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Rezension: Oppenheimer

Was sagt man zu einem Film, dessen Erwartungen kaum höher und die Kritiken kaum gemischter sein könnten?

Bild: Universal Pictures

Die Geschichte der Atombombe. Oder besser gesagt die Geschichte des Vaters der Atombombe. So zumindest wird die Person des J.R. Oppenheimer häufig wahrgenommen. “Oppenheimer” ist nun also das Biopic zu besagter Person, aber erzählt dabei so viel mehr. Die Geschichte, wie und warum J. Robert Oppenheimer nach Los Alamos kam und zum Projektleiter wurde. Die Geschichte, wie er seinen Ruf verteidigen musste. Die Geschichte, wie Oppenheimer vom Held des Krieges zum Aussätzigen erklärt wird. Und die Geschichte, wer dafür verantwortlich war. Das klingt konfus? Ist es auch ein wenig. Der Film spielt über mehrere zeitliche Ebenen, so wie von Regisseur Christopher Nolan mittlerweile gewohnt. Bis zum Ende hin werden Motive und Handlungen nur etwas schleierhaft erzählt. Es gibt kaum Exposition, man wird einfach ins Geschehen geworfen. Dabei macht sich die jeweilige zeitliche Ebene in der Farbgebung bemerkbar. Alles um die Entwicklung der Atombombe wirkt relativ neutral. Alles nach dem Abwurf über Japan hat einen leichten Grünstich. Und der dritte Handlungsstrang, rund um Szenen, die sich ziemlich genau so abgespielt haben, wird ganz schwarzweiß gehalten. Dadurch lässt sich zumindest mal in einem Nolan-Film erkennen, an welchem Zeitpunkt man sich befindet. Und das ist extrem wichtig. Inhaltlich erschlägt einen der Film nämlich regelrecht, was in Anbetracht der Komplexität der Geschehnisse irgendwie auch nötig ist. Trotzdem sind die drei Stunden nicht ohne. Das fühlt sich im Kino auch eher wie zwei Wochen an.

Hier liegt auch das größte Problem. Der Film will zu viele Handlungsstränge gleichzeitig erzählen und schafft dabei etwas zu wenig. Dass bei der Masse an Geschehnissen etwas hinten runterfällt, ist zwar nicht unbedingt verwunderlich, aber für Oppenheimer “oppenheimert” der Film etwas zu wenig. Der Subplot um Lewis Strauss, ehemaliger Leiter der Atomenergie-Aufsichtsbehörde (gespielt von Robert Downey Jr.), ist zwar sehr gut umgesetzt, hätte aber vielleicht weggelassen oder mit anderen Inhalten befüllt werden können. Hier geht es zwar um einen essentiellen Gegenspieler von Oppenheimer, aber für die konkrete Geschichte ist dieser Handlungsstrang etwas zu viel.

Letztendlich wird die Geschichte, die erzählt wird, aber sehr gut erzählt. Der Fokus liegt, wie der Name schon verspricht, auf Robert Oppenheimer und der Welt um ihn herum auf dem Weg zur Entwicklung einer weltverändernden Massenvernichtungswaffe. Aber auch das soziale Geschehen in Oppenheimers Leben kommt dabei nicht zu kurz. Obwohl der Film sehr lang ist, fühlt er sich zu keinem Zeitpunkt langweilig an. Das Geschehen wird durchgehend stark getragen und fesselt einen regelrecht in den Sitz (Klopausen sollte man sich aber vorher genau überlegen!).

Abgesehen von der Handlung hat der Film genau zwei Stärken: das Verhältnis zwischen Ton und Bild sowie die schauspielerische Leistung. Ersteres ist man von Christopher Nolan nicht anders gewohnt. Zur Abwechslung ist der Film aber nicht zu laut. Die Szenen, die ohrenbetäubend wirken, sind absichtlich zu laut. Der Rest sogar recht ruhig. Besonders der erste Test wirkt extrem überwältigend und furchteinflößend. Der Rest ist eben durchgehend an die jeweilige Szene angepasst. Der Film wirkt dadurch zum Glück kaum episch oder glorifizierend. Eher ehrfürchtig vor dem, was erschaffen wurde und vor den Personen, die Teil des Prozesses waren. 

Dazu tragen vor allem die Darsteller:innen bei. Angefangen mit Cillian Murphy, den man kaum besser besetzen hätte können. Emily Blunt als Kitty Oppenheimer setzt sich sehr gut als eigenständige Frau in Szene. Dabei ist vor allem sehr positiv hervorzuheben, dass sie eben nicht nur als “Frau von Oppenheimer” dargestellt wird, sondern als wichtige Person, ohne die J.R. Oppenheimer vielleicht nicht so unbeschadet aus dem Ganzen hervorgegangen wäre. Robert Downey Jr. zeigt endlich mal wieder, dass er mehr als nur einen narzisstischen Superhelden draufhat. Allerdings erhält er etwas zu viel Screentime. Matt Damon wirkt hier wie Tommy Lee Jones in “No Country for Old Men.” Der, der zwar wie der harte Hund wirkt, aber am Ende ein weiches Herz für den Protagonisten entwickelt. Zwischen den vier Personen ist außerdem über den Film hinweg eine spannende Sympathieverschiebung zu beobachten.

Der restliche Cast ist ebenfalls on point besetzt: Josh Hartnett, Kenneth Branagh, Rami Malek, Casey Affleck, Florence Pugh… Die Liste ist wirklich ewig lang! (Gefühlt spielen hier alle mit, die nicht in Barbie mitspielen.) Aber niemand fällt negativ auf. Nicht mal ein Matthias Schweighöfer, der in den letzten Jahren eigentlich eher den Eindruck machte, er wolle gar kein Teil von Hollywood sein. Am Ende gibt es dann noch einen überraschenden Moment, in dem Gary Oldman mal wieder beweist, wie extrem wandlungsfähig er ist und man ihn zum Teil optisch nicht mal wiedererkennt.

Auf die einzelnen Personen einzugehen wird hier viel zu schwierig. Viel bemerkenswerter ist die Harmonie innerhalb des Casts. Bei so vielen Personen kann gut mal eine Rolle hinten runterfallen. Aber niemand wirkt überflüssig oder so, als wäre er:sie einfach nur dabei. Das einzig Negative ist, dass man ab einem bestimmten Zeitpunkt den Überblick verliert, wer denn eigentlich was macht und welche Intentionen er:sie hat.

Dann stellt sich nur noch die Frage: Wie macht sich “Oppenheimer” im Vergleich zu anderen Nolan-Filmen? Ein wirklich ernsthafter Vergleich lässt sich hier fast ausschließlich zu “Dunkirk” ziehen, da es sich eben um eine Geschichte handelt, die auf wahren Begebenheiten basiert. Grundlegend ist zu erkennen, wer Regie geführt hat. Im Gegensatz zu Tenet, Interstellar oder Inception fehlt aber eben eine gewisse Epik. Das macht den Film allerdings umso besser. Im Vergleich zu Dunkirk ist er zu lang und dann nicht ganz so eindrucksvoll. Aber das ist Meckern auf absolut hohem Niveau. “Oppenheimer” ist spitze mit Fehlern. Am Ende fesselt er sehr stark. Trotzdem fehlt etwas. Letztendlich bekommt er von mir 8 von 10 Punkten. Die Einordnung hängt davon ab, ob man ihn mit anderen Nolan-Filmen vergleichen möchte oder nicht. “Oppenheimer” ist nicht für alle und deutlich weniger massentauglich als die anderen Filme des Regisseurs. Besonders überraschend: Die deutsche Synchro scheint besser zu sein, da man hier mehr von den Dialogen versteht. Auf jeden Fall dürfte es sich hier, trotz aller negativer Kritik, um einen Instant Classic handeln.

Autor: Moritz Meckl