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Album der Woche KW 08: Shirin David – Schlau Aber Blond

Shirin David ist mit “Bauch Beine Po” der Sommerhit 2024 gelungen. Niemand ist um diesen Ohrwurm herumgekommen. Am Valentinstag erschien ihr drittes Album “Schlau Aber Blond”.

Bild: Shirin David

Entsprechend dem Titel spiegelt Shirin auf diesem Album wirklich jedes sexistische Klischee über ihren Archetyp Frau wider. Die Barbie, zu der sie auf diesem Album avanciert, ist so übertrieben, dass sie gar keine echte Person mehr sein kann. Und das ist so ziemlich der Grundtenor dieses Albums. Shirin David zeigt sich irgendwo zwischen Kunstfigur, ihrer echten Persona Barbara Davidavicius und einer humorvollen Parodie des Klischees, das ihr von vielen Menschen zugeschrieben wird.

Shirin David hat in den vergangenen Jahren eine Wandlung durchgemacht. “Schlau Aber Blond” ist ihr drittes Album. Auf ihrem Debüt “Supersize” gibt sie sich als eines ihrer US-Vorbilder. Sie räkelt sich nackt im Champagnerglas und gibt sich ihren Fantasien von Brillis und Money hin. Wie die Labels ihr das vorschreiben, macht sie in erster Linie Pop und spricht vor allem von Mann und Frau. Feministisch wird es dann erst auf dem zweiten Album “Bitches brauchen Rap”. Das Album beschreibt vor allem ein Gefühl: Wut. Wut auf die Industrie, auf Männer, Labels und die Gesellschaft. Barbara – wie die Künstlerin eigentlich heißt – lässt ihrem Ärger freien Lauf. Als Frau im Rapgame wird sie kontinuierlich unterschätzt, belächelt und beleidigt. Das Album lässt sie von der YouTuberin, die jetzt auch noch Pop macht, zu einer respektablen Rapperin werden. 

Auf ihrer dritten Platte “Schlau Aber Blond” singt Shirin David wieder mehr – und von der Wut auf “Bitches brauchen Rap” ist kaum mehr etwas zu hören. Sie zeigt sich entspannt und humorvoll. Das Album erzählt von Tagträumen als erfolgreiche Frau und greift weniger Labels, Hater und die Industrie an. Jedoch geht damit auch ein Stück weit das verloren, was ich an Shirin David gefeiert habe. Bei “Bitches brauchen Rap” habe ich sie verstanden und ihre Musik hat mich empowered. Auf dem neuen Album fehlen großartige Songs wie „Babsi Bars“ oder „Bramfeld Stories“, in denen sie allen zeigt, dass sie eine respektable Rapperin und Künstlerin ist. Hier weiß ich nicht mehr, ob ich es mit einer Kunstfigur, einer Parodie oder Barbara zu tun habe.

Sie ist nun weicher geschminkt und kleidet sich in leicht-wirkenden Klamotten. Man siehe sich die Track by Track-Videos zu “Bitches brauchen Rap” und “Schlau Aber Blond” auf YouTube an. Auf den ersten Blick scheinen in den beiden Videos zwei verschiedene Frauen zu sprechen. In den Songs auf “Schlau Aber Blond” scheint sich die Rapperin nicht mehr zu rechtfertigen. Sie kämpft nicht mehr um Anerkennung und darum, ernst genommen zu werden. Sie spielt mit den Klischees, mit denen sie verglichen wird. Zum Beispiel gibt sie im passenden Song die hilflose Maus ab, der der Mansplainer zur Hilfe eilt. Man killt voreingenommene Typen sozusagen mit ihren eigenen Vorurteilen, besänftigt sie, stärkt ihr Ego und kriegt auf diese Weise, was man will. Shirin David sagt den Männern nicht mehr ins Gesicht, dass sie Idioten sind, sondern lässt sie schön in dem Glauben, großartig zu sein. Schlau ist auch, dass sich Shirin gleich zu Beginn mit dem ersten Track „iconic“ ihren Hatern entgegenstellt, indem sie sagt: „Meine Damen und Herren, es singt für sie: das Niveau.“ Die Rahmung wird stimmig durch das letzte Stück „fsk16“. Hier geht es darum, klarzumachen, dass Shirin David sich nicht in der Verantwortung dafür sieht, dass Mütter um das Seelenheil ihrer Kinder fürchten, was sie ihr in Form von Hater-Kommentaren auf Instagram mitteilen. “Freiwillige Selbstkontrolle – Bitch, ich bin ab sechzehn.” Der Song ist wirklich stark. Zwischen dem ersten und dem letzten Song sind dann viel Barbie, early 2000-Vibe und Strategien à la Daniela Katzenberger – “Sei schlau, stell dich dumm” – zu hören. Aber die Künstlerin plaudert doch auch ein bisschen aus ihrem Leben. Zum Song “pms” kann wirklich jede Frau relaten, denn in diesem Lied schildert Barbara ihre Periode und spricht wirklich jeder weiblichen Person aus der Seele. Da habe ich gleich wieder das Gefühl, nicht mit einer Parodie ihrer Selbst konfrontiert zu werden, sondern Barbara zuzuhören.

Leider ist das Album ein Opfer seiner Zeit. Ganz im Sinne von Generation ‚TikTok und Instagram Reels‘ sind die Songs nicht einmal drei Minuten lang. So ist das Album auch mit ganzen 14 Songs nach nur 32 Minuten vorbei. Schade.

Trotz all dem kann ich irgendwie nicht weghören und so laufen Songs wie “it girl”, “küss mich doch”, “pms” und “fsk16” bei mir auf Dauerschleife. Im April geht Shirin David mit dem Album auf Tour. Man darf gespannt sein, wen wir dort auf der Bühne sehen: Eine humorvolle Barbie, eine Parodie auf sexistische Frauenbilder oder eben die Künstlerin Barbara Schirin Davidavicius.

Autorin: Eva Krumnacker