Die Menschen in Bayern wählen am 08. Oktober einen neuen Landtag. Dafür haben die Freien Wähler ihr Wahlprogramm mit “Anpacken für Bayern” überschrieben – mit einem klaren Fokus auf bürgerlichen Positionen. Doch was hat die Partei für Studis im Programm und wie positioniert sie sich im aktuellen Wahlkampf in Bayern?
Disclaimer: Unser Blick auf die umfangreichen Wahlprogramme der Parteien ist bewusst studentisch gewählt und behandelt dementsprechend drei Schwerpunktthemen, die wir als relevant für diese Zielgruppe identifiziert haben: Infrastruktur und Klima, Bildung und Wissenschaft sowie Gesellschaft und Demokratie.
Als derzeitiger Juniorpartner in der bayerischen Staatsregierung wollen die Freien Wähler auch in Zukunft zusammen mit der CSU im Freistaat regieren. Unter ihrem Vorsitzenden Hubert Aiwanger zieht die vergleichsweise junge Partei mit einem konservativ-liberalen Programm in die Landtagswahl. Dabei legen die Freien Wähler den Fokus durchaus stärker als andere Parteien auf den ländlichen Raum und auf klassische Wirtschaftsthemen.
Wegen der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt steht Hubert Aiwanger derzeit allerdings stark unter Druck und im Brennpunkt medialer Berichterstattung. Da seine Partei gerade im Wahlkampf vor allem auf ihn als Spitzenkandidaten gesetzt hatte, kann der Vorgang den Freien Wählern durchaus noch gefährlich werden. Umfragen deuten allerdings im Moment darauf hin, dass die Wunschkoalition mit der CSU wieder möglich wäre – auch vom Koalitionspartner kommt hier kein Widerspruch. Als potentielle Regierungspartei mit Gestaltungsmacht lohnt sich der Blick ins Wahlprogramm der Freien Wähler also unbedingt.
Energie, Klima und Mobilität
Beim Thema Infrastruktur setzen die Freien Wähler in ihrem Programm auf einen Ausgleich zwischen Stadt und Land – gerade der ländliche Raum soll gestärkt werden. Hier fordert man mehr dezentrale Stromproduktion sowie den Ausbau von Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen. Ebenso soll die regionale Vermarktung von Produkten inklusive Dorfläden gefördert werden.
Bei der Mobilität fordert die Partei einen attraktiven ÖPNV mit günstigen Tickets für Auszubildende – Studierende werden an dieser Stelle nicht genannt. Verkehr bedeutet für die Freien Wähler außerdem auch ein Bekenntnis zum Auto als Fortbewegungsmittel. Hier wird im Wahlprogramm die Brücke zum Thema Wasserstoff geschlagen – so oft wie fast kein anderes Schlagwort taucht der mögliche Treibstoff der Zukunft bei den Freien Wählern auf.
Nicht nur in der Mobilität, sondern auch beim Thema Energiewende und Nachhaltigkeit soll auf die neue Technologie gesetzt werden. Entsprechend fordert die Partei auch einen technologieoffenen und ideologiefreien Klimaschutz. Wie in den meisten anderen Wahlprogrammen soll dabei aus fossilen Energien zugunsten der erneuerbaren Energien ausgestiegen werden. Ein genaues Datum für den Ausstieg fehlt allerdings – es findet sich lediglich die Formulierung “so lange wie nötig.” Einen besonderen Fokus setzt die Partei auf den Klimaschutz im ländlichen Raum. Hier will sie den Wald erhalten, Wasser vor Privatisierung schützen sowie die Energiegewinnung durch Geothermie und Biomasse fördern. Außerdem sollen die Genehmigungsverfahren für Photovoltaik vereinfacht und zunehmend auf Speichertechnologie gesetzt werden. Die 10H-Regelung – eine Regelung, die vorschreibt, dass Windräder einen Mindestabstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden haben müssen – wollen die Freien Wähler abschaffen, um die Anlagen wieder näher an bebauten Gebieten errichten zu können. Ebenso wird die Einstufung von Holz als nachhaltiger Energieträger gefordert.
Im Bereich Wohnen setzen die Freien Wähler deutlich mehr als Parteien aus dem linken Spektrum auf privates Wohneigentum. Normalverdienende sollen weiterhin die Chance auf “das eigene Häuschen” haben. Unter der Überschrift “Eigentum schützen” und mit plakativen Sprüchen wie “Angriffe aufs Eigenheim weisen wir zurück” wird hier die Abschaffung von Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer für Wohneigentum gefordert. Gleichzeitig soll es allerdings auch bezahlbaren Mietwohnraum für Familien, Studierende, Menschen im Rentenalter und Azubis geben.
Bildung und Wissenschaft
Der Themenblock Bildung nimmt im Wahlprogramm der Freien Wähler die wenigsten Seiten ein. Inhaltlich spielt jedoch eine bessere Finanzierung im gesamten Bildungsbereich eine zentrale Rolle. Genaue Zahlen hierzu bleibt das Programm schuldig – die meisten anderen Parteien liefern allerdings ebenso wenig Details.
Strukturell verspricht das Programm im schulischen Bereich keine großen Umwälzungen: Das dreigliedrige Schulsystem soll beibehalten werden und dessen Durchlässigkeit zwischen den Schulformen gewährleistet bleiben. Gleichzeitig fordert man den Erhalt aller Standorte, die Sanierung von Gebäuden sowie die Förderung freier Schulträger. Die Ausbildung zur Lehrkraft wollen die Freien Wähler flexibler und praxistauglicher gestalten und durch höhere Besoldung gleich zum Start der Karriere und mehr Festanstellungen attraktiver machen.
Im universitären Bereich sehen die Freien Wähler Bayern auf einem guten Weg, “Spitzenreiter” zu bleiben. Durch eine Anpassung des BAföGs sollen die finanziellen Bedingungen für Studierende verbessert werden. Ebenso soll die Grundfinanzierung der Hochschulen selbst erhöht werden. Durch eine geforderte Wiedereinführung der Diplomstudiengänge wären im Hochschulsystem durchaus merkliche strukturelle Veränderungen zu erwarten. Für Lehrpersonal fordert die Partei daneben eine bessere Bezahlung und stellt sich gegen die Befristung von Verträgen.
Für die gesamte Bildungslandschaft möchten die Freien Wähler die Digitalisierung vorantreiben: Sei es die Forderung nach der Ausweitung des Streamings von Vorlesungen, der generelle Ausbau digitaler Angebote oder die digitale Bildung als Bestandteil der Ausbildung des Lehrpersonals – die Partei sieht hier die Zukunft des Bildungsbereichs.
Gesellschaft und Demokratie
Als Partei des bürgerlichen Liberalismus fordern die Freien Wähler – wenig überraschend – ein Zurück zu mehr Eigenverantwortung in der Gesellschaft. Dieser wird durchaus eine Spaltung attestiert, der man politisch entgegenwirken will. Dafür wünschen sich die Freien Wähler eine respektvolle Debattenkultur sowie die Sicherstellung neutraler Medienberichterstattung. Ebenso will man die Menschen in Bayern mehr direkt an der Demokratie beteiligen, beispielsweise durch Volksentscheide. Man wendet sich gegen die als übertrieben wahrgenommene Political Correctness und einen “Genderzwang.” LGBTQ+-Themen kommen nicht im Wahlprogramm vor. Die Förderung von Frauen will die Partei durch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten, nicht aber durch Quoten.
Die Freien Wähler fordern eine konsequente Sicherheitspolitik und stellen sich in ihrem Wahlprogramm demonstrativ hinter die Polizei. Die Behörden sollen mit moderner Technik ausgestattet werden und extremistische Straftaten “nachhaltig” verfolgen. Schärfere Bestrafung von Cybercrime wird dabei ebenso gefordert wie mehr Stellen in Justiz und Polizei.
Mit dem Schutz der Heimat und einer Stärkung der Kommunen setzt die Partei klare Akzente in ihrem konservativen Profil. Konsequenterweise wird die Förderung von Vereinen und Ehrenamt mittels höherer Freibeträge und Entlastung der Vorstände gefordert. Für den politischen Betrieb wünschen sich die Freien Wähler Transparenz in der Kommunikation und dass Parteien unabhängiger von Spenden gemacht werden.
Die Freien Wähler – eine Gefahr für die CSU?
Gerade im Wahlkampf polarisieren die Freien Wähler immer wieder: Hubert Aiwanger tritt in Festzelten auf, hält dort massentaugliche Reden und misst regelmäßig die Grenze zum Populismus aus. Viel beachtet wurde seine Rede in Erding mit harscher Kritik an der Ampel-Regierung und der Forderung, “sich die Demokratie wieder zurück[zu]holen.“ Hinzu kommt die bereits erwähnte Flugblatt-Affäre um ein antisemitisches Pamphlet aus Aiwangers Schulzeit.
All das scheint den Freien Wählern in den Umfragen jedoch nicht zu schaden – ganz im Gegenteil. Aktuelle Befragungen der Meinungsforschung zeigen, dass die Partei durchaus in der Wählergunst gestiegen ist und damit dem Koalitionspartner CSU das Leben schwer macht. Markus Söder, dem aller persönlicher Dementis zum Trotz immer noch Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt werden, wird vermutlich zunehmend nervös auf die sinkenden Werte seiner Partei und den Höhenflug der Freien Wähler blicken. Er selbst war es jedoch auch, der Hubert Aiwanger in seiner Position als stellvertretender Ministerpräsident beließ – wohl, um ihn in der öffentlichen Meinung nicht noch mehr zu einem Märtyrer werden zu lassen.
In diesem Spannungsfeld der beiden Parteien drängt sich also umso mehr auch ein inhaltlicher Vergleich auf. Beide Regierungsparteien eint dabei ein konservatives Profil, welches noch einmal deutlich schärfer daherkommt, als man das aus anderen Bundesländern gewohnt ist. Beim Thema Ökologie unterscheiden sie sich aber durchaus – so hält beispielsweise die CSU stärker an der 10H-Regel fest, als es die Freien Wähler tun. Demgegenüber treten die Freien Wähler wiederum populistischen Forderungen aus der CSU wie dem Weiterbetrieb der Kernkraftwerke entgegen. Außerdem fordern sie, anders als der große Koalitionspartner, eine Wahlaltersenkung auf 16 Jahre und noch mehr direkte Demokratie.
Autor: wahlarena-Redaktion