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Album der Woche KW 32: Various Artists – Barbie The Album

Barbie ist gerade wirklich überall. Seit der gleichnamige Kinofilm die Lichtspielhäuser geflutet hat, gibt es an der Spielzeugpuppe kein Vorbeikommen mehr. Das Internet ist voller Memes und generiert einen unglaublichen Hype. Aber auch im realen Leben sieht man nun plötzlich überall pinkes Essen oder Mottopartys, die es so vorher noch nicht gab. Und auch der passende Soundtrack dazu schallt immer wieder durch die Fußgängerzone oder durch die Handylautsprecher, während man die Insta-Storys der Freund:innen checkt. Doch wird Barbie The Album dem Hype des Films gerecht?

Bild: Warner Music Germany

When did it end? All the enjoyment
I’m sad again, don’t tell my boyfriend
It’s not what he’s made for
What was I made for?

Billie Eilish – What Was I Made For

Mit den Soundtrack-Alben zu Filmen ist das so eine Sache. Film und Musik gehören unweigerlich zusammen, das steht außer Frage. Was wäre ein Titanic ohne “My Heart Will Go On” oder Top Gun ohne “Danger Zone”? Mittlerweile sind solche charakteristischen Filmsongs leider seltener geworden. Ein Paradebeispiel für eine Ausnahme ist jedoch die Filmtrilogie Guardians of the Galaxy von James Gunn. Der Soundtrack zum jeweiligen Film harmoniert mit dem Geschehen auf der Leinwand. So denkt man beim Hören des Albums auch immer wieder an konkrete Szenen aus dem Film.

Das Gleiche schafft auch das Album Barbie The Album. Die Platte startet mit dem Song “Pink” von Lizzo.

Das Lied ist gleichzeitig auch die Musik, die während der Opening Scene im Film läuft. Und hier merkt man, wie kongenial sich beide ergänzen. Lizzo singt beispielsweise “Hey Barbie, I like your style/If that was really a mirror, you’d see a perfect smile.” Sie interagiert also also mit Barbie, verkörpert von Margot  Robbie, aus dem Off. Aber auch, wenn es keine wirkliche Interaktion zwischen den Lyrics und den Figuren gibt, bleiben die Songs ikonisch. So gibt es beispielsweise relativ zu Beginn des Films eine aufwändig choreographierte Szene, die nach Betrachten des Films unweigerlich mit dem Feel-Good-Song “Dance The Night” von Dua Lipa verknüpft ist.

Nun stellen sich natürlich unweigerlich zwei Fragen: Macht das Album somit nur Spaß, wenn man den dazugehörigen Film gesehen hat? Und erwartet einen soundtechnisch somit die musikalische Manifestation einer pinken Girls Night?

Beides kann ich verneinen. Die Platte ergänzt den Film zwar perfekt, steht aber größtenteils für sich alleine. Einziger Ausreißer ist hier meines Erachtens der Song “I’m Just Ken“, auf den ich später noch genauer eingehen werde. Songs wie “Dance The Night” oder “Barbie World” stehen aber genauso gut für sich alleine und können auch losgelöst im Radio laufen. “Barbie World” ist hierbei eine Neuinterpretation des wahrscheinlich bekanntesten Barbie-Songs aller Zeiten: “Barbie Girl” von Aqua. Aqua erschufen mit ihrem Song eine gelungene Parodie auf die Welt der Barbie-Stereotype. Heutzutage gerät diese Intention jedoch manchmal in Vergessenheit und Zeilen wie “You can brush my hair, undress me everywhere” oder “Dress me up, make it tight, I’m your dolly” bieten Raum für die Auslegung eines sexistischen Frauenbildes. Nicki Minaj und Ice Spice haben es sich zur Aufgabe gemacht, noch klarer mit einem negativen Frauenbild zu brechen. Sie vertreten vielmehr die Boss Bitch Attitude ihrer Musik und schaffen somit eine Art Empowerment-Hymne für die Barbies der realen Welt. Auf “Barbie World” wird die Sexualität der Frau offen kommuniziert “The way Ken be killin‘ shit, got me yellin‘ out like the Scream house.” Sie macht ihre eigene Karriere: “And I see the bread, I want all of it/And I want the green, so I olive it”. Neben “Barbie World” greift noch ein anderer Song auf dem Album  auf altbekannte Melodien zurück. “butterflies” von GAYLE nimmt das Lied “Butterfly” von Crazy Town und macht daraus eine um einiges frechere und rockigere Nummer. Auch in diesem Song wird mit dem gesellschaftlichen Frauenbild gebrochen.

Geschlechtliche Rollenbilder der Gesellschaft sind ein gutes Stichwort. Der Fokus des Films liegt auf dem Aufzeigen der Stereotype bezüglich Mann und Frau und wie diese unter dem Patriarchat leiden. Um das wirklich wirken zu lassen, gibt es immer wieder Songs, die mit eher ruhigen Klängen daherkommen. Paradebeispiel hierfür ist “What Was I Made For” von Billie Eilish. Auf diesem Song reflektiert sie einige Fragen, die sich thematisch durch den Film ziehen. So singt sie von der Rolle der Frau in der Gesellschaft und wie sie sich oftmals verloren fühlt, da sie nicht weiß, welchen gesellschaftlichen Bildern sie entsprechen soll. Ein sehr berührender und melancholischer Song, der während einer wichtigen Szene des Films erklingt und einige, mich eingeschlossen, zu Tränen gerührt haben dürfte.

Billie Eilish, Nicki Minaj oder Dua Lipa. Das sind nur einige Namen der weiblichen Künstlerinnen auf der Platte, die klar machen, dass sich auf dem Album wirklich das Who is Who der Pop-Szene versammelt hat. Zudem handelt es sich um Frauen, die auch abseits von ihrer Musik aktivistisch auftreten und für einen Kampf gegen die Unterdrückung der Frau stehen. Schade ist hierbei nur, dass Lizzo, die für viele eine wichtige Rolle im Empowerment des eigenen Körpers spielt, nun mit Vorwürfen von einigen ihrer Mitarbeiter:innen konfrontiert wird. So wird ihr unter anderem sexuell grenzüberschreitendes Verhalten gegenüber ihren Angestellten und Diskrimierung wie auch Bodyshaming vorgeworfen. Dazu läuft aktuell ein Gerichtsprozess, der ihren Song leider negativ überschattet. Abseits davon ist die Message der Künstler:innen-Auswahl aber klar.

Somit ist die Platte extrem vielfältig und vereint Meme-Potential, Partylaune und tiefgründige Texte. Das gilt auch für die nicht-weiblichen Konterparts auf dem Album. Denn mit Sam Smith, Khalid und The Kid LAROI hat man auch einige nichtbinäre und männliche Artists auf die Scheibe gepackt, die dafür bekannt sind, mit dem Männerbild der Gesellschaft zu brechen. Hier machen die Songtitel, unter anderem “Man I Am” oder “Forever & Again”, schon klar, dass hier die Rolle des Mannes in der Gesellschaft und ihre Abhängigkeit von der Anerkennung von Frauen thematisiert werden. Vor allem “Man I Am” macht sich mit Zeilen wie “This one is for the boys/With your greased up and heavy metal toys/So beefed up, you can’t get through the door” oder “See, I’m the groove catcher, hottest thing/Six-pack and tight G-string/No, I’m not gay, bro/But I’ve been on that lay low” enorm über die Vorstellungen lustig, wie Maskulinität zu definieren ist. An die Spitze getrieben wird das nur noch durch den Song “I’m Just Ken” von Ryan Gosling. Hierbei handelt es sich um eine Musicalnummer aus dem Barbie-Film, die deshalb schwer für sich alleine steht. Sie funktioniert auch ohne Bezug, ist aber enorm abgefahren, weswegen sie alleine schon im Kinosaal für fragende Gesichter gesorgt hat. Sie wechselt zwischen Ballade und treibendem Synthie-Pop-Song, wirft uns Begriffe wie “Kenergy” um die Ohren und befiehlt: “Put that manly hand in mine.” Zeilen wie “’Cause I’m just Ken/Anywhere else, I’d be a ten” und “I’m just Ken (And I’m enough)/And I’m great at doing stuff” gehen direkt ins Ohr und bleiben da eine sehr lange Zeit. Das sieht scheinbar auch die breite Masse so, denn mit dem Song steigt Ryan Gosling zum ersten Mal in die Billboard Top 100 US-Charts ein. Das hat er vorher nicht einmal mit La La Land geschafft.

Bei Barbie The Album handelt es sich somit um ein vielschichtiges Werk, das man – wie auch den Film – konsumiert haben sollte. Denn es handelt sich um etwas, das die Popkultur nachhaltig prägen wird. Listen to it and you will feel like you are (k)enough!

Autor: Nico Hilscher