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„Alles lässt sich ändern.“ – Das Wahlprogramm der FDP

Am 23. Februar wird gewählt, und zwar früher als erwartet. Die Koalition um Kanzler Olaf Scholz hat sich selbst beendet, ein Jahr vor Beendigung der Legislaturperiode. Einer der Hauptauslöser und Wegbereiter des Ampel-Aus ist Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen a.D. und Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei Deutschlands. Sein Gesicht ist dieser Tage auf jeder deutschen Straße zu sehen, auf den Plakaten der FDP. Die Liberalen haben ihre Kampagne gestartet und ihr Wahlprogramm veröffentlicht, und zwar unter dem Titel „Alles lässt sich ändern“.

Logo: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bildung

Die FDP plant umfassende Reformen im Bildungsbereich, von der frühkindlichen Förderung bis zur universitären Wissenschaft. Kitas sollen bundeseinheitliche Standards erhalten, und die frühkindliche Bildung soll zukünftig dem Bundesbildungsministerium unterstellt werden. Vorschulkinder sollten verpflichtende Sprachtests absolvieren, die Einschulung erfolgt dann nur bei ausreichenden Deutschkenntnissen.

Im Bereich der Schule will die FDP die Kultusministerkonferenz durch einen Bildungsrat aus Wissenschaftler:innen, Eltern und Praktiker:innen ersetzen, um dem Bund mehr Einfluss zu geben und faktisch den Gedanken des Föderalismus diesbezüglich einzuschränken. Geplant sind einheitliche Abschlussprüfungen („Deutschland-Abitur“) und modernisierte Lehrpläne mit Fokus auf Wirtschaft, Finanzen, Politik und Medienkompetenz. Ein Besuch von Holocaust-Gedenkstätten soll weiterhin verpflichtend bleiben, wozu außerdem der Besuch einer DDR-Gedenkstätte kommen soll. Schulen sollen ein „Chancen-Budget“ erhalten und individuell über Ressourcen und über das System G8/G9 entscheiden können. Das Lehramtsstudium soll praxisorientierter werden, mit leistungsabhängiger Vergütung und besseren Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrer:innen. 

Auch an den Universitäten plant die FDP Veränderungen. Studierende sollen von einem reformierten, elternunabhängigen BAföG profitieren, und internationale Austauschprogramme wie Erasmus+ sollen ausgebaut werden. Die Wissenschaftspolitik der FDP setzt auf wirtschaftsorientierte Forschung, insbesondere in Bereichen wie Gentechnologie, Stammzellforschung und Gesundheitsforschung mit Fokus auf Alzheimer und Parkinson. Dual-Use-Forschung – also die Nutzung universitärer Forschung zu miliitärischen Zwecken – soll in den Fokus rücken. Außerdem soll ein innovationsfreundlicher Rechtsrahmen den Forschungsstandort Deutschland stärken.

Wohlstand

Im finanziellen Bereich setzt die FDP auf wirtschaftliche Entlastungen, Bürokratieabbau und individuelle Leistungsanreize, um Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen. Geplant sind eine Anhebung der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz auf 96.600 Euro, steuerfreie Überstunden und die jährliche Anpassung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer an die Inflation. Kleine und mittlere Unternehmen sollen von einer Senkung der Umsatzsteuer auf 25 Prozent profitieren, während das „Easy Tax“-System die Steuererklärung durch vollautomatisierte Verfahren vereinfachen soll.

Um den Wohlstand zu stärken, möchten die Liberalen langfristiges Investieren fördern. Dies soll etwa durch Stärkung der finanziellen Bildung von klein auf geschehen. Des Weiteren sollen nicht genutzte Freibeträge für Kapitalerträge auf spätere Jahre übertragen werden können. Wenn jemand in einem Jahr weniger Kapitalerträge hat und seinen Freibetrag nicht vollständig ausschöpft, kann der nicht genutzte Teil in die Zukunft übertragen und dort genutzt werden. So geht der steuerliche Vorteil nicht verloren, sondern kann in einem späteren Jahr genutzt werden, wenn die Kapitalerträge höher sind. Zudem schlägt die FDP eine flexible Rentenregelung vor, bei der ein späterer Renteneintritt auch eine höhere Rente ermöglicht. Ergänzend will sie eine kapitalgedeckte Aktienrente einführen, um die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfähiger zu machen.

Innenpolitik und Gesellschaft

Im Bereich des Rechtsstaates fordert die FDP eine Neuordnung der inneren Sicherheit mit einem stärkeren Fokus auf den Kampf gegen Clankriminalität und die Modernisierung der Justiz. Künstliche Intelligenz soll Rechtsstreitigkeiten effizienter und kostengünstiger lösen. Außerdem sollen veraltete Straftatbestände neu beurteilt werden; so soll z.B. Schwarzfahren zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden. Eine anonymisierte, öffentlich einsehbare Datenbank für Gerichtsentscheidungen soll darüber hinaus Transparenz schaffen. Statt verstärkter Videoüberwachung im öffentlichen Bereich setzt die Partei auf mehr Polizeipräsenz und den Ausbau der Cybersicherheit.

Zudem will die FDP die demokratische Streitkultur fördern, die Rechte der LGBTQI+-Community stärken, Hasskriminalität einheitlich erfassen und Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichberechtigungsparagraph) um sexuelle Identität erweitern. Weitere Maßnahmen umfassen die Ausweitung diverser Inklusionsmaßnahmen, den Kampf gegen den politischen und religiösen Extremismus und eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit weniger Kanälen und niedrigeren Beiträgen. Schwangerschaftsabbrüche sollen legalisiert und medizinisches Personal entsprechend geschult werden, wobei der nächste Bundestag den Rechtsrahmen über eine Gewissensenscheidung klären soll. Die Positionierung der FDP ist dabei also nicht in Stein gemeißelt.

Migration 

Die Forderungen der Liberalen zum Thema Migration konzentrieren sich auf eine geordnete Einwanderung nach klaren Regeln, die vor allem die Integration von Migrant:innen in den Arbeitsmarkt statt in soziale Sicherungssysteme betonen. Ein zentrales Ziel ist die Schaffung eines vereinheitlichten Einwanderungsgesetzbuchs, das alle rechtlichen Grundlagen für Einwanderung und Asyl bündelt. Insbesondere für hochqualifizierte Fachkräfte sollen Einwanderungsbedingungen erleichtert werden .Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll für Schutzsuchende beschleunigt werden. Im Bereich Sozialleistungen wird ein neuer sozialrechtlicher Status für anerkannte Flüchtlinge vorgeschlagen, der geringere Sozialleistungen bei gleichzeitigem Fokus auf Sachleistungen vorsieht. Für ausreisepflichtige Personen soll es keinen staatlichen Unterstützungsanspruch mehr geben. Ein weiteres Augenmerk liegt auf klar definierten Einreisevoraussetzungen, einer zentralisierten Zuständigkeit für Abschiebungen und beschleunigten Asylverfahren.

Besonders hervorzuheben ist die Forderung nach Asylverfahren in Drittstaaten, wo Schutzsuchende unter sicheren und rechtsstaatlichen Bedingungen ein Verfahren durchlaufen sollen – eine Lösung, die die Zugänglichkeit des Asylrechts in Deutschland erheblich einschränken könnte. In einem größeren europäischen Kontext wird die Stärkung von FRONTEX – der europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache – und die Etablierung bilateraler Migrationspartnerschaften sowie Migrationsabkommen angestrebt, um die “irreguläre Migration” zu kontrollieren. Die Integration soll durch die stärkere Nutzung der Wohnsitzauflage, die festlegt, dass anerkannte Geflüchtete ihren Wohnsitz in einer bestimmten Region nehmen müssen, und die Trennung von Sprach- und Integrationskursen verbessert werden. Sprachkurse sollen modular und arbeitsbegleitend sein, mit dem Fokus auf Arbeitsmarktintegration. Die Staatsangehörigkeit soll nur bei erfolgreicher Integration und einem eigenen, stabilen Lebensunterhalt vergeben werden. Kriminelle Handlungen hingegen sollen eine Einbürgerung ausschließen.

Schlanker Staat

Beim Thema Staatsausgaben bleibt die FDP ihrem Grundsatzprogramm treu. Die Schuldenbremse bleibt unverrückbar, und der Markt soll durch weniger Subventionen eigenständig reguliert werden. Außerdem soll Bürokratie abgebaut und digitalisiert werden, um Effizienz zu steigern. Die Liberalen halten sich hier an das Motto: So viel Staat wie nötig, so wenig wie möglich.

Nachhaltigkeit, Innovation und Infrastruktur

Beim Thema Nachhaltigkeit setzt die FDP auf einen einheitlichen europäischen Emissionshandel, um Klimaziele zu erreichen; die deutsche Klimaneutralität soll flexibel gestaltet werden. Statt eines endgültigen Verbrenner-Verbots plädiert die FDP für „Technologieoffenheit“ und setzt beispielsweise auf die zukünftige Entwicklung von E-Fuels. Produktverbote lehnt sie ab und fokussiert sich stattdessen auf neue und moderne Recyclingmethoden. Im Bereich Mobilität soll autonomes Fahren in allen Entwicklungsstufen zugelassen und das Mindestalter für den Führerschein auf 16 Jahre gesenkt werden. Für den Wohnungsbau fordert die Partei mehr Neubauten und Maßnahmen, um Eigentum zu fördern. Dazu gehört ein Freibetrag von 500.000 Euro bei der Grunderwerbsteuer für die erste selbstgenutzte Immobilie.

Freiheit, Sicherheit, Menschenrechte

In Sachen Verteidigung spricht sich die Partei für eine umfassende Unterstützung der Ukraine aus und will die Bundeswehr zur stärksten Streitkraft Europas ausbauen. Gegen Russland setzt sie auf umfangreiche Handelsembargos, diplomatische Sanktionen und Visa-Entzüge für die politischen Führungskräfte und weitere Verantwortliche. Zugleich soll Taiwan im Konflikt mit China gestärkt werden. In der Außenpolitik plädiert die Partei für mehr Diplomatie und dafür, anderen Ländern keine eigene Moralvorstellung aufzuzwingen. Zudem fordert sie den Abschluss möglichst vieler internationaler Freihandelsabkommen, um den globalen Handel zu fördern und Deutschlands wirtschaftliche Stellung in der Welt zu festigen.

Resümierend lässt sich feststellen: Die FDP bleibt ihrem wirtschaftsliberalen Kurs treu und setzt auf Eigenverantwortung, Entlastung und Reformen in Bildung, Migration und Sozialstaat. Doch angesichts der strikten Schuldenbremse und umstrittener Maßnahmen wie Asylverfahren in Drittstaaten oder Kürzungen von Sozialleistungen bleibt fraglich, wie realistisch diese Pläne sind. Zudem droht der FDP mit nur etwa 4 % in den Umfragen das Aus im Bundestag – ob ihre Botschaft ankommt oder die Wähler:innen der liberalen Partei längst den Rücken gekehrt haben, wird sich am 23. Februar an der Urne zeigen.

Autor: Leon Swart