funklust Rezension web

Rezension: Sonic Prime

Vielleicht erinnert sich ja noch jemand von euch an Sonic – den schnellsten Igel der Welt und Maskottchen des Videospielentwicklers SEGA. Nach einer längeren Identitätskrise des Franchises sind nun viele Beteiligte alte Fans, die mit Sonic aufgewachsen sind. Das merkt man unter anderem in der Netflix-Serie Sonic Prime, von der jetzt die dritte und letzte Staffel erschienen ist.

Bild: Netflix

Von langweilig-mittelmäßig wie Sonic Forces bis hin zur Einstellung der langjährigen Comicreihe nach einem Rechtsstreit mit Autor und Zeichner Kenneth Penders: In den 2010er Jahren hat Sonic the Hedgehog sich, von Hoffnungsfunken wie dem offiziellen Twitter-Account abgesehen, nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Doch aus wenigen Funken wurde eine Flamme. SEGA hat seit 2015 einige Fans der ersten Stunde an Bord geholt – und mit ihnen am Steuer legt Sonic spätestens seit dem erfolgreichen Kinofilm 2019 ein fulminantes Comeback hin. Da war eine Netflix-Serie eigentlich nur eine Frage der Zeit.

Das Multiversum von Sonic Prime

Sonic Prime bedient sich einer bekannten Formel: Sonics Erzfeind, der böse Wissenschaftler Doktor Eggman, hat einen neuen Weltverschlechterungsplan. Dafür nimmt er zunächst einmal Sonics unfreiwillige Hilfe in Anspruch, um das Paradox-Prisma zu finden – einen Edelstein, der eine unbekannte Macht besitzt. Dass es in Eggmans Hände fällt, wollen Sonic und seine Freund:innen natürlich um jeden Preis verhindern. Kaum ist jedoch der Kampf um das Prisma entbrannt, kommt es, wie es kommen muss: Der impulsive Sonic zerstört es im Eifer des Gefechts.

Der resultierende Plot ist die Sonic-Interpretation des Multiversums. Trotzdem ist die Handlung nicht zu komplex und man kann ihr leicht folgen. Das hatte ich persönlich auch nicht anders erwartet, denn Sonic Prime richtet sich neben langjährigen Fans vor allem an Kinder und Jugendliche.

Nichtsdestotrotz kommt man sowohl als alter wie auch als neuer Sonic-Fan durchaus auf seine Kosten. So gibt es einige gut getimte Insider-Witze und Referenzen. Damit übertreibt die Serie es jedoch nicht. Generell ist der Comedy-Aspekt zwar durchaus ein wichtiger Teil von Sonic Prime, dennoch ist die Serie keine reine Komödie und setzt sich auch mit ernsten Themen auseinander, zum Beispiel Identität, Freundschaft und Naturschutz. Diese wichtigen und emotionalen Momente nimmt die Serie dabei durchaus ernst und verzichtet darauf, irgendjemanden einen flachen Oneliner raushauen zu lassen.

Dadurch entsteht auch die Gelegenheit, die Figuren tiefgängigere und emotionalere Gespräche führen zu lassen, als ich es erwartet hatte. Gerade in der dritten Staffel hatte ich das ein oder andere Mal Tränen in den Augen.

Sonic, seine Freund:innen und (Erz-)Feinde

Positiv überrascht hat mich auch die Charakterisierung der Figuren. Sonic ist selbstbewusst, lebt im Augenblick, steht hinter seinen Idealen und zu seinen Freund:innen. Hin und wieder ist er sogar etwas nervig – ein Umstand, der in der Serie selbst kommentiert wird. Besonders gefallen hat mir aber, dass er durchaus kompetent und lernfähig ist. Gerade Letzteres funktioniert sehr gut, da sich der gesamte Plot um die Wiedergutmachung eines Fehlers von Sonic dreht. Insgesamt ist er ein sympathischer Protagonist. Ich hatte Spaß daran, mit ihm mitzufiebern.

Ein weiteres charakterliches Highlight ist für mich der schroffe, aber liebenswerte Nine, ein junger, technisch begabter Fuchs. Er entwickelt sich nach und nach zum zweitwichtigsten Charakter der Serie sowie zu ihrem wohl komplexesten. Die Autor:innen der Serie schaffen es aber trotzdem, dass seine Handlungen und Ziele zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar bleiben.

Insgesamt hat jede Figur in der Serie ihre Momente. Ich muss sagen, dass es nicht einen Charakter gab, der mir negativ aufgefallen ist. Daher hier noch einige weitere Highlights: Fans des Publikumslieblings Shadow the Hedgehog dürften in Sonic Prime auf ihre Kosten kommen. Rusty erweist sich als eine überraschend unterhaltsame Figur mit einer gut geschriebenen Entwicklung vom gefühllosen Werkzeug hin zu einer emanzipierten Persönlichkeit. Und das Chaos Council, bestehend aus Karikaturen verschiedener Generationen, ist zwar unterhaltsam, aber als Antagonisten durchaus ernstzunehmen.

Mit Liebe in der Umsetzung

Das alles klingt auf dem Papier schon ziemlich gut. Wirklich zum Leben erweckt werden die Figuren jedoch erst durch die grandiose Performance der Synchronsprecher:innen. Ich empfehle, die Serie im englischen Original anzuschauen, da die deutsche Synchronisation nicht ansatzweise an die Leistung des kanadischen Ensembles herankommt. Aus rechtlichen Gründen wurden die Figuren in der Serie nämlich ausschließlich mit neuen Sprecher:innen besetzt, die ausnahmslos fantastische Performances liefern. Deven Mack als Sonic, Ashleigh Ball als Tails/Nine und Ian Hanlin als Shadow sind meiner Meinung nach besondere Highlights.

Generell merkt man bei Sonic Prime meiner Meinung nach, dass Leute an der Serie saßen, die Sonic und seine Welt ins Herz geschlossen haben. Settings, Charakterdesigns, Dialoge, Animationen und die zahlreichen Kampfszenen sind bunt, interessant anzusehen und ausnahmslos mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Gerade in den Actionszenen wird außerdem Sonics Wurzeln in der Videospielwelt Hommage gezollt: Jede Figur bringt ihr eigenes, individuelles Moveset mit. Zudem gibt es einige Verfolgungssequenzen, die von der Aufmachung her sehr an Sonic-Levels erinnern, was sicherlich durchaus beabsichtigt ist. Immerhin ist Geschwindigkeit das, was Sonic am besten kann. Doch auch außerhalb der Kampfszenen ist die Serie mit viel Liebe zum Detail animiert, was sich insbesondere bei Mimik und Gestik der Figuren beobachten lässt.

Macht Sonic Prime Spaß? Ja!

Zugegeben: Auch Sonic Prime hat Macken. So neigt die Serie gerade in der ersten Staffel dazu, sich zu wiederholen – was auch damit zu tun hat, dass man auf klassische Recaps verzichtet und sie stattdessen in die Dialoge integriert. Von dem her: nicht die beste Option für einen Serienabend oder einen Binge. Zudem lässt das Ende der Serie einiges offen, was manche ebenfalls als störend empfinden könnten – ich fand es allerdings eher erfrischend.

Im Großen und Ganzen ist Sonic Prime eine leicht verdauliche, liebevoll gemachte, witzige Serie mit emotionalen Momenten, die ich Sonic-Fans jeden Alters definitiv empfehlen würde – oder Studis, die in den Semesterferien babysitten. Die Serie macht Spaß und beweist einmal mehr, dass Sonic eben am besten ist, wenn das Franchise eine Balance zwischen Humor und Emotionalität findet.

Bewertung: 4 von 5 funklust-Symbolen

Autor:in: Cassandra Haas