Sie trägt ihre Gefühle musikalisch auf der Zunge und auch zehn Jahre nach ihrem Debüt hat sich ihre Geschichte noch längst nicht auserzählt. Singer-Songwriterin Madeline Juno ist mit ihrem sechsten Album „Nur zu Besuch“ zurück.
Wer deutsche Musik hört, sollte auch Madeline Juno kennen oder sie zumindest schnell kennenlernen. Zwar hat die Singer-Songwriterin mit englischer Musik angefangen, heute könnte man Madeline Juno aber auch als eine singende Geschichtenerzählerin bezeichnen, die ihre Zuhörer:innen in deutscher Sprache sozusagen in „Madelines kleine Gedankenwelt“ mitnimmt. Sie selbst erzählt offen darüber, wie sie über eine lange Zeit an einer Depression zu leiden hatte und verarbeitet in ihren Lyrics immer wieder tieferliegende emotionale Themen, in denen man sich beim Hören selbst wiederfinden kann.
Mit „Sad Girl Shit“ startet Madeline Juno mit einem richtigen Opener-Song in das neue Album. Wer ihre Musik schon länger hört, wird hier auch merken, wie sie große Teile ihrer musikalischen Identität in nur einen Song gepackt hat. Gleichzeitig könnte man fast sagen, „Sad Girl Shit“ ist die musikalische Verkörperung für den melancholischen Moment, wenn man sich bei einer regnerischen Zug- oder Autofahrt mit Musik in den Ohren seinem persönlichen (fast) filmreifen „Sad Girl Shit“-Moment hingibt.
Im weiteren Verlauf des Albums sind dann wieder Break-Up- und Herzschmerz-Songs dabei. Paradoxerweise handelt „Lovesong“ von dem Glück, eine toxische Beziehung beendet zu haben und dass der Ex-Partner eigentlich musikalisch gesehen keine vier Akkorde verdient hätte, in denen man noch weiter von ihm redet, während man genau das tut. In „Murphy‘s Law“ und „Version von mir“ kommen dann die Selbstzweifel hoch, die sich im tiefen Inneren verankern. Madeline Juno stellt sich aber auch der wichtigen Frage, was es denn heißt, „Mitte Zwanzig“ zu sein, welche Erwartungen mit dem Erwachsenwerden einhergehen und was denn überhaupt diese vermeintlichen „Life Goals“ sind, nach denen alle streben. Sie hat also mit ihrer Musik wieder ein komplettes Gefühlsfeuerwerk kreiert, bei dem trotz allem auch die positiveren Seiten des Lebens nicht unbeachtet bleiben.
Was fällt dir eigentlich ein?
Warum bitte bist du nicht unsterblich?
Das ist nicht als Vorwurf gemeint
Nur ein Leben mit dir, das reicht nicht
Ich misch dir heimlich Vitamin C in deinen Drink
Damit wir in hundert Jahren immer noch abhängen
Nein, ich seh das nicht ein
Warum sind alle guten Dinge vergänglich?
Madeline Juno – Ich Sterbe Zuerst
Madeline erzählt zwar von Selbstzweifel und Unsicherheiten, aber sie singt auch sehr herzerwärmend von ihrem Glück in ihrer aktuellen Beziehung. Während sie im Song „99 Probleme“ aus dem Vorgängeralbum von den Gedanken an den dunkelsten Tagen ihrer Depression erzählt, verkündet sie nun in „Was zu verlieren“, dass sie endlich wieder Gründe hat, auf sich selbst aufzupassen. Ein textliches und musikalisches Highlight, das man noch hervorheben sollte, ist der gleichnamigen Song zum Album „Nur zu Besuch“, der bereits im Dezember 2023 erschien. Mit einer Mischung aus ruhig-melancholischen Strophen und einem kraftvollen bass-erfüllten Refrain erzählt die Singer-Songwriterin hier von dem Gefühl, wenn man nach Hause zur Familie fährt, dort aber nicht mehr richtig zuhause, sondern eben nur „zu Besuch“ ist.
Insgesamt nimmt Madeline Juno ihre Zuhörer:innen auch in ihrem sechsten Album auf eine emotionale Reise mit verschiedenen Höhen und Tiefen mit, die einen nachdenklich gestimmt, aber auch mit einem Lächeln auf dem Gesicht zurücklässt. Und auch wenn manche Songinhalte ähnlich bleiben, ist das Album „Nur zu Besuch“ neu, frisch und anders, während es gleichzeitig stets Madelines persönliche Handschrift beibehält.
Autorin: Michaela Raab