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Obstsalat in der Betonschüssel – 5 Gründe, warum die Love on Tour ein Erlebnis war

Harry Styles war diesen Sommer auf Europa-Tournee. Während er nun in Amerika die Hallen füllt, wurden schon die nächsten Daten in Europa angekündigt. Die Tickets sind heiß begehrt und das Internet ist voll von Konzert-Ausschnitten. Aber warum will jede:r zu Harry Styles? Unsere Redakteurin Kaja war bei den Shows in Hamburg und München und liefert 5 Gründe für die Faszination Love On Tour.

Bild: Nadja Aumüller (@omillershots)

1. Die Fans

Wäre ich ein alter männlicher Konzertkritiker, würde ich diesen Punkt vermutlich in einem Satz abhandeln: Kreischende Groupies, die ihren Celebrity-Crush anhimmeln. Ich glaube aber nicht, dass diese Oberflächlichkeit dem Fandom gerecht wird.

Ein Großteil der Fans ist schon jahrelang dabei, sie sind mit Harry und One Direction erwachsen geworden. Immerhin sind es jetzt schon 12 Jahre, seitdem Harry als Sechzehnjähriger mit der Boyband weltweit berühmt wurde. Die größte Stärke ist seitdem das starke Netzwerk des riesigen Fandoms, mit dem sie einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Musiker haben.

Auf diese Art begegnen sich auch die beiden Parteien auf dem Konzert. Harry nimmt die überwiegend jungen Frauen ernst. Sie sind kein passiver Teil der Show, die nur dazu da sind, ihr Idol zu bejubeln, sondern aktives Element, ohne das die Tour nicht dieselbe wäre.

2. Die Outfits

Je näher man der Halle kam, desto verrückter wurden die Outfits der umherlaufenden Menschen, und desto mehr Federn lagen auf dem Boden.

Denn viele Fans haben sich von Harry inspirieren lassen. Seit einiger Zeit gilt er mit seinen genderfluiden Outfits selbst als Mode-Ikone, war der erste Mann auf dem Cover der Vogue und hat bei seinem Auftritt bei den Grammys die Federboa zurück in den Trend gebracht. Logisch, dass im Publikum jede:r zweite eine Federboa trägt. Einige haben sich auch passend zu den fruchtlastigen Songs “Cherry”, “Kiwi”, “Grapejuice” und “Watermelon Sugar” gekleidet, sind mit pinken Cowboyhüten oder in Kuh-, Dinosaurier-, Bananen- und Wassermelonen-Kostümen gekommen. Obstsalat in der Betonschüssel eben. Selbst die Väter vieler Fans wurden von ihren Kindern passend eingekleidet.

Jede:r, egal wie dick, dünn, groß oder klein sie:er war, konnte tragen, was sie:er will, ohne schräge Blicke dafür abzubekommen. Alle sind auf der Love on Tour willkommen.

3. Die Interaktionen

Die Shows leben von den Interaktionen mit Harry, die häufig durch Plakate entstehen. So spielt er dann mit Fans Schere, Stein, Papier, macht Staring-Contests, liest Witze vor, gibt Beziehungstipps, hilft bei Verlobungen oder macht Gender Reveals. 

Bei manchen Shows wie in Hamburg entsteht ein ganz besonderer Moment im Stadion, wenn jemand ein Schild mit “Help me come out, please” in die Höhe streckt. Es ist zum Ritual geworden, dass Harry ankündigt: „When this flag goes above my head, you’re officially out.” Unter Trommelwirbel schwenkt er eine Regenbogenflagge durch die Luft, bis er sie schließlich über seinen Kopf reißt und mit einem “Freedom!”-Ruf für tosenden Applaus und tränengefüllte Augen im Stadion sorgt.

Ein großer Teil des Fandoms ist nämlich Teil der LGBTQ*-Community. Die Fans werfen keine Unterwäsche auf die Bühne, sondern Pride-Flaggen.  Schon seit der One Direction-Zeit, aber vor allem seit Beginn seiner Solo-Karriere hat Harry immer wieder betont, dass seine Konzerte ein Safe Space sind. Bei seiner Show in Oslo, die wenige Tage nach dem Anschlag auf eine Gay-Bar stattfand, hat er in einem langen Monolog deutlich gemacht, wie wichtig ihm diese bunte Familie ist.

4. Rituale im Publikum

Und dieses Publikum hat Ausdauer. Vom Innenraum bis in die allerletzte Reihe springen alle, wenn Harry zu “15 minutes of straight dancing” im Disco-Medley auffordert. Hier bilden sich dann überall, wo dafür Platz ist, Polonaisen, die munter durch die Halle hüpfen. Da schließen sich sogar die Securities an.

In diesen 15 Minuten wird klar, wieso der Titel Love on Tour gerechtfertigt ist: Die positive Energie ist fast greifbar, wenn man in all die strahlenden, umherhüpfenden Gesichter blickt.

Wenn die Stimmung dann zwischendurch melancholisch wird, müssen ganz andere Maßnahmen ergriffen werden, um den Song so richtig zu fühlen. Da legt sich der eine oder die andere gerne mal auf den Boden, um sich den Emotionen voll und ganz hinzugeben.

Der lauteste Moment des ganzen Konzertes ist allerdings immer in der Bridge vom aktuellen Hit „As it was“, wenn das ganze Stadion “Leave America” brüllt. Denn der Fandom außerhalb Amerikas fühlt sich oft vernachlässigt, da Harry dort im Vergleich zu allen anderen Kontinenten überproportional viele Shows spielt.

Einige Fans haben für die vier Konzerte in Deutschland kein Ticket mehr bekommen. Da Harry während der Pandemie immer beliebter wurde, die Hallengrößen aber größtenteils nicht verändert wurden, hätte man in München mit all den Menschen, die vor der Olympiahalle noch Tickets gesucht haben, nochmal ein ganzes Stadion füllen können.

Anstatt traurig nach Hause zu gehen, haben sie aber vor der Halle einfach ihr eigenes Konzert gefeiert. Auch nach den Shows ging die Party draußen weiter, in vielen Städten hat ein Straßenmusiker Songs von Harry und One Direction für alle gespielt, die den Abend noch nicht zu Ende gehen lassen wollten.  

5. Harry Styles

Harry Styles ist der Rockstar der Gen Z: Er ist die Antithese zur Toxic Masculinity. Er ist woke, setzt sich immer wieder für politische Anliegen ein, platziert in der Zugabe in Hamburg ein Schild mit “My Body, My Choice” vor dem Schlagzeug seiner grandiosen Band.

Die ist mit ihrer diversen Besetzung leider immer noch eine Seltenheit. Wenn sie mit dem energiegeladenen, umherspringenden Harry für die großen und kleinen musikalischen Momente im 90 Minuten langen Konzert sorgt, sind sogar die Eltern der Fans begeistert und erinnern sich an die Idole ihrer Jugend.

Harry beweist: Es gibt sie immer noch, die stadionfüllenden Superstars.

Die Love on Tour wäre nicht dieselbe ohne den Mann, für den sich alle im Stadion versammelt haben. Harry ist der geborene Entertainer, zieht mit seinem Charisma jede:n in seinen Bann. Die besondere Atmosphäre entsteht nicht nur durch die Fans, sondern auch durch ihn. Er verkörpert durch sein eigenes Auftreten das Gefühl, dass in diesem Raum jede:r so sein darf, wie sie:er will. Bei der Love on Tour werden tausende Fremde zu einer bunten Familie, die jeden Abend aufs Neue einen Raum für Toleranz und Freiheit schafft.

Autorin: Kaja Lübeck