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Album der Woche KW 14: Lana Del Rey – Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd

Persönlicher als je zuvor erleben wir Lana Del Rey in ihrem neuen Album “Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd”, das am 24. März erschienen ist.  Sie stellt uns ihre Familie vor, erzählt von Schicksalsschlägen, der Liebe und lässt uns tief in ihr Inneres blicken. Das neunte Studioalbum der 37-jährigen geht echt unter die Haut.

Bild: Universal Music

Lana Del Rey ist bekannt für ihre Songs über Liebe und Einsamkeit. In diesem Album jedoch legt sie nochmal einiges obendrauf und wird unglaublich tiefgründig. Gleich im ersten Song „The Grants“ geht es um das Leben nach dem Tod und die Verbundenheit mit geliebten Menschen. “My pastor told me when you leave, all you take/Oh-oh, is your memory.” Es geht in diesem Song um genau die Erinnerungen, die Lana mitnehmen würde, wenn sie von uns gehen müsste. Zum Beispiel das letzte Lächeln ihrer Großmutter oder die Erinnerungen an das erste Kind ihrer Schwester. Die letzten Zeilen der Bridge geben dem Ganzen nochmal einen positiven Touch, wenn sie singt „It’s a beautiful life/Remember that too for me.” Nebenbei stellt uns Lana, mit richtigem Namen Elizabeth Woolridge Grant, in „The Grants“ ihre Familie vor. „The Grants“ erschien bereits vor der Veröffentlichung des Albums als Promo-Tonträger. Die anderen beiden offiziellen Singleauskopplungen des Albums waren: „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd” und „A&W“.

Der Song „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd” ruft ein längst vergessenes Monument in Erinnerung. Lana Del Rey bezieht sich auf den Jergins Tunnel in Long Beach, California, der zum Strand führt. Dieser wurde 1928 eröffnet und fast 40 Jahre später geschlossen. Für sie ist der Tunnel ein Kunstwerk, das nun verlassen und vergessen ist. Sie selbst hat Angst davor, dass ihr dasselbe Schicksal droht. Deshalb strebt sie jetzt nach Liebe, um sich lebendig und präsent zu fühlen. Sie möchte, dass sich jemand an sie erinnert und ihr somit ermöglicht, sich selbst zu lieben.  

Im nächsten Song porträtiert Lana sich selbst: In „Sweet“ grenzt sie sich von einer „basic bitch“ aus dem Beverly Center ab. Sie ist anders: süß und barfuß. Sie richtet außerdem Fragen wie „Do you wanna marry me?“ an einen für uns Unbekannten in den Lyrics.

“A&W” hat es wieder in sich. Nicht nur mit seiner Länge von 7:13 Minuten, sondern auch aufgrund der textlichen Bedeutung. A&W steht für American Whore. In dem Song reflektiert Lana Del Rey ihr Leben, von ihrer Kindheit bis heute. Sie redet über das Aussehen, für das man als Frau meist sexualisiert wird. Sie spricht offen über ihre Unfähigkeit, eine gesunde Beziehung aufzubauen und spricht von ihrer Tendenz, Sex als Mittel zu benutzen, um Liebe zu verspüren. Nach ungefähr 4 Minuten gibt es einen Wechsel von düsterem Gitarrenpop hin zu einem Trap-Beat. Dieser stellt den zweiten Teil des Songs dar, in dem Lana von einer toxischen Beziehung mit einem Mann namens Jimmy redet. „Jimmy only love me when he wanna get high“.

Zwei weitere Songs des Albums, die mich berührt haben, sind “Kintsugi” & “Fingertips”. Kintsugi ist ein japanisches Kunsthandwerk, bei dem zerbrochene Keramik repariert wird. Das Besondere daran ist, dass die Reparatur nicht versteckt wird, sondern dass aus den Makeln neue Schönheit hervorgebracht wird. An dieser Symbolik gefällt Lana Del Rey besonders, wie sie im Interview mit Rolling Stone UK erklärte, “the idea of falling apart and rebuilding one’s life back even more beautifully.“ Die Inspiration für den Song bekam sie vom gemeinsamen Singen der Familie Grant am Bett ihres Großonkels im Hospiz. Sie erweitert diesen Moment mit anderen Erinnerungen ihrer Familie, redet über ihren Vater und Personen aus ihrem Datingleben. Grob zusammengefasst singt Lana Del Rey von der Sehnsucht nach zum Teil verstorbenen Familienmitgliedern und ihrem Umgang mit Trauer und Schmerz. Im Chorus wiederholt sie immer wieder die Phrase: „That’s how the light gets in“, womit sie die Lichtblicke im Leben beschreibt. 

In „Fingertips“ blickt sie sowohl auf ihre bereits vergangenen Lebensjahre zurück als auch nach vorne in ihre Zukunft. Sie wirft dabei Fragen in den Raum, die das menschliche Leben prägen. Wird meine Familie bei mir sein, wenn ich sterbe? Werde ich Kinder haben und kann ich damit umgehen? Auch hier erfahren wir als Zuhörer:innen wieder viel über Lanas Familie und sie selbst. 

Wie man bereits merkt, ist das Album um einiges persönlicher und auch tiefgründiger als ihre vorherigen. Die Musikwebsite Pitchfork schreibt, Lana Del Rey sei mit ihrem neuen Album auf einem „metaphorical mountaintop“ angekommen. Es kommt tatsächlich sehr nahe an ihr Meisterwerk, das Album “Norman Fucking Rockwell!”, heran. Sie sampelt sogar einen Song aus diesem Album in “Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd.” Die Sängerin ist nicht mehr darauf aus, den nächsten großen Radio-Hit zu produzieren oder ihre Popularität zu steigern. Das wird anhand ihrer Feature-Gäste klar, denn diese hat sie wirklich wegen ihrer Musik ausgewählt und eben nicht, um ihre Reichweite zu vergrößern. Unter anderem beinhaltet das Album ein Feature mit Judah Smith, dem Pastor der Hillsong Church. In “Judah Smith Interlude” hört man eine seiner Predigten, bei welcher er sich gegen die Lust ausspricht und die Liebe propagiert. Man weiß nicht, ob Lana diese durch ihr Lachen im Hintergrund ins Lächerliche ziehen will oder damit Zustimmung signalisiert. Auf jeden Fall drehen sich ihre Songs auch um beide Themen, also um Lust und Liebe. Musikalisch bleibt sie in ihrem Genre, also der Pop- und Rockmusik. Trotzdem hat sich in den letzten 15 Jahren einiges geändert und sie geht mehr vom Indie-Pop hin zum Jazz und sagt sich von konventionellen Songstrukturen los. Die Sängerin hat bei diesem Album zudem eine neue Technik ausprobiert, das „meditative automatic singing.“ Dabei singt sie in ihre Voice Notes-App einfach das, was ihr gerade einfällt, ohne irgendetwas zu filtern.

Das Album ist meiner Meinung nach unglaublich berührend und fesselnd. Manche Stimmen meinen, dass der Mittelteil des Albums sich etwas zäh gestaltet, aber mir geht das beim Hören überhaupt nicht so. Ich persönlich stelle mir die Songs des Albums wie einzelne Sprachnachrichten vor. Lana erzählt von ihren Ängsten, teilt Erinnerungen und philosophiert über das Leben. Wenn man den Text ausblenden kann, eignen sich die Balladen auch super als Hintergrundmusik zum Lernen. Mein Favorit des Albums ist das Lied „Peppers“. Sie singt davon, dass man sich nicht immer zu viele Gedanken über die Dinge machen sollte und sich lieber entspannen sollte. Nicht nur aufgrund der Lyrics, sondern auch aufgrund des Beats, landete “Peppers” in meiner Dauerschleife.

Autorin: Amelie Meier