Der Berliner Musikproduzent Fritz Kalkbrenner ist neben Alexander Kowalski und Sven Väth eines der großen Flaggschiffe der deutschen Techno- und House-Szene. Kennern ist er schon lange ein Begriff. Spätestens seit RWE den Track Sky and Sand als musikalische Untermalung in einem Werbespot aus dem Jahr 2011 einsetzte genießt Kalkbrenner auch in der breiten Masse hohes Ansehen. Denn zusammen mit seinem Bruder Paul landete er mit eben jenem Song, welcher bereits 2008 erschien, einen äradefinierenden Technotrack mit sanften und beruhigenden Vocals. Damals schon konnte man seine unverwechselbare Signatur erkennen: Ein Mix aus chilligen House-Beats und soulig- verträumten Gesang. Weitere Erfolge waren also nur noch Definitionssache. Seit seinem 2010 erschienen Debütalbum Here Today, Gone Tomorrow landeten drei seiner sechs Alben in den Top Ten. Besonders sein viertes Album Ways Over Water ging 2014 durch die Decke. Single- Auskopplungen wie Right in the Dark oder Back Home sind wahre Hymnen und heben sich wunderbar von dem fürchterlichen Deutsch-Pop ab.
Mit seinem aktuellen Album True Colours zeigt uns Kalkbrenner frei übersetzt sein wahres Gesicht. Stellvertretend ist dementsprechend auch das Album-Cover gestaltet: Nachdenklich, ja fast ausdruckslos, starrt Kalkbrenner hinter einer verregneten Fensterscheibe in die Ferne. Er liefert mit seiner nun mehr schon sechsten Platte Musik, die perfekt in den Club passt, aber auch bequem auf der zwangsverordneten Couch genossen werden kann. Wer einmal in den Genuss des leicht trancigen Albums kommt, wird unweigerlich daran erinnert, dass jetzt eigentlich die Monate anbrechen, die ideal geeignet wären um den aufgestauten Winterfrust wegzutanzen. Schmerzlich müssen wir aber akzeptieren, dass daraus aber wohl erstmal nichts wird. Umso besser also, dass True Colours den perfekten Sound für angenehme Feiernächte zu Hause liefert. Besonders Kings & Queens ist ein Track, der sowohl zum Mitgröhlen wie auch zum Mittanzen einlädt. Textlich prangert Fritz Kalkbrenner hier soziale Ungerechtigkeiten an und ruft auch dazu auf mehr aufeinander zu achten und wertzuschätzen.
Schön an True Colours ist, dass auch Connaisseurs der Instrumentalmusik voll auf ihre Kosten kommen. Es ist die perfekte Mischung aus dynamisch aber keineswegs überladen Mitgröhlsongs und melodischen Techno-Tracks – ein in sich stimmiger und abwechslungsreicher Soundteppich also. Bei Uptwon und One Day At A Time z.B. kann man sich wunderbar in elektronische Klangflächen einwickeln lassen. Eine absolute Empfehlung ist auch Last Summer. Kopfhörer aufsetzen und die nostalgische Ader pulsieren spüren. Auch beim Rest der Platte hallen die Synthesizer zusammen mit chilligen House-Trance-Passagen und fetten Beats angenehm warm um Herz und Ohren. Zusammengefasst ist das Album zweifelsohne gelungen. Es lädt zum Träumen ein und ehe man sich versieht ist man schon im nächsten Moment in der eigenen Fantasie-Welt fernab der Realität verloren. Es erinnert auch passagenweise an den genialen elektronischen Dream- Pop von M83 oder die Klangcollagen von Kiasmos. Einziger Knackpunkt: Das Album hat kaum bis gar keine Dissonanzen. Man könnte Kalkbrenner also vorwerfen, dass True Colours stellenweise sehr glatt geschliffen daherkommt und dadurch auf manche vielleicht etwas uninteressant wirkt
Fest steht aber ohne Frage: Fritz Kalkbrenner ist nicht bloß irgendein ein Techno-DJ, sondern lässt mit der Aura von wummernden Bässen aus True Colours Erinnerungen an durchtanzte Nächte aufleben und verbreitet auch ganz nebenbei eine kleine Prise positiven Optimismus. Er ist ein erfolgreicher Künstler, hinter dessen Erfolg Substanz steckt. Wobei der Berliner in einem Interview mit dem Stern auch sagt man dürfe sich trotz Erfolg nicht zu einem Halbgott krönen.