Album der Woche funklust web

Album der Woche KW 36: Cro – Spacejam

Bild: Genius

Yeah, du denkst, der Boy ist zurück
Doch ich war nie weg, ah-ah

Cro – nie weg

Cro ist einer der Musiker in Deutschland, von dem man wirklich behaupten kann, dass sein Name generationsübergreifend bekannt ist. Mit Charterfolgen wie “Easy” oder “Bye Bye” schaffte er sich einen großen Bekanntheitsgrad und etablierte das musikalische Subgenre des Raop – eine Mischung aus Rap und Pop. Diese neue Leichtigkeit sorgte dafür, dass sowohl OG-Rap-Fans als auch das Mainstream-Radiopublikum gerne seine Songs hörten. Dass er auch bei der kommenden Generation ankommt, zeigte sich vergangenes Jahr, als er nicht nur mit seiner neuen Platte 11:11, sondern auch mit seinen älteren Platten Raop, Melodie und trip Wiedereinstieg in den deutschen Charts feiern konnte.

Carlo Waibel, wie Cro mit bürgerlichem Namen heißt, ist außerdem ein Mann mit vielen Gesichtern. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn in der Öffentlichkeit zeigt er sich immer nur mit einer Maske. Hatte er mit seinem ersten Album noch die typische Pandamaske aus dem Shop um die Ecke, hat er sie immer wieder erneuert – genauso wie sein Soundbild. tru. hatte eine ausgearbeitete Maske, die sich auch im experimentellen Sound des Albums wiederfand und trip überraschte mit gleich zwei Masken, die zwei sehr unterschiedliche Soundbilder der Platte vereinten: Einen Indie-Cro und einen Spacedisco-Cro. Das alles ist wichtig, um seinen aktuellen Release, die SPACEJAM EP, zu verstehen.

Das ganze musikalische Projekt der SPACEJAM EP startete meiner Meinung nach aber schon mit den beiden Singles “Sie” und “Steht mir“, die Carlo plötzlich droppte. Auf dem Cover ist hier nämlich der Cro aus tru. in der Mitte zu sehen. Links davon geht die Maske der Raop-Ära in die Maske aus tru. über und rechts davon die Space-Maske aus trip. Die beiden Singles gaben ein ganz anderes musikalisches Gefühl wieder als die Alben davor. Das Soundbild ähnelt nämlich eher dem Soundbild von Raop. Alles wirkt sehr locker, leicht und weniger experimentell als die aktuelleren Releases. Zudem war der ikonische Einsatz der Bläser immer typisch Anfangszeit von Carlos Schaffen. Dennoch kann man auch die anderen Cro-Soundbilder raushören, die sich beispielsweise im “artsy” Einsatz des Auto-Tunes in der Hook von “Sie” zeigen.

Die SPACEJAM EP treibt die Vermischung der unterschiedlichen Soundbilder Cros jetzt auf die Spitze. Auch wenn auf dem Cover die Space-Maske von einem Teil des trip-Albums zu sehen ist, bekommt man beim Hören auch sofort Flashbacks zu Raop und Melodie. Das liegt neben der chilligen Attitude vor allem auch an einer fast unverschämten Frechheit, die Cro auf die ersten Tracks bringt. Carlo liefert einen Soundtrack für den Sommer, der einfach gute Laune macht. Zudem sind diese Tracks sehr sexuell aufgeladen und frech. So hört man vor allem zu Beginn auf der SPACEJAM EP oft eher den pubertären Cro heraus. “extasy” beispielsweise ist voll von arroganten und neckischen Lines. So rappt er “Ich mach‘ ’n Song für meine Dawgs, ’n Song für meine Chicks/Mach‘ nur noch, was ich will, und ansonsten mach‘ ich nix” oder “Doch ich text‘ deiner Ex und ich tipp‘ es ins Phone/Und währ’nd ich die Message schick‘, hat sie ihr’n Schlüpper verlor’n.” Cro schafft es aber trotzdem, das Ganze so rüberzubringen, dass man es schmunzelnd hinnimmt. 

Das liegt zum einen am leichten Soundbild. So gibt es immer wieder Instrumente wie Bläser oder Klavier, die direkt ein wohliges Gefühl beim Hören auslösen. Außerdem greift Carlo auf noch mehr Kniffe aus seinem musikalischen Repertoire zurück. Auf “nothing in return” hört man beispielsweise zum Ende hin Streicher einsetzen, was schon Tracks auf dem Unplugged-Album aufgewertet hat, und auf “nie weg” setzt er in der Hook auf einen Frauenchor, wie er ihn beispielsweise auch schon auf tru. – in Songs wie “my life” oder “todas” – genutzt hat.

Auffällig ist einfach immer wieder, dass die SPACEJAM EP sich wie eine Best Of Cro-Platte anfühlt. Immer wieder fühlt man sich als Fan an die alten Produkte erinnert. Dennoch hört sich alles neu und frisch an. Da die letzten Jahre sehr experimentell waren, nimmt man das ganze Projekt nie als Enttäuschung wahr. Ganz im Gegenteil, die Fanbase ist begeistert, denn das Album ist wie Heimkommen – eine wohlige musikalische Umarmung. So gibt es auch Songs wie “long nights” und “nie wieder normal”, die das Kontrastprogramm zu “so bad” und “extasy” darstellen und tiefgründige und reflektierte Texte bieten. So rappt Cro auf “nie wieder normal” beispielsweise: “Denn uns’re Träume war’n schon groß, als wir noch klein war’n/Ruhiges Kind, doch mеine Gedanken war’n so laut wiе nie/Manches sieht man nur, wenn man die Augen schließt/Auch wenn die Liebe deine Wange runterfließt/Hinterher schmecken alle Trän’n immer süß.” Somit wird auch die musikalische Seite von den Alben tru. und trip abgedeckt, indem man sie sowohl auf lyrischer als auch auf soundtechnischer Ebene immer wieder auf der Platte aufleben lässt.

Belohnt werden die Hörer:innen dann auch noch mit Easter Eggs, die direkte Zusammenhänge erkennbar machen. Besonders der Song “so bad” erinnert nicht nur vom Namen her an Cros Hitsingle “Bad Chick” von 2014 – beide bieten auch einen Skit im Song, der jeweils von Carlos Produzenten eingesprochen wird und inhaltlich auf Cros Verpeiltheit eingeht. 

Schon lange habe ich zudem keine Platte mehr gehört, bei der es wirklich Sinn ergibt, sie von Anfang an bis Ende durchzuhören. “nie weg” startet mit einer Frauenstimme, die singt: “Alright, just show me what you got” und einem Cro, der sich musikalisch erstmal wieder etabliert. “long nights” und “everything” gehen fließend ineinander über, genauso wie “nothing in return” und “hold on.” Und diese Übergänge sind teilweise sehr erschreckend, weil sie so unglaublich smooth eingearbeitet sind. 

Die SPACEJAM EP ist ein Geschenk für alle Cro-Fans und die, die es noch werden wollen. Eine musikalische Wundertüte voller Überraschungen. Sommer in Tönen festgehalten und eine Wunderwaffe gegen schlechte Laune.

Autor: Nico Hilscher