Von High School Musical zu den MTV Video Music Awards! Olivia Rodrigo hat sich mit ihrem Debütalbum „SOUR“ bereits als ernstzunehmende Künstlerin etabliert. In ihrem zweiten Album „GUTS“ reflektiert sie in einer musikalischen Wundertüte die Erfolgs- und Schattenseiten ihrer noch jungen Karriere.
Um den Ansatz hinter “GUTS” richtig zu verstehen, muss man etwas in der Vergangenheit ansetzen. Denn eigentlich zählt Olivia Rodrigo seit 2016 zur Riege an Teenie-Disney-Stars. Der Höhepunkt ihrer Disney-Karriere von 2019–2022 erreichte sie mit der Rolle als „Nini“ in der nostalgiebeladenen Serie High School Musical: Das Musical: Die Serie, die im strahlenden Rot der „Wildcats“ glänzte und mit der auch Olivia Rodrigo das Image als Disney-Sternchen erhielt. Während nun aber eine Miley Cyrus Jahre lang damit zu kämpfen hatte, ihr Alter Ego „Hannah Montana“ loszuwerden, war Olivia Rodrigo vermutlich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, um vom Disney-Teenie-Star zur anerkannten Musikerin zu werden. Denn durch die Schnelllebigkeit sozialer Netzwerke wie TikTok erreichte Olivias Song „drivers license“ in kürzester Zeit eine enorme Reichweite, sodass sie nach den MTV Video Music Awards 2021 und der Auszeichnung als „Best New Artist“ mit ihrem Debütalbum “SOUR” den Sprung vom Disney-Star zu einer mega-gefeierten Musikerin schaffte.
Ihr zweites Album “GUTS” baut nun auf diesem Erfolg auf. Sie hat die Erfahrungen, die sie in der Zeit unmittelbar nach dem Riesenerfolg und der Tour von ihrem ersten Album gemacht hat, reflektiert und hat sich davon für ihr zweites Album inspirieren lassen. Schließlich ist auch sie älter geworden und „GUTS“ ist ein Versuch, den Reifeprozess widerzuspiegeln, den sie gegen Ende ihrer Teenagerjahre erlebt hat. Das Ganze präsentiert sie als ein Sammelsurium aus Pop, Rock, Punk und ruhigen Balladen, das sich unter einem dunklen, leicht düsteren, lila angestrichenen Album-Cover versteckt. Denn mit ihrer Lieblingsfarbe Lila hat Olivia Rodrigo aktuell ihre Nische gefunden, die sich wie ein „lila“ Faden durch alles zieht, wo sie irgendwie auftaucht.
Hier könnt ihr euch das Musikvideo zu ihrer Single „vampire“ ansehen.
Textlich geht es wieder viel um Heartbreak. Es geht in unterschiedlicher Weise darum, wie sie in Beziehungen emotional ausgenutzt und belogen wurde. In ihrem Nummer 1-Song „vampire“ singt sie in einem musikalischen Feuerwerk davon, dass manche Menschen weniger an der Person Olivia interessiert waren, sondern nur wegen ihrer Berühmtheit Zeit mit ihr verbringen wollten. In „the grunge“ erzählt sie auch, dass Vertrauen innerhalb einer Beziehung gebrochen wurde. Die Songs „logical“ und „love is embarrassing“ handeln zudem davon, dass ehemalige Partner versucht haben, sie als „naive“ junge Frau zu manipulieren und sie zu verändern. Daneben schwankt Olivia im Sinne von „get him back“ auch mal, ob sie einen Typen zurückhaben will oder ob das vielleicht doch eher eine „bad idea“ sei. Anstatt aber nur die Schuld bei anderen zu suchen, reflektiert sich Olivia auch selbst in den Heartbreak-Songs. Abseits von Beziehungsstress räumt Olivia Rodrigo in Titeln wie „pretty isn’t pretty“ oder „making the bed“ einen Platz für tiefe Gefühle frei. Auch wenn sie vor allem für viele junge Frauen als Vorbild und Stilikone gilt, erzählt Olivia hier davon, dass sie nicht immer mit sich selbst zufrieden ist. Außerdem thematisiert sie die Überforderung, die mit dem Leben als Prominente zusammenhängt.
Musikalisch baut das Album vor allem auf einen Mix aus Balladen, Pop-Punk-Einlagen und Rockeinflüssen. Die Titel „love is embarrassing“ und „lacy“ enthalten aber auch New-Wave- beziehungsweise dramatische Folk-Sounds, während „ballad of a homeschooled girl“ als ein retro-inspiriertes, gitarrenlastiges Stück in Erscheinung tritt. In manchen Songs fühlt man sich zudem an Künstlerinnen erinnert, die schon seit Jahren im Musikbusiness unterwegs sind. Besonders der Album-Opener „all-american bitch“ sticht da hervor. Dieser hat am Anfang einen “sweet and soft Taylor Swift in alten Zeiten“-Touch und geht dann im Refrain ruckartig zu einem Avril Lavigne-artigen Pop-Punk-Vibe über. Am Ende klingt er ein bisschen wie ein Kirchenchor. Olivia Rodrigo zeigt in diesem leicht provokativen „Good girl, bad girl“-Song, dass man sie trotz ihres noch jungen Alters nicht unterschätzen sollte. In „teenage dream“, dem letzten Song des Albums, greift sie diese Thematik nochmal in einer ruhigen Ballade auf. Im Refrain heißt es:
I’ll blow out the candles, happy birthday to me
Got your whole life ahead of you, you’re only nineteen
But I fear that they already got all the best parts of me
And I’m sorry that I couldn’t always be your teenage dream
Olivia Rodrigo – Teenage Dream
Olivia Rodrigo sagt also auch hier ganz deutlich, dass sie zwar noch jung ist, aber dennoch ernst genommen werden möchte und nicht als ein Disney-Sternchen oder Teenie-Musik-Talent abgestempelt werden will.
Alles in allem lässt sich “GUTS” also als eine musikalische und textliche Achterbahn bezeichnen, auf deren Fahrt man auch tiefe Einblicke in die Lebens- und Gedankenwelt von Olivia Rodrigo erhaschen kann. Ihre Experimentierfreude, was den Sound angeht, lässt Hörer:innen zudem neugierig werden, wie sich die 20-Jährige in Zukunft musikalisch aufstellen könnte.
Autorin: Michaela Raab