Album der Woche funklust web

Album der Woche KW 6: Little Simz – NO THANK YOU

Bild: Jameela Elfaki / Guardian
Little Simz, die Ausnahmekünstlerin und Kämpferin

12.12.22. Mitten in ihrer Europatour droppt Little Simz aus London ihr neues Album “NO THANK YOU,“ und das Ganze auf Instagram, ohne Werbebegleitung der Tochterfirma von Sony, die für sie die Musik vertreibt. So ein rabiater Schritt ist selbst für eine bereits erfolgreiche Künstlerin wie Little Simz nicht einfach zu bewerkstelligen. Alleine die finanziellen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind immens,  so ist das MusikBiz . Aber mit diesem Album zieht sie einen Schlussstrich, sagt ganz klar “NEIN” zur Musikindustrie und “JA” zum eigenen künstlerischen Schaffen. 

Für alle, die sie noch nicht kennen:

Little Simz, die Künstlerin mit eigenem Label, zeigt seit Jahren, dass sie es draufhat. 2021 wurde das Album “SOMETIMES I MIGHT BE INTROVERT“ mit dem BRIT Award ausgezeichnet und sie als Best New Artist gekürt. Obwohl das vielleicht für Verwirrung sorgt, denn die Künstlerin ist schon seit 2010 musikalisch aktiv und besitzt seit 2014 ihr eigenes Label Age 101 Music. Vielmehr hat das Musikbusiness versucht, sie zu vereinnahmen; Simz kam nun, und das gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, im Mainstream an. Doch gerade mal ein Jahr später rechnet die 28-jährige Künstlerin wieder mit der Industrie ab und findet dabei klare Worte: No thank you – also nein danke, so heißt das neue Album von Little Simz.

Ihr neues Album – eine Abrechnung mit Stil

Ihr Schritt, mal eben ein eigenes Album per Instagram-Ankündigung zu droppen, ist an sich eine brutale Aktion und wäre sicherlich nicht jedem Artist so einfach gelungen.  Die Entscheidung dazu sagt viel über den Charakter und die kämpferische Kraft der Künstlerin aus. Bereits seit dem Song, den sie am liebsten performt, “Point and Kill”, der mit einem Sample des berühmt-berüchtigten Fela Kuti daherkommt, spürt man, dass diese Frau mit angezogener Waffe auf ihre inneren Dämonen zielt. 

Ein kräftiges “No Merci” geht dabei an die Musikindustrie, die sie gleich mit ihrem ersten Song Angel wankelmütig angreift: “They don’t care if your mental is on the brink of something dark/As long as you’re cuttin‘ somebody’s payslip/And sendin‘ their kids to private school in a spaceship/ Yeah – I refuse to be on a slave ship.“ Sie hat also keinen Bock mehr, eine Industrie zu finanzieren, die sie ohne Rücksicht auf ihre Gefühle ausbeutet und aussaugt, damit sich die CEOs dieser Industrie ihr schönes Leben finanzieren können.

Musikalisch von Rap bis Gospel: eine göttliche Fügung

Musikalisch gesehen hat das Album einen Aufbau, den man mit der Metapher “Fanfaren und Trompeten” am besten beschreiben kann. Mit Trommelwirbel schießt sie ihren Rap heraus, dabei wird sie im Hintergrund  durch Soul-, Gospel- und Chor-Untermalung sanft begleitet. Dialektisch schwankt ihr Album hin und her zwischen Angriffslust und Selbstreflexion. Die Künstlerin denkt viel und fühlt viel, das merkt man dem Album an. 

Die Sounds stammen dabei mal wieder von ihrem rätselhaften Produzenten Inflo, der bereits Adele produziert hat und 2022 mit dem BRIT Award für den “Best Producer of the Year 2022” ausgezeichnet wurde. 

Beim zweiten Song Gorilla meint man gar, man sei in einem Spielfilm, so gut sind Sound, Arrangement und Rap kombiniert. Dabei gehört Sim Sim mit ihren mehrtaktigen Reimketten raptechnisch schon seit Jahren zu den Besten. Bei Gorilla wird sie durch ihre Wortgewalt selbst zum Affen, lässt sich aber nicht zum Affen machen: “Big time driller, monkey to gorilla/Who is this woman that I’m seein‘ in the mirror?/Drink ’42 and smoke cigar/Name one time where I didn’t deliver/Silent figure.” Dabei kracht im Hintergrund schrill der “Monkey-Sound“ und steht dabei sinnbildlich für den Käfig, aus dem sich Simz befreit. Balladenhaft schließt das Album mit Control und einer Bitte an eine unsichtbare Kraft, sie nicht loszulassen, was sicherlich auf ihre inneren Ängste und Zweifel hinweist und den Wunsch, alles wieder unter Kontrolle zu haben. 

Insgesamt wirkt das Album durch das Arrangement und die Textzeilen imposant – als würde Simz innerlich zum Riesen erwachen. Das musikalische Ziel ist klar: Sich selbst wieder “Confidents“ geben, Gott seine Ehre erweisen und die Bösen (die Musikindustrie) in ihre Schranken weisen.

Simz’ Album ist nicht nur eine Abrechnung – sie hat vor Monaten ihren langjährigen Manager rausgeschmissen. Auch ihre eigenen finanziellen Probleme, als Independent-Künstlerin zu überleben, und die Probleme, die sie auf persönlicher Ebene durchmacht, werden hier erfahrbar gemacht. Trotz Stärke-Zeigen nach außen, trotz britischer “Fuck you”-Schlagkräftigkeit, bleibt dennoch eine gewisse Melancholie und Betroffenheit im OFF des Albums zurück, die die Künstlerin aber noch nahbarer und authentisch macht.

Probs gehen heute raus für diese Ausnahmekünstlerin und ich wünsche ihr alles Glück der Welt für ihre zukünftigen Projekte. Over and out.

emotion is energy in motion.

honour your truth and feelings.

eradicate fear.

boundaries are important.

Little Simz‘ Albumankündigung auf Instagram

Hier könnt ihr euch das Video zu NO THANK YOU anschauen.

Autor: Dominik Fechner