Das zweite Augustwochenende gehört jedes Jahr dem Taubertal. Knapp 15.000 Menschen kommen dann nach Rothenburg (ob der Tauber), um auf einem der mittelgroßen Festivals zu feiern. Für unsere Redaktion gehört es fest in den Terminkalender, weil es mit der Stadtmauer und der mittelalterlichen Altstadt eine der schönsten Kulissen hat. Die bewunderten wir auch nur aus der Ferne, denn wir waren ja zum Konzerte-Schauen da. Das war bei den heißen Temperaturen durchaus eine Challenge. Um fit zu bleiben, war die ein oder andere Runde Bieryoga angesagt. Wer nicht rechtzeitig auf Wasser umgestiegen ist, wurde entweder ausgeknockt oder von den Sanis behandelt.
Nova Twins: Ein kraftvolles Highlight am Freitag
Nova Twins war eines der Highlights am Freitag. Die Britinnen Amy Love am Mikro und der Gitarre und Georgia South am Bass heizten dem Publikum ordentlich ein. Einer der wenigen Female Acts auf dem Festival zeigte ihre Skills an den Instrumenten. Man merkte ihnen die Festivalerfahrung auf jeden Fall an. Die Mischung aus Rock, Punk und Elektro sollte in keiner guten Rock-Playlist fehlen.
Die Beatsteaks lieferten eine solide Show mit Klassikern und neuen Stücken von ihrem neuen Album “Please”. Sieben Jahre ist die letzte Platte her. Eine kleine Portion Insights bekommt ihr in unserem Interview mit Peter und Thorsten.
Wer im letzten Jahr ein bisschen Zeit im Internet verbracht hat, weiß, dass Alligatoah mit seinem letzten Album “Off” vom Rap zum Metalcore gewechselt ist. Es war voll vor der Mainstage. Entsprechend hart war der Bodycount – mehrere Besucher:innen wurden ohnmächtig. Das Bühnenbild war Alligatoah-mäßig: ein Büro, das im Laufe der Show entsprechend demoliert wurde. Trotz des Stilwechsels ist sich Alligatoah bei der Show treu geblieben, denn sie erinnert an ein Musical. Ob die Zwischenansagen spontan oder gescripted sind, ist dabei aber egal. Er und sein Team liefern seit Jahren beeindruckende Shows. Einziges Manko: Den Klarinettisten Metaltute hätte man öfter auch mal hören dürfen.
Molutov – Nachwuchs aus Bayern
Das Finale des internationalen Emergenza Band-Contest findet jedes Jahr am Taubertal-Festival statt. Der deutsche Finalist kam dieses Jahr aus Bayern, genauer aus Eichstätt und Umgebung. Die vier Jungs haben bereits einiges an Bühnenerfahrung und kommen mit viel Energie auf die Bühne…
bis die Technik streikt und die Padel-Boards ohne Strom daliegen. Toni der Drummer musste einspringen und mit einem fabulösen Solo die Zeit überbrücken.
Die Fanbase ist stark vertreten und die Mischung aus krachendem Rock und melodischen, mitunter gar ruhigen Passagen kommt gut an. Gewonnen haben sie leider nicht. Ist aber auch nicht schlimm – neue Songs sind bereits in der Pipeline.
Nina Chuba: Ein unerwartetes Highlight
Nina Chuba ist eigentlich nicht in meiner persönlichen Playlist, aber selbst ich kenne ihren Hit “Wildberry Lillet”. Weil sie auf der Bühne aber die meisten Musikerinnen hat, musste ich mir die Show anschauen. Zum Glück. In der 75 Minuten langen, kurzweiligen Show zeigte sie, was sie draufhat – und das ist einiges. Für mich das Tageshighlight und für richtige Fans wahrscheinlich noch einiges mehr.
Im Gegensatz dazu ist Rise Against wie Sex mit dem Ex: Man weiß, was man kriegt. Eine gute Show, die sie jedes Mal liefern, wenn man sie live sieht. So kann der dritte Tag Taubertal zufrieden enden.
HotWax: Grunge und Punk im modernen Gewand
HotWax bringt Punk und 90er-Grunge auf die Sounds for Nature-Bühne. Auch wenn die Briten am Nachmittag nur 50 Minuten spielten, war es der ideale Start in den Sonntag. Für Fans von Alternative Rock wie PJ Harvey, Hole oder Yeah Yeah Yeahs eine echte Empfehlung. Als Band hatten sie wegen Covid einen etwas roughen Start, ziehen aber seit 2023 durch. Sie haben zwei EPs draußen und das erste Album steht auch schon in den Startlöchern. Wir freuen uns auf mehr Musik und hoffentlich auch das ein oder andere Konzert in Deutschland.
Dolce Vita in Bayern
Vom Gardasee zum Hurricane, vom ZDF Fernsehgarten zum Taubertal: DIE Italo-Schlager-Helden des Jahres blicken jetzt schon auf ein ereignisreiches Jahr 2024 zurück und dabei hat die KULT-Tour noch gar nicht richtig angefangen. Am 24.10. kommen sie übrigens nach Nürnberg – das Konzert ist aber schon ausverkauft.
Für die Bühnenoutfits gibts schon mal Pluspunkte, für die Flasche Blubberwasser auf der Bühne einen Stern beim Vibe-Check und für den Gastauftritt vom Sänger der Fan-Band “Roy Birra und die Bianco Boys”. Der Schlagerstrudel (einer? nein! viele!) bekommt diesmal keine volle Punktzahl (zu eng, zu viel Schubserei), aber zumindest die Wall of Love funktioniert wie erwartet. Liegt es vielleicht daran, dass Roy Bianco höchstpersönlich die Menge teilt? Wer weiß…
Fazit: Hoher Unterhaltungswert, nah am Publikum und einfach gute Stimmung.
Nordisch derb – Feine Sahne Fischfilet
Nach dem Strudel ist vor dem Pogo und der konnte sich bei Feine Sahne Fischfilet sehen lassen. Um die fünfköpfige Punkband wurden 2022 Vorwürfe von sexueller Gewalt laut. Das Landgericht Stralsund stufte sie im Herbst desselben Jahres als Verleumdung ein. Es dauerte jedoch etwas, sich von der Kontroverse zu erholen. Auf dem Taubertal war die Stimmung gewohnt punkig, Sänger Monchi versuchte, die Menge mit Bier zu kühlen, was bei der Hitze aber nicht viel gebracht hat.
Ein FSF-Konzert ohne politische Botschaften ist undenkbar! Auch am Taubertal motivierte die Band zu mehr Menschlichkeit und weniger Ar***lochismus.
Deichkind: Ein furioser Festival-Abschluss
Abschluss und Abschuss waren Deichkind. Müde sein durfte man nach vier Tagen Festival bei den Hamburger Legenden auf keinen Fall. Wurde man auch nicht, denn es war eine Show, die ihresgleichen sucht. Wer über die Jahre Konzerte von Deichkind besucht hat, weiß, wie viel sich seit den Anfängen verändert hat. 2007 auf dem Chiemsee Reggae Summer waren die Kostüme und die charakteristischen Dreiecks-Hüte noch aus Holzlatten zusammengespasst. Seitdem wurden Konzerte von Deichkind immer noch bombastischer: 110 Minuten Ausnahmezustand auf und vor der Bühne sind wahrlich ein Festival-Abschluss, der seinesgleichen sucht. Es gibt überdimensionierte Requisiten, neuere Songs sowie Klassiker und vor allem eins: jede Menge Spaß und Ekstase. Wer nicht gerade mit Tanzen und Ausflippen beschäftigt war, konnte auch eine kleine politische Botschaft entdecken: Auf den Lehnen der Bürostühle, auf denen die Band bei “Bück dich hoch” eine Choreografie rollte, stand zusammengesetzt “Fuck AFD”. Auch wenn die Bühnenshow sehr professionell war, konnte man auch viel Fannähe spüren. So muss ein Festival enden: mit wundgetanzten Füßen und Schuhen, schönen Erinnerungen im Herzen und Musik im Ohr.
Wir sehen uns im Taubertal
Das Taubertal-Festival hat auch dieses Jahr bewiesen, warum es einen festen Platz in den Herzen vieler Besucher:innen hat, die jedes Jahr wiederkommen. Die Mischung aus Musik, Gemeinschaft und dem besonderen Flair von Rothenburg schafft eine intime, immersive Atmosphäre. Die Veranstalter zeigen, dass sie den Puls der Zeit spüren und ständig bemüht sind, das Erlebnis für die Besucher:innen zu verbessern, zum Beispiel mit ein neues Rahmenprogramm, bestehend aus einem Bobbycar-Rennen, Bieryoga und einem Flunkyball-Turnier.
Mit dem neuen Awareness-Team und den Bemühungen, das Rahmenprogramm weiter auszubauen, zeigt das Festival, dass es sich stetig weiterentwickelt und Dinge ausprobiert. Auch die Green Camping-Angebote werden sehr gut angenommen und insbesondere das Green Camp im Tal ist innerhalb kürzester Zeit ausgebucht.
Wir freuen uns schon jetzt auf das nächste Jahr, wenn es wieder heißt: Am zweiten Augustwochenende sind wir auf dem Taubertal.
Autor:innen: Julian Popp, Lea Maria Kiehlmeier