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Sieben Kontinente – Ein Planet: Einzigartige Naturwunder unserer Erde

Copyright: Frederking & Thaler Verlag

 Der serienbegleitende Bildband Sieben Kontinente – Ein Planet (Seven Worlds, One Planet) besticht durch eindrucksvolle Tier- und Naturaufnahmen. Eindringliche Worte des englischen Naturforschers David Attenborough und die gewaltige Sprache der Bilder sind zutiefst ergreifend. Auf mehr als 300 Seiten werden die Naturwunder jedes einzelnen Kontinents wunderschön bebildert. Das Hardcover-Buch wirkt monströs und ist dennoch zu klein, um die gewaltige Artenvielfalt unseres Planeten einfangen zu können. Der Text und das aufgeräumte Layout lenken zu keiner Zeit vom eigentlichen Inhalt – den Bildern – ab. Die hochwertige Seiten- und Bildqualität unterstreichen die Wertigkeit des Buches. 

Mahnung an uns, Liebeserklärung an die Natur 

Seit Jahren begeistern die Naturdokumentationen der BBC mit emotionalen Szenen und atemberaubenden Bildern ein Millionenpublikum. Jeder Film ist eine einzigartige Reise in eine Welt, die der Mensch bereits zu kennen glaubt – eine Welt, deren Realität weit über die Vorstellungskraft hinausgeht. Vor 20 Jahren setzten die bahnbrechenden Unterwasseraufnahmen von Unser blauer Planet (The Blue Planet) neue Maßstäbe für Meeresdokumentationen. Noch nie zuvor waren majestätisch anmutende Blauwale oder beängstigende Tiefsee-Monster so eindrucksvoll im TV zu sehen. Wenige Jahre später behandelte Unsere Erde (Planet Earth) die einzigartigen Naturwunder unseres Planeten und zeigte unter anderem die farbenfrohen Paradiese Südamerikas, die ewigen Eiswelten der Antarktis aber auch die ungeheuren Herausforderungen, denen Tiere in der vom Menschen dominierten Welt gegenüberstehen. Dank ihrer objektiven Reflexion über den Zustand des Planeten beeinflussen die BBC-Naturserien die Verhaltensweisen der Menschen nachhaltig positiv. Nach dem Erfolg von Unser blauer Planet konnte sogar eine messbare Bewusstseinsveränderung, der “Blue-Planet-Effect”, festgestellt werden. 

Die bildgewaltigen Serien inspirieren ganze Generationen und werden darüber hinaus auch als Live-In-Concert-Adaptionen aufgeführt. Die spektakulärsten Szenen werden bei derartigen Events mit der atemberaubenden Musik von Hans Zimmer oder George Fenton live von einem Orchester begleitet – zuletzt der mitreißende Soundtrack von Unser Blauer Planet 2 (Blue Planet II). Herz und Seele aller BBC-Naturfilme ist David Attenborough. Der Brite ist ein Held in seinem Heimatland und fungiert in jeder Produktion als Voice-Over-Stimme. 

Vergangenen Herbst kam nun mit Sieben Kontinente – Ein Planet (Seven Worlds, One Planet) ein weiteres BBC-Naturdoku-Highlight ins Fernsehen. Der begleitende Bildband zeigt dazu in über 250 bewegenden Aufnahmen die ganze Pracht der sieben Kontinente, von denen jeder eine eigene Welt für sich ist: Vom Dschungel des Kongo, dem majestätischen Himalaya bis hin zu den dicht besiedelten Wildnissen Europas oder der isolierten Welt Australasiens. Die gestochen scharfen Bilder brauchen im Grunde keiner weiteren Erklärung, die Kinnlade fällt von allein herunter. Trotzdem ergänzen die beiden Autoren Jonny Keeling und Scott Alexander den Bildband mit informativen Begleittexten. 

In einem Land vor unserer Zeit

Nachdem auf unserem Planeten ein einziger Ozean aus Magma abkühlte und sich zu einer festen Landmasse verkrustete, nahm das irdische Leben auf dem Superkontinent Pangea seinen Lauf. Vor vielen Millionen Jahren zerrissen dann unglaubliche Kräfte diese Erdkruste und schufen die sieben Kontinente unserer heutigen Weltkarte. Bedingt durch die Kontinentalverschiebung entstanden viele verschiedene Habitate und spezifische Klimazonen, wodurch sich eine unvergleichliche Artenvielfalt bildete. Auch heute noch ist die plattentektonische Entwicklung im vollen Gange, allerdings merklich zurück gegangen. 

Jeder Kontinent hat seine eigenen Charakteristiken und beheimatet die verschiedensten Pflanzen und Tiere. Während am Amazonasbecken in Südamerika der Pfeilgiftfrosch, der nicht größer als ein Fingernagel wird und dessen Haut mit einem wirkungsvollem Nervengift überzogen ist, wesentlich größere Feinde in Angst und Schrecken versetzt, begegnete die Filmcrew im Daintree-Regenwald in Australien anmutigen Gestalten aus einer längst vergangenen Zeit. Denn in dem weltweit ältesten tropischen Regenwald herrschen perfekte klimatische Bedingungen für den Helmkasuar, einem Dinosauriervogel. Diese flugunfähige Vogelart wird bis zu zwei Meter groß und trägt einen finnenartigen Hornfaser-Helm. Beim Dreh musste die Crew um Regisseurin Lucy Wells besonders vorsichtig sein, um die bedrohte und schüchterne Art nicht zu beunruhigen. 

Sternengucker haben es nicht leicht. Nur an Orten mit wenig Lichtverschmutzung können sie nachts die Milchstraße in all ihrer Pracht beobachten. Schaut man im US-Bundesstaat Mississippi nachts auf den Boden sieht man das gleiche Bild, allerdings keine Sterne sondern männliche Photinus-Leuchtkäfer, welche im Lichtdialog um die Gunst von Weibchen kämpfen. Wie die winzigen Bewohner eines Feentals präsentieren sich die Leuchtkäfer in einer außergewöhnlichen Lichtsinfonie. 

Copyright: Frederking & Thaler Verlag

Leben am Limit 

Aber nicht nur vergnügliche Szenen sind auf den Bildern abgebildet, sondern auch schonungslos alle schrecklichen Dramen der Wildnis. So auch das traurige Schicksal vieler junger Weddellrobben in der Antarktis, einem der lebensfeindlichsten Orte des Planeten. Genau wie Delfine besitzen Weddellrobben einen oft missverstandenen Gesichtsausdruck. In diesem Fall schaut ein Junges mit weinerlichen Augen und Schnee um die Schnurrhaare scheinbar lächelnd in die Kamera. Doch so niedlich der Blick auch sein mag – der Schein trügt. Denn das Leben in der eisigen Kälte ist hart. Nicht mehr als eine Eisscholle bietet den jungen Tieren vor hungrigen Schwertwalen Schutz während ihre Mutter auf der Jagd ist. 

Im chinesischen Shennongjia-Nationalpark leben die Goldstumpfnasen. Sie sind eine der seltensten Affenarten des Planeten und im Sommer meistens in Gruppen von 200 Tieren unterwegs. Friedlich leben Familiengruppen im Einklang mit sich und der Natur. Doch sobald eine dicke weiße Schneedecke die schroffen und zerklüfteten Bergwälder bedeckt ist diese Harmonie vergessen, es beginnt eine erbitterte Suche nach Futter. Kriegerische Wettkämpfe um wertvolle Nahrungsquellen werden nachts allerdings um der Wärme willen beiseite gelegt. Eng zusammengekauert sitzen die asiatischen Bergaffen Fell an Fell um nicht zu erfrieren. Aus dieser flauschigen goldbraunen Masse schaut ein Junges mit türkisfarbenem Gesicht und niedlichen Kulleraugen in die Kamera – und dem Betrachter direkt ins Herz. Es ist kein Zufall, dass diese Momentaufnahme nicht nur eine eindrucksvolle Doppelseite ziert, sondern auch das Cover des beeindruckenden Bildbandes ist. Trotz evolutioinsbedngter

Feindschaften raufen sich die Tiere zusammen und ordnen egoistische Triebe dem Gemeinwohl unter, um sich gegenseitig zu schützen und den eigenen Fortbestand zu sichern. Ein Verhalten an dem sich der Mensch ein Beispiel nehmen könnte. Nicht nur schadet sich der Mensch selber, er raubt dem Planeten auch seine natürliche Schönheit und bringt ein sensibles Gleichgewicht ins Wanken. Wobei der Mensch die Natur mehr braucht als die Natur den Menschen. 

Wir wollen hoffen, dass unser zunehmendes Verständnis für das Funktionieren der Natur uns Menschen motiviert, für die Tiere zu sorgen, die sich auf den Kontinenten entwickelt haben, und ihnen den Raum gewähren, den sie brauchen, um in ihrer Heimat zu leben, die einst ganz allein ihnen gehörte. 

In einem abschließenden Appell wird auf die Dringlichkeit zwingend notwendiger Veränderungen und vor allem das Stoppen vom aktuellen Massenaussterben hingewiesen. An sich ist das Aussterben ein natürlicher Vorgang. Jedoch ist die gegenwärtige Geschwindigkeit des Prozesses besorgniserregend. Während zurückliegende Massenaussterben natürlichen Ursprungs waren, ist das aktuelle auf keinen Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag, sondern auf den Menschen zurückzuführen. Manche Tiere, wie beispielsweise die letzten lebenden Breitmaulnashörner, werden als so kostbar und bedroht eingestuft, dass sie von bewaffneten Wildhütern bewacht werden müssen. Es ist das letzte Bild in dem beeindruckenden Bildband, das uns die traurige Wahrheit nicht eindringlicher vor Augen führen könnte. 

Autor: Sebastian Schroth

UVP 29,99 €

Sieben Kontinente – Ein Planet: Einzigartige Naturwunder unserer Erde Jonny Keeling, Scott Alexander, David Attenborough 

Frederking & Thaler Verlag 

320 Seiten, ca. 250 Abbildungen 

ISBN: 978-3-95416-328-1