Feminismus, Frauenpower… oder doch eher männliche Egos? Die neue Staffel der Bridgerton-Serie bringt einiges mit sich. Voller Spannung, Cliffhanger und natürlich Liebe. Drama pur!
Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler.
Willkommen im Traumland
Geneigte Leserschaft,
Es ist wieder soweit: Vor nicht allzu langer Zeit wurde die dritte Staffel von Bridgerton veröffentlicht. Die nächste Ballsaison beginnt und unsere Lieblingscharaktere machen sich erneut bereit für die Liebe, genauso wie Lady Whistledown. Mit ihrer Zeitung leitet uns die Skandalautorin wie auch in den letzten beiden Staffeln durch die irren und wirren Liebesdramen.
In der Netflix-Serie Bridgerton dreht sich alles um die vielfältigen Liebesgeschichten der acht Geschwister der Familie Bridgerton. Dabei sind diese nach Alter geordnet mit den Anfangsbuchstaben A-H benannt: Anthony, Benedict, Colin, Daphne, Eloise, Francesca, Gregory und Hyacinth. Die Bridgertons sind Teil der High Society Englands im 19. Jahrhundert. Kein Wunder also, dass die Serie gefüllt ist mit Bällen und prachtvollen Kleidern.
Was geschah bisher?
In der ersten Staffel durften wir bereits die spannende Liebesgeschichte zwischen Daphne Bridgerton und Simon Basset, Duke von Hastings, erleben. Um den gesellschaftlichen Anforderungen des Londoner Heiratsmarktes zu entgehen, täuschen sie eine Beziehung vor, doch entstehen zwischen den beiden echte Gefühle.
Weiter ging es in der 2. Staffel mit dem ältesten Bridgerton, Anthony. Er erkennt seine Verantwortung an und macht sich auf eine wilde Suche nach seiner Partnerin. Schnell trifft er auf die Sharmas. Während er gedrängt wird, mit Edwina Sharma eine Beziehung einzugehen, wird schnell klar, dass ihre rebellische ältere Schwester Kate Sharma die Dame seines Herzens ist.
Wie geht’s weiter?
Auch diese Staffel dreht sich natürlich um die Bridgertons. Gleich zu Beginn werden uns die beiden Bridgertons vorgestellt, deren Liebesgeschichte wir diesmal erleben dürfen – der etwas arrogante, extrovertierte und allseits beliebte Colin Bridgerton und die ruhige, in sich gekehrte, musikliebende Francesca Bridgerton. Beide Liebesgeschichten sind, wie wir es kennen, von ganz viel Drama gekennzeichnet. Begleitet wird das Geschehen von der spitzen Zunge der Autorin Lady Whistledown, der heimlichen Hauptfigur der Serie, die diesmal tatsächlich eine zentrale Rolle einnimmt.
Wie Netflix uns warten lässt
Es gab einige Kritik am Streamingdienst Netflix, bei dem man diese Serie streamen konnte. Während die ersten Folgen bereits im Mai veröffentlicht wurden, mussten Bridgerton-Fans bis Mitte Juni warten, um die weiteren Folgen sehen zu können – also bis nach den Preiserhöhungen bei Netflix. Dabei wird dem Streamingdienst vorgeworfen, dies kalkuliert zu haben, um Abonnent:innen zu behalten.
Colin und Penelope: Das Traumpaar
Trotz aller Kritik an Netflix lohnt es sich, die Serie anzuschauen, allein schon, um die Liebesgeschichte zwischen Colin Bridgerton (Luke Newton) und Penelope Featherington (Nicola Coughlan) zu sehen. Dabei möchte Penelope Featherington a.k.a. Lady Whistledown, die von vielen als hässliches Entlein gesehen wird und sogar von ihrer Mutter als hoffnungsloser Fall bezeichnet wird, diese Saison zu ihrer machen. Sie ist schon seit Ewigkeiten verliebt in Colin Bridgerton – der sieht sie allerdings nur als Freundin und bietet ihr nun an, ihr zu helfen, einen Mann zu finden. Doch langsam zeigt Lord Debling Interesse an Penelope. Colin merkt immer mehr, dass er eigentlich Gefühle für seine beste Freundin hat. Doch natürlich wartet die Serie mal wieder mit viel Drama auf, und das nicht nur, weil er der beliebteste Herr der Ballsaison ist und sie schon als zukünftige alte Jungfer gilt. Sondern auch Penelopes größtes Geheimnis – dass sie Lady Whistledown ist – steht ihnen im Weg.
Gleich doppelte Bridgerton-Hochzeit
Doch nicht nur Colins Liebesgeschichte ist Teil der neuen Bridgerton-Staffel, auch die von Francesca Bridgerton beginnt hier. Francesca Bridgerton (Hannah Dodd), die in vielerlei Hinsicht das Gegenteil ihres Bruders ist, sehnt sich dabei nur nach Ruhe und ihre Ansprüche an einen Ehemann sind denkbar klein: „Jemanden, der freundlich ist.“ Dennoch lernt sie den genauso ruhigen John Sterling, Earl of Kilmartin (Victor Alli) kennen. Dies könnte die Liebe von zwei Personen sein, die Schwierigkeiten haben, sich anderen anzupassen, sich aber gefunden haben und glücklich in ihrer eigenen Welt sind. Doch hält das Schicksal noch mehr für Francesca bereit als eine ruhige, zurückhaltende Liebe?
Was sonst noch passiert?
Nicht nur bei Francesca und Colin, sondern auch bei Benedict Bridgerton, dem ‚Flittchen‘ der Bridgertons, geht es heiß her. Überraschenderweise trifft er auf die selbstbewusste Lady Tilley Arnold und beginnt mit ihr eine unerwartete Affäre. Doch entwickelt sich auch hier die echte Liebe oder sehnt Benedict sich nach Freiheit, nachdem sie ihm ein Liebesleben weit entfernt von den gesellschaftlichen Normen zeigt? Auch Anthony, der älteste der Bridgertons, versucht seine frische Ehe zu meistern, während er immer wieder seinen kleinen Geschwistern mit Rat und Tat zu Seite steht. Und vielleicht entflammt auch bei der Mutter der Bridgertons, Violet, langsam eine neue Liebe. Nicht nur Liebe, auch Freundschaft spielt in dieser Staffel eine Rolle. Genauso wie andere in Bridgerton Partner:innen tauschen, schafft es Eloise, ihre beste Freundin zu tauschen. Ist es Cressida oder doch Penelope? Eine weitere dramatische Figur der dritten Staffel ist Cressida Cowper, die nicht nur durch Kleider mit extremen Kragen auffällt, sondern auch durch ihr Verhalten. Siw möchte sich vom Druck ihrer Familie und des Heiratsmarktes befreien. Doch was wird sie tun, um für sich einzustehen?
Zu viel Handlung?
Obwohl diese Staffel ein Feuerwerk der Gefühle war und mich so mitgerissen hat, dass ich die ersten drei Folgen am Stück gesehen habe, war dennoch manchmal mehr Handlung enthalten, als man verarbeiten konnte. Schuld daran ist insbesondere, dass diesmal die Liebesgeschichten gleich mehrerer Bridgertons eine Rolle spielten und nicht nur die eines der Kinder. Dadurch wird diese Staffel keine, die man nebenbei schauen kann – man muss beim Schauen schon seine Aufmerksamkeit darauf richten.
Die vielen Nebenstorys lenken außerdem manchmal vom Haupt-Liebespärchen Colin und Penelope ab, doch durch die Dramatik der Geschichte ist sie den Zuschauer:innen dennoch immer präsent und man kann mit den beiden mitfiebern. Gerade im Vergleich zur etwas zahmeren 2. Staffel spielen hier Drama, Sex, Streit, noch mehr Drama und noch mehr Sex eine Rolle. Deshalb könnte man meinen, dass die Liebesgeschichte zu lange braucht, bis sie ernst wird, aber genau das zeichnet die Bridgerton-Geschichten aus. So bewirken sie, dass man langsam die Charakterentwicklung sehen kann und die Liebesgeschichte quasi mitfühlt – inklusive der einen oder anderen Träne.
Charakterliche Entwicklung von Colin und Penelope
Leider zeigt Colin Bridgerton meiner Meinung nach in vielen Situationen der Staffel genau das männliche Ego, von dem ich gehofft hatte, dass wir verschont geblieben wären. Sei es, weil er denkt, dass seine Verlobte eine bessere Autorin ist als er, oder weil er nicht versteht, was Penelope die Lady Whistledown bedeutet. Doch jeder Mann hat auch eine Chance verdient: Wird Colin erkennen, wo sein Platz ist?
Auch Penelope’s Entwicklung dürfen wir in dieser Staffel verfolgen. Selbst wenn sie immer wieder zerbrechlich und angstvoll scheint, lässt sie sich Lady Whistledown nicht nehmen, denn Lady Whistledown ist sie und sie ist Lady Whistledown. Gerade weil Lady Whistledown trotz all des Tratsches und des Klatsches eigentlich ein Zeichen weiblicher Macht in einer sehr hierarchisch männlichen Welt ist. Denn in dieser Welt, in der Frauen wie die Säue auf den Heiratsmarkt verschachert werden, ist die Zeitschrift ein feministisches Machtsymbol. Nicht nur, weil Lady Whistledown vor Männern warnen kann, sondern auch, weil Penelope als Frau nur so eine Stimme bekommt und sogar ihr eigenes Geld verdienen kann.
Obwohl Penelopes Verhalten in der Bridgerton-Welt mehr als revolutionär scheint, hätte ich mir an manchen Stellen ein wenig mehr davon gewünscht. Obwohl sie die spitzzüngige Lady Whistledown ist, scheint sie mehr als unsicher und auch von Selbstzweifeln geplagt zu sein und denkt, sie kann sich nur wohlfühlen, wenn sie einen Mann findet, den sie heiraten kann. Ich hätte sie mir selbstbewusster gewünscht, aber ohne die Selbstzweifel wäre sie auch zu unnahbar gewesen.
Misogyne Kritik an Penelopes Charakter und Schauspielerin
Leider gab es in Internetforen immer wieder Kritik an Nicola Coughlan, der Schauspielerin von Penelope Featherington. Einige Zuschauer:innen hatten ein Problem damit, dass hier eine Plus-Size-Frau in halbnackten Szenen zu sehen war. Wie diese Kommentare uns vor Augen führen, ist es wichtiger denn je, diverse Körper in solchen Szenen zu zeigen, die nicht dem (aktuell) normschönen Ideal entsprechen. Im Umgang mit der Kritik zeigte Darstellerin Nicola Coughlan, dass sie nicht nur äußerlich wunderhübsch ist, sondern auch, wie sympathisch sie sein kann. Und dass sie genau die Richtige für die Rolle ist, beweist sie in der gesamten Staffel, wo sie eine mehr als bemerkenswerte schauspielerische Leistung an den Tag legt.
Filmmusik zwischen Modern und Klassik
Im Gegensatz zur Übersetzungsqualität bleibt sich diese Bridgerton-Staffel bei der Musik treu. Moderne Popmusik, gespielt von einem Streichquartett, schafft den perfekten Mix aus „Wir holen euch als Zuschauende ab“ und „Die Musik passt zu der Zeit“. Gerade dadurch, dass Songs wie „Yellow“ von Coldplay so vertont werden, können wir als Zuschauer:innen dabei sogar die Hinweise in der Musik verstehen – denn Gelb ist die Farbe der Featheringtons.
Wie geht es wohl weiter?
Nichts hat mich glücklicher gemacht als das Ende dieser Bridgerton-Staffel. Nicht nur Benedict scheint sich beziehungstechnisch aus dem Kosmos voller enger gesellschaftlicher Konstrukte zu befreien. Auch Francescas Geschichte wird weitergehen. Kommt da etwa endlich ein queeres Liebesdrama im Stil des frühen 19. Jahrhunderts auf uns zu? I would love it.
Insgesamt bietet die dritte Staffel von „Bridgerton“ eine tolle Fortsetzung mit fesselnden und verwobenen Handlungssträngen und der ein oder anderen überraschenden Wendung, die sowohl Fans der ersten beiden Staffeln als auch neue Zuschauer:innen mitreißen wird. Die Serie beweist mal wieder ihre Fähigkeit, historische Dramen mit zeitgemäßen Themen zu verweben und dabei ein breites Publikum zu erreichen.
Autorin: Philippa Petersen