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Album der Woche KW 12: Neo Noir – Magdalena Ganter

Mal naive Comedienne, mal exaltierte Diva, manchmal auch beides zusammen. Aber auf jeden Fall eine freigeistige Songwriterin mit kindlicher Lebensfreude. In ihrem ersten Album unter eigenem Namen schlüpft Magdalena Ganter in viele Rollen, bleibt aber immer sie selber. „Neo Noir“ erschien am 26.02.2021 bei Revolver Promotion.

Die Schwarzwälderin Magdalena Ganter ist die ein viel zu großes Talent. Ein so großes, dass man sich fragt, wie man die Künstlerin so lange übersehen konnte. Die Unkenntnis über die Wahl-Berlinerin kann man sich nur schwer erklären. Denn spätestens nach “Neo Noir” ist Magdalena Ganter ein Debüt-Album von losgelöster Frische und Brillanz gelungen. Es gibt klug getextete und wunderbar instrumentierte Piano-Balladen wie “Der Wind” oder die Berlin-Hommage „Hilde und Hermann„. Dann gibt es aber auch freche Lieder wie “Nackt”. Nacktheit ist doch aber etwas Grundnatürliches, wie passt das zusammen? Sie singt “Ich geh jetzt duschen / und zwar nackt / und nur für mich alleine / und ich lieb mich sehr dabei„. Das könnte man als über-feministische Effekthascherei interpretieren. Mit dieser Einstellung zu Ganter und ihrer Musik würde man aber komplett daneben liegen. Als vergnügte Ich-Erzählerin und starke Frau weiß die Sängerin Erotik stilsicher zu inszenieren erklärt ihrem Gegenüber, dass es sich lohnt ein aufregendes aber auch strapaziöses Leben zu führen. Ihre exaltierten Stücke, in denen sie auch gerne mal lässig pfeift, stehen immer ganz im Zeichen des entrückten Chansons.

Hierher, von der musikalischen Mixtur aus Jazz und Swing und dazu noch reich an Poesie, rührt auch ihr Stil. Ganter selbst beschreibt ihren Stil als unbedarften Flirt mit Brüchen: Es ist eine wilde Musiktour aus Chansons, Jazz, melancholischer Indie-Sound und eben aus den 20er Jahren inspirierten kammerorchestralen Klängen der Varieté-Musik. Die Sängerin und Pianistin lässt sich in eine Schublade stecken. Sie ist ein Freigeist. Mit wortwitzdurchwebten Texten, opulenten Streicherflächen, scheppernden Percussions und gezupften Kontrabassklängen beschwört sie die Verruchtheit einstiger Jazzclubs herauf.

Ihre Texte sind geprägt von einem ironischen Augenzwinkern. Die Geschichten die sie erzählt sind wild, tief bis abgründig aber in jedem Fall immer hoffnungsvoll. Die Lieder handeln von Freiheit, Aufbruch und Emanzipation, aber auch Angst und ihre Überwindung. Das intime Albums gleicht dem Durchblättern eines Tagebuchs. Es schwankt zwischen verträumt, melancholisch und euphorisch beschwingt. Dieses Feeling überträgt sich auch 1:1 von den Musikvideos: Viel diesiges Licht, alte Tapeten, verschwommene Orange-Braun-Töne und etlichen Zigaretten. Der Vintage-Look ist hier auf jeden Fall gelungen. Aber nicht nur der Vintage-Look – auch der Sound ist nicht zu sehr gewollt, als dass er verkrampft wirkt. Bewusst wurde hier auf elektronische Instrumente verzichtet. Im Tonstudio hat die Crew auch mit altem Equipment gearbeitet und mit eingestaubten Raritäten aufgezeichnet. Und das hört man auch. Das klingt super authentisch echt und sehr elegant eingesetzt. Es ist eine Zeitreise in zurück in jene wilden Tage.

Autor: Sebastian Schroth