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Taubertal 2023

Jedes Jahr am zweiten Augustwochenende verwandelt sich das Taubertal. Neben bekannten nationalen und internationalen Acts wird auf dem Taubertal Festival jedes Jahr das Finale des Emergenza Newcomer-Festivals ausgetragen.

Festival-Feeling im Tal

Anfang August versank das legendäre Wacken Open Air im Schlamm. Regen sorgte auch zu Beginn des Taubertal Festivals für eine verzögerte Anreise. Ab Donnerstag besserte sich aber das Wetter und die rund 15.000 Besucher:innen konnten drei Tage voller Musik mit ein paar kleineren Schauern genießen. Die Veranstalter erklärten aber während der Pressekonferenz am Sonntag, dass in diesem Jahr mehr Tagestickets verkauft wurden als die Jahre zuvor. Entweder ist das Festival-Camping nicht mehr so hoch im Kurs oder das Line-Up hat den einen oder die andere dazu bewogen, nur einen Teil des Programms mitzunehmen. Beim Line-Up gab es auch in unserer Redaktion gemischte Gefühle.

Trotzdem: Die Headliner Electric Callboy, Peter Fox und Broilers füllten den Bereich vor der Mainstage ohne Proleme. Die Veranstalter setzten abends vor allem auf nationale Größen. Nicht jeder der Besucher:innen war von der Ausrichtung überzeugt. So waren auch Kommentar zu hören, der sich über einen weiteren internationalen Headliner mehr gefreut hätten.

Seit 2016 besuchen wir das Taubertal Festival und berichten darüber. Für vier Tage sind Fotograben, Pressezelt und Greencamp unsere Heimat. Wir führen Interviews, schießen Fotos und genießen den Vibe.

Emergenza 2023: TRAinnovation aus Japan gewinnt das Finale

Das Emergenza Festival ist das größte Newcomer-Festival der Welt. Jedes Jahr spielen auf dem Taubertal die Finalist:innen verschiedener Länder auf der Sounds for Nature-Bühne. Eine Jury bewertet die Bands und die Gewinner:innen dürfen dann am Sonntag auf der Mainstage spielen.

2023 kamen die Bands aus Dänemark, Italien, Frankreich, Schweden, Finnland, Deutschland, Norwegen und Japan. Musikalisch lag der Fokus vor allem auf verschiedenen Facetten von Rock. TRAinnovation aus Japan fiel mit ihrer Mischung aus EDM mit traditionellen Instrumenten auf. Die Band überzeugte nicht nur die Jury, sondern auch die Besucher:innen vor der Bühne. Im anhaltenden Regen tanzte das Publikum ausgelassen.

Das Besondere beim Emergenza Contest: Alle Bands unterstützen sich bei den Auftritten und feiern sich gegenseitig. Für viele Bands ist es der erste internationale Auftritt und die Spannung lässt sich beim Mit-Wippen und Abtanzen wahrscheinlich am besten bewältigen. Die Stimmung war jedenfalls außergewöhnlich gut!

Die Interviews mit den Bands findet ihr HIER.

Musikalisch ist alles dabei – Der Freitag

Dass auch eine Cover-Band auf der Mainstage spielen kann, zeigen Me First And The Gimme Gimmes. Sie geben bekannten Songs wie „Leavinig on a Jetplane“ einen punkigen Einschlag. Ihre Outfits sind eine Mischung aus Hawaii-Hemden und Elvis. Punkrock kann so einiges und bei dieser Band vor allem Spaß machen – auch im gesetzten Alter.

Die Band Deine Cousine überzeugt auf ganzer Linie. Obwohl Viele im Schatten Zuflucht vor der Sonne suchen, versammelt sich eine große Menge vor der Bühne, um feinsten deutschen Punk aus Hamburg zu genießen.

Electric Callboy ballern bei ihrer Show so viel Konfetti in die Menge, dass es eine wahre Freude ist.* Energiegeladen und feurig geben sie ihre Songs zum Besten und die Menge flippt aus. Auf den Alben sind ihre Songs verrückt und ihre Outfits in den Musikvideos selbstironisch albern. Auf der Bühne laufen sie zur Höchstform auf und sind damit eines der Highlights des Wochenendes.

Wie viele Menschen man auf die Bühne bringen kann, zeigt Peter Fox eindrucksvoll am Freitagabend. Mit Tänzer:innen, Musiker:innen und Leuten aus der Gegend um Rothenburg füllt er nicht nur die Mainstage, sondern auch die komplette Fläche VOR der Bühne. Wobei wir bei der Stimmung noch ungenutztes Potential erkennen konnten.

* Das ehrenamtliche Umwelt-Team ist evtl. anderer Ansicht. Aber immerhin war das Konfetti auf Papier-Basis und biologisch abbaubar…

Hart, ruhig und Hip Hop – Der Samstag

Den Samstag starteten wir mit einer Runde Bieryoga, um die müden Knochen etwas in Schwung zu bekommen.

Bieryoga am Samstagmorgen

Samstagabend stand die Sounds for Nature-Bühne im Zeichen der härteren Bands. Die Krawallband Fjort, die durch ihre Mischung von harten Sounds und poetischen Texten eigentlich die ganze Energie der Menge fordert, enttäuschte durch eine relativ langsame Setliste. Was sonst der perfekte Übergang zu While She Sleeps gewesen wäre, dümpelte lediglich langsam und ungewohnt ruhig dahin. Vielleicht aber auch eine dankbare Verschnaufpause für das durch As Everything Unfolds erschöpfte Publikum.

While She Sleeps überzeugte auf ganzer Linie. Auch wenn der Circle Pit durch den Matsch eher ein Kreis aus rutschenden Menschen wurde. Crowdsurfen ging aber bestens.

We stand for two things: unity amongst people and passion for fucking energetic music. So if you’re new, welcome to the family, you sexy motherfuckers!

Loz – While She Sleeps

Frank Turner trotzt dem Regen auf der Sounds for Nature-Bühne. Seine Musik ist wie dafür gemacht, der Nässe fröhliche Musik entgegenzustellen.

Nachdem das Gewitter am Samstag abgeflaut ist, kommen Dicht und Ergreifend gerade richtig. Auf der Mainstage liefern sie nicht nur einen Ohrenschmaus. Vor einer Kulisse aus Windrädern, einer Sonnenbank und Palmen geben die Bayern Rapper alles.

Sonntag

Der Festival-Sonntag beginnt auf der Sounds for Nature-Bühne mit der „deutschsprachigen Rockband“ Engst, die wir am Vormittag bereits zum Interview getroffen haben. Obwohl Viertel nach drei für einen Festival-Sonntag durchaus als „früh“ bezeichnet werden kann, hat sich überpünktlich eine sehr akzeptable Crowd vor der Bühne versammelt. Das honoriert auch die Band und startet mit Vollgas durch! Wall of Love und Punk-Polonaise lassen die Menge nicht nur „Besucher:innen“ sein. Chapeau für die mit Abstand beste Crowd-Dressur des Festivals.

Auf der Main-Stage geht es eine Stunde später zur Sache. Die Baboon Show macht mit markanter Stimme und farbenfroher Bühnendeko auf sich aufmerksam. Schade, dass nicht mehr Besucher:innen vor der Bühne waren. Die Stimmung war trotzdem gut.

Ganz anders beim heimlichen Star des Taubertal Festivals – den Donots! Mit dem 11. Auftritt beim 10. Taubertal Festival sind sie nun offiziell die Band, die am häufigsten auf dem TTF gespielt hat! Herzlichen Glückwunsch!

Man kennt sich, man liebt sich und man kann sich aufeinander verlassen: Das Taubertal-Publikum war sowohl vor der Bühne als auch auf „dem Hang“ zahlreich erschienen. Und die Band gab auf der Bühne und „auf dem Publikum“ alles. Hier lohnt sich definitiv ein Blick in unsere Galerie.

Bilderbuch ist für die Bühne gemacht. Die Österreicher zeigen gekonnt, dass sie zurecht der aktuell geilste Scheiß aus der Alpenrepublik sind. Hits hat die Band genug, die sie technisch hervorragend dem Publikum präsentieren. Es werden alle Reserven mobilisiert, denn fast jede:r singt mit und tanzt.

Die Broilers schlossen das Taubertal Festival 2023 schließlich ab. Punk is not dead, aber definitiv älter geworden. Vor der Mainstage war es etwas leerer als die Abende davor, aber die Leute, die gekommen sind, geben Vollgas.

Fazit

Das Taubertal Festival ist und bleibt ein sehr familiäres Festival. Langjährige Besucher:innen halten dem TTF die Treue und geben den „Spirit“ des Festivals an die Neulinge weiter. Das merkt man vor allem an den sauberen Campingplätzen nach der Abreise und der kollegialen, entspannten Atmosphäre im Green Camp.

Ins Line-Up mischt sich unübersehbar mehr Hip Hop und die Aussagen auf der Pressekonferenz zur zukünftigen Ausrichtung und „Neu-Besucher-Gewinnung“ lassen die alten Hasen besorgt aufhorchen. Wird der Rock&Roll verdrängt? Bleiben die internationalen Acts in Zukunft die Ausnahme?

Auf der Sounds for Nature-Bühne konnte man eindrucksvoll erleben, wie neue, unkonventionelle Bands Publikum vor die Bühnen bringen können. Unser Fokus auf die „kleine Stage“ war dieses Jahr genau die richtige Entscheidung. (Wir haben die Main-Stage ja trotzdem besucht.)

Aber irgendwas macht der Veranstalter ja richtig – die Frühbuchertickets sind bereits ausverkauft… Wir freuen uns schon aufs kommende Jahr!

Fotos und Text: Julian Popp, Lea Maria Kiehlmeier