Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, Dolph Lundgren… Die Actionhelden der 80er werden mittlerweile alt. Da wäre es doch einmal an der Zeit, dass neue Held:innen nachkommen und vielleicht auch mal die männerdominierte Szene etwas aufgebrochen wird. Der neue Netflix-Film “Interceptor” verspricht genau das. Aber kann er auch mit den Urgesteinen mithalten?
Ich erwarte von Netflix-Filmen mittlerweile nicht mehr sonderlich viel. Die meisten von ihnen sind ziemlich belanglos, oder sogar ziemlicher Mist. Besonders wenn sie als Nachfolge oder Neuauflage von Klassikern beschrieben werden, runzle ich meistens die Stirn und ignoriere sie dann einfach. Aber manchmal möchte ich mich nur berieseln lassen. Da braucht es einen Film, der nicht sonderlich viel verspricht, aber interessant genug klingt, um einfach mal zuzuschauen. Interceptor hat genau das beschrieben: Eine Action-Heldin “à la Schwarzenegger”. Den Ansatz gibt es ungefähr genauso häufig, wie es Filme von eben jenem Arnold gibt. Die meisten davon sind damit eher mäßig erfolgreich gefahren und in derselben Bedeutungslosigkeit gelandet, wo auch die meisten anderen Netflix-Produktionen landen. Also erstmal keine sonderlich gute Grundvoraussetzung für Interceptor.
Die Handlung ist sehr simpel gehalten. Terroristen nehmen ein paar Nuklearwaffen ein und drohen damit, diese auf die USA abzuschießen. Das Setting spielt quasi ausschließlich auf einer “Atomraketen-Abfang-Station” irgendwo im Pazifik. Da nur zwei dieser Stationen existieren, die in Frage kommen, um die Bedrohung abzuwenden, und mit der anderen der Kontakt verloren gegangen ist, ist diese Bohrinsel-ähnliche Station die letzte Hoffnung der bedrohten Städte. Nachdem auch diese Insel von derselben Gruppe angegriffen wird, hängt das Schicksal der Vereinigten Staaten nun von einer einzigen Heldin, gespielt von Elsa Pataky, ab. Mehr gibt es dann auch nicht mehr dazu zu sagen. Wer von einem Actionfilm, der sich mit Schwarzenegger- oder Statham-Filmen vergleicht, mehr erwartet, kann hier aufhören weiterzulesen. Dann ist der Film nämlich nicht empfehlenswert.
Wer sich aber gute Action und eine solide Darstellerin erhofft, kann sich glücklich schätzen. Davon hat der Film nämlich genug. Die Hauptdarstellerin war mir bereits durch Fast & Furious bekannt. Dort hatte sie zwar nicht sonderlich viel Screentime, hat aber schon gezeigt, wie es mit ihrer Karriere weitergehen könnte. Sie spielt hier eine Soldatin, die in eine vermeintlich bedeutungslose Stelle versetzt wird, nachdem sie ihren ehemaligen Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung angezeigt und im Anschluss daran Morddrohungen erhalten hatte. Ihre Performance ist nicht wirklich außergewöhnlich, aber in Anbetracht des Themas spielt sie sehr solide. Die restlichen Charaktere sind ziemlich austauschbar, aber das ist in dem Fall nicht wirklich negativ. Einzig und allein Chris Hemsworth ist ein witziger Bonus und lockert die Ernsthaftigkeit immer mal wieder auf. Die Actionsequenzen sind genau so, wie ich von so einem Film erwartet habe. Gut inszeniert, nicht wirklich besonders, aber auch nicht unübersichtlich oder verwirrend. Tatsächlich hält sich das Ausmaß der Action sogar in Grenzen und wird nicht überstrapaziert. Untermalt wird das Ganze sehr gut durch die Musik. Obwohl durchgehend offensichtlich ist, wie der Film ausgehen wird, hält die musikalische Untermalung die Spannung durchgehend oben und wirkt nicht zu episch oder übertrieben.
Letztendlich habe ich zwei größere Kritikpunkte: Erstens ist der Film an einigen Stellen viel zu patriotisch! Das war zwar irgendwo zu erwarten, aber wenn man schon die Strukturen im Militär der USA anprangert, dann könnte man den Patriotismus eventuell auch etwas runterdrehen und die Kritik noch etwas mehr auf. Die Themen werden nur an der Oberfläche angekratzt und der Film hätte sich gerne etwas mehr Zeit nehmen können, die Problematik zu thematisieren. Trotzdem sei gesagt, dass ich es dem Film zugute halte, überhaupt so etwas zu thematisieren und seine Hauptfigur so in Szene zu setzen. Sie wirkt sehr tough und steht den “klassischen” Actionhelden in nichts nach. Außerdem versucht der Film nicht zwanghaft feministisch zu sein, oder einfach auf den Zug aufzuspringen, jetzt eine Frau in eine männerdominierte Rolle zu setzen, sondern arbeitet mit sehr viel Selbstverständlichkeit. Zweitens kann sich der Film zeitweise nicht entscheiden, ob er ernst oder witzig sein möchte. Der Ton ist noch nicht so ganz ersichtlich. Der Film ist zu wenig skurril, um witzig zu sein und zu wenig seriös, um wirklich ernsthaft zu wirken. Positiv ist hingegen anzumerken, dass er nicht zu lang ist. Actionfilme neigen häufig dazu, etwas aufgeblasen zu werden und von 120 min nur 60 min effizient zu nutzen. Das ist hier nicht so: Die 108 min werden gut genutzt und fühlen sich weder langweilig noch unnötig an.
Wem würde ich also Interceptor empfehlen? Letztendlich allen, die einen Film suchen, bei dem sie nicht viel nachdenken müssen und sich einfach berieseln lassen können. Fans von den eingangs genannten Actionfilmen der 80er oder 90er können sich hier über eine solide moderne Interpretation der altbekannten Formel freuen. Er hat seine Schwachstellen, aber ist auf jeden Fall eine Empfehlung wert – vor allem, weil er hält, was er verspricht – und hat von mir eine Bewertung von 6,5/10 Punkten verdient.
Autor: Moritz Meckl