Das meiner Meinung nach beste Deutschrap Album dieses Jahrzehnts ist vor mittlerweile 2 Jahren erschienen. Mit #diy veröffentlichte Trettmann ein Brett, dass riesige Wellen nach sich zog. Tretti bewies darin, dass Autotune auch geschmackvoll eingesetzt werden kann und verewigte sich in der deutschen Rap Landschaft mit seinen teilweise tiefgründigen, teilweise tanzbaren Songs und besonders mit Songs, die gleichzeitig in die beiden Kategorien fallen. So viel zur Vergangenheit. Das Problem bei der Sache ist, dass Trettmann nicht nur für andere Künstler die Latte auf ein komplett anderes Level gelegt hat, sondern auch für sich selbst. Wie lässt sich ein solches Album also nochmal übertrumpfen?
Im September diesen Jahres erschien Trettmanns neues, nach ihm benanntes Album. Was in seinem letzten Album die Songs “Billie Holiday“ und “Dumplin & Callaloo” waren, nämlich todesfette Songs mit deepen Lyrics und exquisiten Beats á la Kitschkrieg Manier, sind im neuen Album “Stolpersteine”, “Zeit steht still” oder “Wenn du mich brauchst”. Tretti ist gefestigter geworden. Seine Lust daran, neue Styles auszuprobieren ist aber sicherlich nicht gestorben, und er konnte auch in diesem Album neue Maßstäbe an den deutschen Hip Hop setzen. Doch bleibt der Eindruck bestehen, dass “Trettmann” in “#diy”s Fußstapfen tritt. Und dies lässt sich auch an seinem Konzert bemerken.
Am Donnerstag, dem 05. Dezember 2019 hatte Erlangen die Ehre, Tretti in der ausverkauften Heinrich-Lades Halle zu begrüßen. So vielfältig wie Trettmanns Liedauswahl, war auch das Publikum. Von 16 bis 35 Jahren. Jede Altersgruppe war zahlreich vertreten. Ein Indiz dafür, dass sich viele verschiedene Schichten mit den Songs des 46 Jährigen identifizieren können. Doch birgt genau das für Tretti auch ein gewisses Risiko. Erlangen war sein 7. Tourstopp, was man ihm leicht ansehen konnte. Etwas heiser und angeschlagen verabschiedete er sich nach fast 2 Stunden vom Erlanger Publikum. Trettmann zeigte in diesem Zeitraum das, was andere Künstler vergeblich versuchen: Mit Autotune einen guten Live Auftritt hinzulegen. Über Trettis einzigartigen Sound und seine top Live Performance lässt sich also kaum streiten. Außerdem kommt er nach mindestens 13 Jahren Bühnenerfahrung noch keinesfalls so eingestaubt herüber wie Samy Deluxe, Sido oder Prinz Pi.
Das Altersspektrum des Publikums und die Textsicherheit der Songs lässt eines vermuten: Trettmanns neues Album ist an “Bestandshörerinnen” und “Bestandshörer” gerichtet. Die neuen Feature Guests Alli Neumann und KeKe bilden hier die Ausnahme. Der Sound des Albums ist eine natürliche Evolution von #diy, aber keine Revolution. Und genau deshalb passen die älteren Tretti Songs so gut in die Setlist der neuen Tour. Erstmal schwierig: Ein Künstler, der hauptsächlich seine eigene Vergangenheit feiert, wirkt wie der Opa in der Bar, der davon erzählt, wie geil seine Jugend damals war. Doch hier liegt der große Unterschied. Tretti mischt alte und neue Songs vollkommen hierarchiefrei. Alle Zuhörenden, unabhängig vom persönlichen Lieblingsalbum oder der persönlichen Lieblingsphase Trettis (außer vielleicht diejenigen, die “Birnenpfeffi mit Zimt” genauso feiern wie ich) kommen vollends auf ihre Kosten. Einige der besten Songs aus den Kitschkrieg EPs kriegt man genauso auf die Ohren wie quasi alle Songs des neuen Albums. Obwohl Tretti also wirklich viele Bretter des alten Albums und der vergangenen EPs gespielt hat, war die Mischung exzellent. So machen Konzerte Spaß. Abschließend lässt sich die Frage vom Anfang für mich also wie folgt beantworten: Trettmann weiß, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Seine Setlist ist dementsprechend mehr als passend ausgerichtet. Neue und alte Songs sind perfekt ausbalanciert, sodass alle Fans auf ihre Kosten kommen. Besser hätte man es nicht machen können.
Wer beim Besuch von Trettis Konzert etwas Negatives sucht, der sucht fast vergeblich. Die einzigen Punkte, die mir aufgefallen sind, waren der für die Qualität des Auftritts zu niedrigen Enthusiasmus der Erlanger, worüber Oliver Mark Schulz bereits vor geraumer Zeit ablästerte. Außerdem: Der Eintrittspreis. 38,05 Euro sind ein Statement, das eigentlich nicht zu Trettmann passt. Wer sich diesen oder einen ähnlichen Betrag aber aus dem Ärmel schütteln kann, der sollte auf jeden Fall Trettmanns Tour besuchen. Selbst die etwas weitere Anfahrt nach München (10.12.), Stuttgart (15.12.), Dresden (16.12.) oder Leipzig (17.12.) rentieren sich meiner Meinung nach. Trettmann sollte man live gesehen haben und selbst wenn er jeden einzelnen seiner Songs spielen würde, wäre mir das noch nicht genug.
Autor: Max Schmid