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“Zukunft für Bayern. Soziale Politik für Dich.” – Das Wahlprogramm der BayernSPD

Am 08. Oktober 2023 wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Mit der Botschaft “Zukunft für Bayern. Soziale Politik für Dich.” wirbt die BayernSPD in ihrem umfangreichen Wahlprogramm. Welche Ziele hat die aktuelle Kanzlerpartei in Bayern und unterscheiden sich diese von der Bundesebene?

Logo: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Disclaimer: Unser Blick auf die umfangreichen Wahlprogramme der Parteien ist bewusst studentisch gewählt und behandelt dementsprechend drei Schwerpunktthemen, die wir als relevant für diese Zielgruppe identifiziert haben: Infrastruktur und Klima, Bildung und Wissenschaft sowie Gesellschaft und Demokratie.

Bei der letzten Landtagswahl in Bayern holte die BayernSPD (SPD) mit 9,7% der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis seit langem ein. Auch in diesem Jahr liegt die SPD in vielen Umfragen bei einem ähnlichen Wert. Der Spitzenkandidat der SPD, Florian von Brunn, zieht hinsichtlich der schlechten Prognosen gerne den Vergleich zu Bundeskanzler Olaf Scholz: Bei der Bundestagswahl 2021 konnte dieser, trotz schlechter Prognosen, die Wahl zu guter Letzt doch für sich entscheiden. Auch wenn mit einem solchen Erfolg bei der Landtagswahl in Bayern nicht zu rechnen ist, lohnt sich der Blick ins Wahlprogramm der SPD.

Energie, Klima und Mobilität

In Erlangen wird ab 2024 ein langfristiges Ziel der SPD bereits erreicht: der kostenlose Nahverkehr. Bis dieses Ziel bayernweit umgesetzt werden kann, spricht sich die SPD für ein 29€-Ticket für alle aus. Zudem will die Partei für Schüler:innen, Studierende und Auszubildende ein kostenloses Ticket sowie ein Sozialticket, auf das sie in ihrem Programm allerdings nicht weiter eingeht. Damit sich ein solches Ticket lohnt, soll der öffentliche Verkehr massiv gestärkt werden. Zusätzlich schlägt die SPD ein „Taxi 50/50“ vor, wie es beispielsweise bereits im Landkreis Bayreuth existiert – also ein Taxi, das nachts am Wochenende fährt und nur 50% des regulären Preises kostet. Dies soll Schüler*innen, Azubis und Studierenden soziale Teilhabe durch einen günstigen und sicheren Weg nach Hause ermöglichen. Die Infrastruktur für Fußgänger:innen und Radverkehr soll vorangetrieben werden, wozu beispielsweise Fahrradschnellwege angedacht sind.
Die SPD möchte Bayern durch gute Infrastruktur und bezahlbare, sichere und erneuerbare Energien zu einem attraktiven Standort für Betriebe, Ausbildungs- und Arbeitsplätze machen. Ziel sei eine „starke, regionale, sozial ausgewogene sowie klimaneutrale Wirtschaft.“ Hierbei soll der öffentliche Dienst stets als Vorbild dienen. Die SPD plant unter anderem ein „Faire-Löhne-Gesetz“ für Bayern, bei dem Unternehmen dafür haften, dass auch ihre Subunternehmen Tarifverträge einhalten. Um auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt schnell und direkt reagieren zu können, möchte die SPD eine „Transformationsagentur“ einrichten. Hier sollen Trends der Arbeitswelt identifiziert, Akteur:innen vernetzt und Förderangebote gebündelt werden. Die SPD setzt in ihrem Wahlprogramm außerdem einen Fokus auf die Stärkung von Gewerkschaften und Betriebsräten. Diese wollen sie beispielsweise bei der Einführung der 30-Stunden-Woche unterstützen.
Damit der Standort Bayern klimaneutral werden kann, plant die SPD, den Strombedarf in Bayern bis 2035 mit erneuerbarer Energie zu decken. Hierfür soll die 10-H-Regel für den Bau von Windkrafträdern abgeschafft werden – eine Bestimmung, die verlangt, dass Windräder einen Mindestabstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebieten haben. Darüber hinaus soll eine Photovoltaikpflicht für Neu- und Umbauten eingeführt und ehemalige Kernkraftwerke für den Bau von großen Energiespeichern genutzt werden. Außerdem will die SPD Bayern zum Spitzenreiter des Recyclings machen – wie das geschehen soll, bleibt im Wahlprogramm jedoch unklar.

Bildung und Wissenschaft

Im Bereich Bildung spricht sich die SPD für eine Gleichwertigkeit der beruflichen Bildungswege aus. Das international einzigartige duale Bildungssystem wird von der SPD als zielführend angesehen. Um das duale System zu stärken, sollen die Rechte dualer Auszubildenden und Studierenden klar und einheitlich geregelt werden. Im Bereich der Forschung will die Partei der MINT-Förderung in Bayern eine Förderung sozialer und geisteswissenschaftlicher Studiengänge zur Seite stellen. Insbesondere die Forschung zu Umbrüchen und Veränderungen wie der Klimaneutralität, der Transformation der Arbeitswelt und der demographischen Entwicklung sollen gefördert werden. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Gleichstellung zu fördern, plant die SPD mehrere Reformen: eine Reform des Lehramtsstudiums (bei dem die Schulart nicht direkt festgelegt wird und der Praxisanteil höher ist) und eine Reform der Personalstrukturen an Hochschulen (angemessene Vertragslaufzeiten, Frauenquote bei Promotionen, Habilitationen stärken und planbare Karrierewege für die Post-Doc-Phase schaffen).
Um jeder Person den Zugang zu Bildung zu erleichtern, fordert die SPD eine Abschaffung der Bildungsgebühren, von der KiTa bis zum Master oder Meister. Zudem sollen Azubiwerke und somit auch Wohnheime für Auszubildende geschaffen werden. Um den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, soll die Finanzierung der Berufseinstiegsbegleitung langfristig sichergestellt werden.

Gesellschaft und Demokratie

Die SPD sieht ihre Kernaufgabe in der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit. Den zentralen Schwerpunkt stellt hierbei die Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit dar. Es sollen Anlaufstellen für Hilfsbedürftige wie Menschen, die in finanzielle Not geraten sind, oder Angehörige von Pflegebedürftigen geben. Auch Anlaufstellen für das Ehrenamt sollen geschaffen werden, wo das bürgerschaftliche Engagement professionelle Unterstützung bekommt. Im Wahlprogramm finden sich viele explizite Themenpunkte wie etwa „Frauen & Gleichberechtigung“ und „Bayern – bunt, weltoffen, queer!“, in denen gesellschaftsrelevante Probleme angeschnitten werden. In vielen dieser Punkte spricht sich die SPD für den Weg der (schulischen) Bildung aus. Die politische Bildung soll ausgebaut werden, zum einen an Schulen, zum anderen in regelmäßigen Fortbildungen. Dazu gehört auch eine Erinnerungskultur, die ein kritisches Hinterfragen von Denkmälern und Straßennamen erfordert.
Zukunftsorientiertes Investieren statt Kaputtsparen – hierfür braucht es laut SPD die Aufhebung der Schuldenbremse. Die SPD möchte insbesondere in Infrastruktur investieren, die die zukünftigen Generationen brauchen. Neben dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs soll beispielsweise bezahlbarer und klimagerechter Wohnraum durch „sozialorientierten Wohnungsbau“ geschaffen werden. Für die SPD bedeutet das die Förderung von Sanierung und Erhalt, zum Beispiel durch eine Entbürokratisierung, und „Baustoffbörsen“ für die regionale Kreislaufwirtschaft und zur Wiederverwertung von wertvollen Baumaterialien. Zentral sei zudem, landeseigene Grundstücke und Immobilien nicht zu verkaufen, sondern hier bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

“Wirtschaftliche Stärke braucht soziale Gerechtigkeit”

Im Wahlprogramm der SPD finden sich viele Ansätze, die die SPD auch im Bund vertritt. Unter anderem spricht sie sich für die Legalisierung von Cannabis und die Einführung eines Tempolimits aus. Es werden viele Ansätze zur Förderung der sozialen Gleichstellung benannt. Dabei spricht die SPD auch explizit Personengruppen wie die Jugend oder queere Personen an, die beispielsweise im Wahlprogramm der CSU weniger Beachtung finden. Wie auch die Grünen spricht sich die SPD für die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre aus. Das spiegelt sich auch in den Themen Mobilität und Wohnen wider. Die CSU will zwar ebenso eine Stärkung des Fahrrads und der öffentlichen Verkehrsmittel, setzt aber auch stark auf die Automobilindustrie. Die SPD sieht ihre Verantwortung darin, die Automobilindustrie bei den anstehenden Veränderungen zu unterstützen und mehr Park&Ride-Parkplätze zu schaffen. In Bezug auf Wohnen setzt die SPD auf günstigen Mietwohnraum und Erbpacht statt Eigenheim. Ein innovativer Ansatz bezieht sich auf den „Digitalen Staat“: Alle Bürger:innen sollen die zentralen Verwaltungsleistungen in Zukunft digital nutzen können. „Wer Anspruch auf eine Leistung hat, wird diese automatisch und ohne Antrag erhalten oder in einfacher Form ‘mit einem Klick’ beantragen können.“
Die SPD versucht mit Ihrem Wahlprogramm im Großen und Ganzen, eine weite Spannbreite an Personen anzusprechen, wobei der Fokus klar auf denjenigen liegt, die Hilfe vom (Sozial-)Staat benötigen – junge Menschen, Senior:innen, Familien, Frauen und queere Personen. Auch wenn sich die benötigte Hilfe unterscheidet, betont die SPD, stets eine soziale Lösung finden zu wollen.

Autorin: Elisabeth Orlov