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Album der Woche KW 02: Mitch Rowland – Come June

Ein alter Hase im Musikgeschäft legt sein Debütalbum vor: vom Ersatz-Bassist im Pop-Olymp über die größten Bühnen der Welt zum Indie-Darling mit Lockdown-Album. Rowlands Musik ist Understatement pur.

Bild: Maria-Juliana Rojas für Rolling Stone

Mitch Rowland hat mit Come June sein Debütalbum herausgebracht. Rowland ist Musiker, ursprünglich aus Ohio, verheiratet mit Sarah Jones, einer der besten Schlagzeugerinnen der Welt. Rowland selbst arbeitet oft als Bassist und Gitarrist für andere Musiker:innen. Bisher ist sein Name den meisten Leuten unbekannt. Dabei ist Mitch Rowland gar nicht neu im Musikgeschäft, sondern eigentlich ein richtig alter Hase. Denn Rowland arbeitet nicht für irgendwen. Er und seine Frau gehören zu Harry Styles’ Band – seit der ersten Stunde und als absolute Stammbesetzung. Rowlands musikalische Einflüsse sind in Styles Musik deutlich hörbar.

Die Geschichte, wie es dazu kam, ist ziemlich außergewöhnlich. Als Styles sein allererstes Soloalbum im Studio aufgenommen hat, fiel ein Musiker aus. Rowland verdiente damals sein Geld in einer Pizzakette in LA und befand sich in einer Findungsphase in seinem Leben. Er war zwar noch nie in einem Tonstudio gewesen, aber er konnte Bass spielen und sprang spontan als Ersatz ein. Zum Kontext: Harry Styles war damals frisch aus One Direction raus und schon ein ziemlich großer Fisch in der Musikindustrie, der zum ersten Mal versuchte, allein ein Album zu schreiben. Der Druck für ein erfolgreiches Solodebüt war hoch. Kein leichtes Umfeld für einen Newcomer wie Rowland. Aber Rowland und Styles verstanden sich auf Anhieb und freundeten sich an. Seitdem hat Rowland an jedem von Styles‘ Alben mitgeschrieben und war auf jeder Tour dabei. 

Rowland’s Erfolge umfassen Credits an 3 Top-Ten Hits in den US Billboard 100, 16 Songwriting-Credits auf Styles‘ Alben (zum Beispiel für Sign of the Times), er ist mehrfach weltweit getourt, hat einen Grammy gewonnen und ein Gitarrensolo von ihm wurde im Rolling Stone als “kosmische Reise auf der Gitarre” bezeichnet… Das sind große musikalische Wurzeln und kein schlechter Ausgangspunkt für ein Debütalbum. 

Bild: Sarah Louise Bennett für Dork

Come June ist dabei ein klassisches Corona-Lockdown-Album. Während der Pandemie hat er angefangen, mit seiner Frau Sarah zuhause Songs zu schreiben. Nach kurzer Zeit hatte er 6 Songs zusammen. Aber Rowland war der Meinung, dass es ein schlechtes Klischee ist, dass junge Musiker erstmal eine EP machen, bevor sie ein Album herausbringen. Das wollte er auf keinen Fall. Also schrieb er weitere Songs, bis er ein komplettes Album zusammen hatte. 

Musikalisch ist Come June folkig und sehr gitarrenlastig. Besonders inspiriert ist das Album von Indie-Folk-Sänger José González. Rowland hat in einem Interview gesagt, dass das der Sound war, den er im Ohr hatte, als er das Album gemacht hat und dass er alle Songs dementsprechend geschrieben hat. Als weitere Inspiration diente Indie-Darling Bert Janosch. Das musikalische Leitmotiv des Albums ist Gesang und Gitarre. Ein kleines bisschen Schlagzeug ist auch dabei – natürlich gespielt von seiner Frau Sarah Jones.  Und dann gibt es auch Songs wie die Debütsingle “Here Comes the Comeback”, die 70er Jahre-Klassikrock-Vibes haben. Alles in allem ein gelungener Mix und weitab der Pop-Hymnen, die Rowland in seiner Musikkarriere bisher begleitet haben.

Ein bisschen Styles steckt dann aber doch noch im Album. “Here Comes the Comeback” hat Mitch Rowland ursprünglich geschrieben, als Styles an seinem Album “Harrys House” (2023) arbeitete. Styles fand den Song so gut, dass er ihn rauf und runter gehört hat und sogar auf sein Album nehmen wollte. Schlussendlich hatte Styles aber so viele Songs, dass der Song in Vergessenheit geriet. Und dann beschloss Rowland, dass er den Song gerne wieder selbst haben möchte. Jedoch konnte sich Rowland nach der intensiven Arbeit im Zuge von Styles‘ Album den Song nicht mehr gänzlich ohne Styles‘ Stimme vorstellen. Deshalb sang Styles dann für Rowlands Album die Backgroundvocals ein. Einen der aktuell größten Popstars der Welt als Backgroundsänger auf dem Debütalbum zu haben, ist nun wirklich nicht alltäglich. Groß erwähnt hat Rowland das auch nicht. Seine Erfolge im Pop bezeichnet Rowland als “nettes Versehen”. Dass sein Album das einzige ist, das je von einem anderen Artist als Harry Styles bei Styles‘ Label Erskine Records erschien? Nur eine Randnotiz. 

Diese Art von Understatement ist aber Rowlands Markenzeichen. Dazu gehört auch, dass er bereits eine richtige Fanbase hat – ohne dass er diese entsprechend durch Social Media oder Ähnliches pflegen würde, wie es sonst unter aufstrebenden Musiker:innen zum guten Ton gehört. Sicher hat er eine größere Plattform durch seine Position in Styles‘ Band. Aber auch diese nutzt er nicht. Er ist bekannt als “der Mann, der nicht spricht”. Im Wesentlichen spielt er einfach Gitarre oder Bass, singt und ist da. Aber bei diesen Kernkompetenzen überzeugt er herausragend. Und genauso ist es auch mit seiner Musik. Ohne große Worte, Understatement pur, aber das überzeugend.

Autorin: Antje Schönherr