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Rezension: Robert Alan – Streuner

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Ziemlich genau vor einem Jahr erhielt Robert Alan meine persönliche Auszeichnung für das Album des Jahres. Ich war begeistert von den fetten Synthie Beats, den Gitarrensolos und den seichten Klavierbegleitungen. “Brot für die Enten” war ein Album, dass bei mir bis gestern noch rauf und runter lief. Heute bricht eine neue Ära an, denn mit “Streuner” hat der Musikkabarettist seine neue Platte veröffentlicht. Ob Sie an die Benchmark des vergangenen Albums herankommt, werde ich in diesem Beitrag herauszufinden. 

 

Am Albumcover und der Tracklist wird schnell ersichtlich, dass hier kein Majorlabel hinter steckt. Das Cover, aufgenommen mit einem Nokia 3310, zeigt das Ausnahmetalent beim Stand-Up in beigen Pullover vor einem grün beleuchteten Notausgang. Ein Titelbild das Bodenständigkeit vermittelt. Die Clubs sind trotz der Qualität des letzten Albums immer noch so groß, dass die Bühne an den Notausgang anschließt, die Bildqualität nicht einmal ansatzweise auf dem Level eines Samsung GT-S5230. Im Vergleich zu Roberts letzten drei Alben haben wir hier das Cover, das mit dem geringsten Effort erstellt wurde. Schade! Im Endeffekt aber auch ein Titelbild, mit dem der Künstler sein Selbstbild zeigt. Alan ist und war nie der Musiker, zu dem ihn seine Fans gemacht haben. Die von Robert veröffentlichten Tracks waren ursprünglich immer eingebettet in ein Stand-Up Programm, in diesem Sinne etwa die Zitronenscheibe im Tequila: Insgeheim das Beste, aber ohne das drum herum einfach nicht dasselbe. In erster Linie betrachtete sich Robert aber immer als Komiker. Wer seine Musik aus diesem humoristischen Kontext reißt und Sie getrennt betrachtet hat demnach nicht das ganze Bild vor Augen. Diese Einschränkung sollte uns zwar bewusst sein, unser Urteil zu “Streuner” aber nicht allzu sehr beeinflussen. Denn im Widerspruch dazu stehen die zahlreichen visuell ansprechenden und hochwertigen Musikvideos, die Robert Alan auf YouTube hochlädt. 

 

Aber kommen wir zum Wesentlichen. Wie steht es um das Herz eines jeden Albums, dem Sound? Während ich bei “Brot für die Enten”, Robert Alans letztem Album, von Beginn an begeistert war, habe ich hier etwas länger gebraucht, um mit der Klangfarbe in Harmonie zu kommen. Und das ist nicht prinzipiell als negativ zu verstehen. In “Streuner” lässt sich die Weiterentwicklung von Alan erkennen. Während in BfdE noch verhältnismäßig viele Songs aus der Hip-Hop Richtung waren, lässt sich auf dem aktuellen Album nur noch der Song “Every damn day” grob in jenes Genre einordnen. Beachtlich ist, dass wir trotz dessen nicht auf die Experimentierfreudigkeit verzichten müssen, die Robert Alans Musik seit Jahren so interessant, abwechslungsreich und vielschichtig macht. Denn das, was wir an Genrevielfalt verlieren, gewinnen wir in der Vielfalt der Subgenre. Songs aus dem Indie Pop bis hin zum Experimental Indie sind Ausdruck von Roberts Facettenreichtum. In Kombination mit seinen balladenhaften und humoristischen Texten gelingt es ihm bei jedem Song aufs Neue, die Zuhörenden in seinen Bann zu ziehen. Im Drahtseilakt zwischen Kabarett und Alltagsromantik schafft Alan eine Atmosphäre, die seinen Zuhörenden die guten Dinge im Schlechten, und die schlechten Dinge im Guten aufzeigt. Ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt er Messages von moralischer Tragweite und sorgt ohne blinden Euphemismus für ein Dauergrinsen. Von den fetten Synthie Beats, den Gitarrensolos und den seichten Klavierbegleitungen musste ich mich in diesem Zusammenhang größtenteils verabschieden. Die Art und Weise, wie Robert jedoch Musik macht, ist trotz der deutlicheren Genrezuordnung immernoch einzigartig. 

 

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Robert Alan bleibt ebenso bestehen. Der Künstler hat immernoch kein Interesse daran, mit seiner Musik – abseits der winzigen Spotifyauszahlungen pro Stream – Geld zu verdienen. So gibt es das Album nicht als CD, LP oder MC, nicht als Box oder als kostenpflichtigen Download. Für das Werk, das gleichermaßen ein Sinnbild des Jahrzehnts und gleichzeitig so zeitlos ist, würde man wahnsinnig gerne Geld ausgeben, denn Robert Alans Schweiß, der förmlich aus dem Spotify Player tropft, verdient genau das. Es ist absolut ehrenwert, dieses Stück Musik der Welt (fast) kostenlos zur Verfügung zu stellen, dennoch würde ich mein Geld lieber Alan direkt und nicht über Spotify geben. Letztes Jahr habe ich spekuliert, dass Robert sich weiterhin hauptsächlich durch seine Kabarettauftritte finanzieren möchte. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, der Absage von Kulturveranstaltungen und der fehlenden Unterstützung der Regierung von Kulturschaffenden wäre dieses sehr gute Album aber die Chance gewesen, fehlende Einnahmen zumindest stückweise zu kompensieren. Das Robert das nicht tut, zeugt auf der einen Seite von seiner Liebe und Leidenschaft zur Musik, stimmt auf der anderen Seite aber auch traurig. Es macht Spaß, die Entwicklung des Ausnahmekünstlers live mitverfolgen zu dürfen, auch wenn – oder gerade weil – sein Antrieb altruistisch bleibt. Robert Alan gibt ohne zu nehmen.

Autor: Max Schmid