Konzeptalben sind im schnelllebigen Streaming-Zeitalter eine Seltenheit geworden. Vor allem im Deutschrap, der immer wieder neuen Chart-Rekorden hinterherjagt, wird daher häufiger auf starke Singles als auf spannende Platten gesetzt. Dass beides möglich ist, beweist Olson mit seiner EP “Hier deine Blumen.”
Werde wach von ‘nem Blatt, das von der Zimmerpflanze fällt.
Olson – Hier deine Blumen (11 Tage danach)
Eine simple und doch starke Line von Olson, die man auf dem Song “Hier deine Blumen (11 Tage danach)” findet. Sie gibt perfekt wieder, was Hörer:innen auf der EP erwarten können: Ganz viel authentischen Herzschmerz.
Denn der Musiker verarbeitet auf der Platte eine Trennung und macht das so ergreifend, offen und ehrlich, dass man sich überraschend dabei erwischt, den Song beim Hören teilweise ungläubig instant wiederholen zu wollen.
Die Songs stehen daher zwar gut für sich, dennoch folgt die EP einem stringenten Konzept. Alle Songs sind mit einem Titel versehen, der Klammern mit einem Inhalt enthält. Ausnahme ist hierbei der Abschlusssong “Eins noch”, der für sich alleine steht. In diesen Klammern findet man Tagesangaben. Diese sind der rote Faden von “Hier deine Blumen” und dienen zur Orientierung, wie viele Tage nach der Trennung der jeweilige Song entstanden ist. Das macht die Geschichte des Albums noch greifbarer und Olson noch nahbarer.
Immer wieder kommt daher auch die Frage auf, ob das Album überhaupt als musikalischer Release geplant war oder viel mehr dem Künstler als Therapiesession gedient hat. So äußert Olson sich auf dem Abschlusssong “Eins noch”: “Sitz bei Sony im Meeting / Spiel die Songs vor und denk mir, dass das jetzt sowas von weird ist / Jeder weiß, um wen es geht, weil alles ekelhaft verstrickt ist.” “Eins noch” ist ein Song, der besonders unter die Haut geht. Hat man davor noch das Gefühl, dass der Rapper einen Einblick in sein wildes Gefühlschaos gibt, wirkt es hier so, als würde er seinen ganzen Schmerz auf den Punkt bringen. Dabei erzählt er auch noch einmal genau, wie seine Ex nun mit einem anderen Typen ihren Weg gefunden hat und wie hart es sich angefühlt hat, als er immer mehr die Lügenkonstrukte, die damit zusammenhingen, entschlüsselt hat. Die EP wird zwar enorm emotional, aber nie derb oder unsachlich. Olson stellt seine Ex zugegebenermaßen an den Pranger, behält sich aber einen sprachlichen Duktus bei, der nicht sie als Mensch, sondern ihre Handlungen kritisiert.
Trotz der herzzerreißenden Thematik versprüht die ganze EP überraschend viele Feel Good-Vibes. Das liegt daran, dass auch immer wieder Hoffnung auf eine Erlösung aus dem Schmerzes durchschimmert und die Melodien sehr fröhlich gestimmt sind. “Nie 4 Life (21 Tage danach)” ist das beste Beispiel hierfür. Die wiederkehrende Hook geht sofort ins Ohr, was auch dem vorangehenden Intro zu verdanken ist. Hier singt Olson immer wieder, dass er glücklich ist, dass es keinen Streit mehr gibt und er endlich befreit von den ganzen Stresssituationen und Streits der Beziehung ist. Zeilen wie “Ey, das’ so nett, ich glaub, wir werden Freunde / Trink Kräutertee mit meiner Therapeutin / Sie kann’s nicht glauben, ich muss lachen fast / Weil du jetzt alles bist, was du an ander’n hasst”, machen jedoch auch immer wieder deutlich, dass hinter der fröhlichen Fassade noch viel Schmerz schlummert. Dennoch wird dieser Schmerz eben immer wieder durch tanzbare Beats und Hooks zu Songs zum lautstarken Mitgröhlen verarbeitet. Und oftmals gibt es eben keine bessere Hilfe, als alle angestauten Gefühle mal rauszulassen. Die Platte eignet sich somit perfekt dazu.
“Hier deine Blumen” ist somit eine starke EP, die durch ihre musikalische Vielfältigkeit begeistert. Das Konzept hätte ganz schön schiefgehen können, denn ein Konzeptalbum über eine verlorene Beziehung kann zum einen schnell musikalisch eintönig werden, zum anderen den Künstler in schlechtes Licht rücken. Zu hoch ist die Fallhöhe, einen musikalischen Rosenkrieg zu beginnen, der sich für Hörer:innen zu privat und verbittert anfühlt. Da Olson es aber perfekt schafft, sich gleichzeitig simpel und unheimlich komplex auszudrücken, entstehen Bilder beim Hören, die das ganze Werk einzigartig und menschlich machen. Am Ende vermittelt das Werk perfekt, was es sein möchte: Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, Genugtuung als auch Seelenkummer.
Autor: Nico Hilscher