsinn. Ich war frei.“

Bild: https://www.instagram.com/laura_groell/

Nach diesem Highlight muss Laura knapp ein Jahr später erneut eine schwere Verletzung am Fuß einstecken. Doch statt sich daran aufzuhängen, bleibt sie positiv und freut sich über jeden kleinen Erfolg während ihrer Reha. „Es fühlte sich so an, als würde ich neu laufen lernen. Als würde mich eine Wolke davontragen.“ Eine Wolke, die sie in zwei Jahren vielleicht zu ihrem Traum Olympia 2024 bringen wird. „Allein das Gefühl dabei zu sein und beflügelt zu werden vom Olympic-Spirit, von dieser Umgebung und dieser Magie – schon allein das wäre ein riesen Gewinn. Deswegen stecke ich so viel Energie und Zeit in das Training. Weil ich es selbst erleben will, weil ich so verzaubert bin von Olympia.“

Autorin: Anna Knake